Krankenhaus schafft es nicht ohne ausländische Fachkräfte Doch Bürokratie hemmt notwendigen Weg

EvK holt ausländische Fachkräfte: Doch Bürokratie hemmt notwendigen Weg
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Als Heinz-Werner Bitter sich als Geschäftsführer der Evangelischen Krankenhausgemeinschaft Herne/Castrop-Rauxel verabschiedete, nannte er den Fachkräftemangel eine der größten Herausforderungen für seinen Nachfolger. Ohne Fachkräfte, ohne Ärzte und Pflegekräfte aus dem Ausland könnte das Krankenhaus in Castrop-Rauxel seine Leistungen nicht aufrechterhalten.

Fachkräfte aus dem Ausland wurden auch schon in der Vergangenheit über Agenturen ans EvK geholt. Es könnten mehr sein, sagt Beate Schlüter, Pflegedirektorin der Krankenhausgemeinschaft. Und es könnte reibungsloser gehen. Kritik übt sie an der Politik. Wenn sie wie kürzlich liest, dass die Minister Hubertus Heil und Annalena Baerbock in Brasilien Pflegekräfte anwerben wollen, kann sie nur lachen. Die Realität sieht anders aus. „Wir merken nichts davon, dass es leichter wird“, sagt sie.

Doch erst mal zur aktuellen Situation im EvK. „Wir haben massiven Fachkräftemangel. Wir müssen den Weg gehen, ausländische Pflegekräfte zu rekrutieren.“ Dabei schaue man genau, aus welchen Ländern man Kräfte anwerben wolle. „Sie sollen nicht denselben Mangel haben. Und wir vergewissern uns, dass Unternehmen nicht mit zwielichtigen Methoden Menschen locken“, so Beate Schlüter.

Fachkräfte aus dem Balkan

So kamen noch 2019 Fachkräfte aus den Balkan-Staaten. Doch dann wurden dort selbst Fachkräfte knapp. „Wir entschieden uns auf die Philippinen zu gehen“, sagt Beate Schlüter. „Alfa Care“ ist dort der Partner. „Ich bin selbst nach Manila geflogen“, erzählt sie, habe sich die Sprachschule und Bewerber angeschaut. 15 Philippinnen bereiteten sich da gerade auf ihre Arbeit in Deutschland, in Castrop-Rauxel am EvK vor.

Jhoan Reyes (33) ist eine von ihnen. Seit inzwischen mehr als zwei Jahren arbeitet sie am EvK, betreut aktuell Patienten in der Gerontopsychiatrie. Auch andere aus der Gruppe sind noch da. Andere haben inzwischen die Arbeit gewechselt. „Das ist aber die normale Fluktuation“, sagt Beate Schlüter.

Pflegedirektorin Beate Schlüter und ihre Stellvertreterin Stefanie Eisenberg besuchten die 2020 die Sprachschule in Manila und lernten die Gruppe kennen, die später ans EvK kam.
Pflegedirektorin Beate Schlüter und ihre Stellvertreterin Stefanie Eisenberg besuchten die 2020 die Sprachschule in Manila und lernten die Gruppe kennen, die später ans EvK kam. © EvK

Sie erinnert sich noch an ihren Besuch in der Sprachschule Anfang 2020. Sie muss noch heute lachen. „Mein erster Blick fiel auf die Tafel. Da stand: Ordnung ist das halbe Leben.“ Nicht nur mit Sprachunterricht wurden die Teilnehmer auf Deutschland vorbereitet. Beate Schlüter hat damals den letzten Flieger zurückgenommen. Der Corona-Lockdown kam auf den Philippinen schneller als in Deutschland. „Ich habe als Spaß noch Stoffmasken mitgebracht“, erzählt sie. Die Corona-Pandemie hat dann auch die Ankunft der 15 Philippinen verzögert.

Integrationsmanagerin hilft

Eine ganze Gruppe zu rekrutieren, sei bei dem großen Aufwand gut. Zudem ermögliche es den Neuankömmlingen, sich heimischer zu fühlen. Damit dies gelingt, hat die Ev. Krankenhausgemeinschaft zudem die Stelle einer Integrationsmanagerin geschaffen.

Gül-Nihal Cam (40), selbst examinierte Pflegekraft und ehemalige Pflegedienstleiterin, hat erste Kontakte mit den Bewerbern bereits in deren Herkunftsländern, kümmert sich um Visa, Zimmer oder Wohnung und hilft beim Eingewöhnen in die deutschen Lebensgewohnheiten.

Die nächste philippinischen Mitarbeiter werden in Kürze erwartet. Jeweils fünf Pflegekräfte kommen am 18. Juli, im November und Anfang 2024 in die Krankenhäuser der Gemeinschaft. Im kommenden Jahr sollen außerdem Pflegekräfte aus den Balkanstaaten ans EvK kommen. Als nächstes sollen indische Pflegekräfte angeworben werden. „Wir wollen eine bunte Mischung“, so die Pflegedirektorin.

Vermehrt Anfragen aus dem Ausland

Es gibt nicht nur Fachkräfte, die bewusst angeworben werden. „Es machen sich deutlich mehr ausländische Pflegekräfte auf den Weg und fragen bei uns an“, sagt Beate Schlüter. Aus dem Balkan zum Beispiel, aber auch aus der Türkei.

Als ein Pflegedienst insolvent ging, der 30 Pflegekräfte aus dem Ausland geholt hatte, fand einer den Weg zum EvK. Zwölf der 30 wollten schließlich zum EvK. Beate Schlüter nennt das Beispiel bewusst. Denn es zeigt auch auf, wie die Bürokratie und der politische Wille, ausländische Fachkräfte nach Deutschland zu holen, sich gegenüberstehen.

„Die Anerkennung ging von vorne los. Die Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung galt nur für einen Arbeitgeber. Das war ein sehr schwieriger Prozess“, sagt sie. Und eigentlich nicht zu leisten.

Bürokratie als Hemmnis

„Es sollten Dinge nicht nur in Parolen vereinfacht werden, sondern in der Tat“, sagt sie weiter. „Die Behörden schieben sich gegenseitig den schwarzen Peter zu.“ Auch der Föderalismus mache es schwer. Ein Beispiel: die Gleichwertigkeit des Berufsabschlusses. Pflegekräfte wie Jhoan Reyes kommen mit einem Bachelorabschluss und Berufserfahrung nach Deutschland, müssen aber noch mal eine Kenntnisprüfung machen oder Anpassungslehrgänge belegen. Dafür ist hier die Bezirksregierung Münster zuständig. Es kann manchmal ein Jahr dauern, bis zur Anerkennung als Fachkraft.

In NRW sei es üblich, dass noch mal Lehrgänge absolviert werden müssten, in Hessen dagegen würde die Gleichstellung häufig sofort anerkannt, kritisiert Beate Schlüter. Von Minister Laumann habe sie nur gehört, man wolle so die Patientensicherheit gewahren.

Es gibt mehr zu kritisieren. Ein Beispiel sei noch genannt. Häufig vergehen Monate, bis ein Visum erteilt wird. Beate Schlüter: „Eine Frau aus Bosnien hatte einen Vertrag mit uns. Mit dem Visum hat es ein Jahr gedauert. Da war rein rechtlich der Arbeitsvertrag schon nicht mehr gültig.“ Die Lage fasst sie kurz in einen Satz: „Alles dauert ewig.“

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