
© Fabian Paffendorf
Experte: In Castrop-Rauxel hat nur eine Partei ein richtig gutes Wahlplakat
Wahlkampf
Vor den Wahlen wollen sich Parteien von ihrer besten Seite zeigen. Aber wie präsentiert sich Castrop-Rauxels Politik auf Wahlplakaten? Nur eine Partei hat unseren Experten voll überzeugt.
Die heiße Wahlkampf-Phase läuft: Plakate der Parteien finden sich seit einigen Wochen im gesamten Castrop-Rauxeler Stadtgebiet. Aber wie wirken sie auf die Bürger? Würde beispielsweise jemand im Internet nach weiteren Informationen zu den Politikern und den Wahlprogrammen von SPD, CDU, Grünen oder FDP suchen, weil die Botschaften der Plakate dazu auffordern?
Fragen, die wir zur Beantwortung an einen Werbefachmann weitergegeben haben. Um eine möglichst unvoreingenommene Analyse zu gewährleisten, sollte ein Fachmann her, der keine Berührungspunkte zu den Agenturen hat, die für die Plakatkampagnen der Castrop-Rauxeler Politik verantwortlich zeichnen.
20 Jahre Erfahrung mit Werbung
Gefunden haben wir ihn in Arthur Dulinski. Er ist seit über 20 Jahren in der Werbebranche tätig und kreiert mit seiner Agentur „Like Machines“ Marketing-Gesamtkonzepte für mittelständische Unternehmen in ganz Südwestfalen.
Angeschaut hat sich Dulinski für uns eine Auswahl großformatiger Plakate, die am Ickerner Knoten die Aufmerksamkeit der Autofahrer auf die Castrop-Rauxeler Parteien beziehungsweise ihre Kandidaten für Bürgermeister- und Landratsamt richten sollen.
Eine Frage der Gestaltung
Am Ickerner Knoten wirbt die SPD mit dem amtierenden Bürgermeister Rajko Kravanja. Die Bündnisgrünen sind mit einem Plakat-Trio dabei, zweimal empfiehlt die Union Oliver Lind als Bürgermeister, die Linke ist vertreten und die FDP möchte, dass der Wähler sein Kreuz für die Landratswahl bei Bodo Klimpel setzt.
Wie gut oder wie schlecht hier geworben wird, lässt sich laut Arthur Dulinski anhand verschiedener Elemente in der Gestaltung ausmachen.
„Zu allererst muss geschaut werden, welche Schlüsselelemente auf dem Plakat vorhanden sind, wo und wie sie platziert wurden, um den Betrachter beim Lesen zu führen. Farbwahl von Schrift und Untergrund, Inszenierung des zentralen Bildmotivs und Ansprache des Bürgers sind ausschlaggebende Elemente“, erklärt Arthur Dulinski.
Wähler sollen animiert werden
Ziel der Plakate sei, dass die Betrachter sich näher mit Partei und Kandidaten beschäftigen sollen. „Der Wähler soll interagieren mit den Plakaten, soll kurz und prägnant informiert und selbst tätig werden. Man will zu konkreten Handlungen animieren“, sagt Dulinski.
Um das zu erreichen, verwendeten die Designer der Plakate verschiedene Methoden bei der Gestaltung. Teilweise seien die Möglichkeiten der Designer eingeschränkt, weil Parteien bestimmte Farben und Formen und auch die Schriftfarben der Parteinamen bundesweit ortsübergreifend auf den Plakaten wiederfinden wollten.
SPD: Ein Motiv für ältere, ein Motiv für jüngere Wähler
Zunächst nimmt Dulinski die beiden Wahlplakate der SPD unter die Lupe, mit denen die Partei die Bürger zur Wiederwahl des Bürgermeisteramtsinhabers Rajko Kravanja bewegen will. Mit dem ersten Motiv wolle man offenbar junge Menschen zur Wahl bewegen, Motiv Nummer Zwei richte sich an ältere Castrop-Rauxeler.

Das Plakat der SPD sei etwas überfrachtet, findet Arthur Dulinski. © Inka Hermanski
Bis auf die Bildauswahl gleicht sich die Gestaltung der Inhalte. Da ist das SPD-Parteilogo, der übergeordnete Slogan der Kampagne (Claim) wie „Zuhören.Machen“, die Subline (Untertitel) „Mein Herz schlägt für Castrop-Rauxel“ sowie der Hinweis, am 13. September wählen zu gehen.
Arthur Dulinski findet, das Plakat sei gut gemacht, es transportiere viele Informationen. Überladen wirkten auf ihn zusätzliche grafische Elemente des Plakats. Man sieht einen stilisierten Erin-Turm, eine Herzschlagkurve und eine Farbpalette unter dem Claim.
Letztere irritiert den Werbefachmann: „Soll das ein Bekenntnis zu einer multikulturellen Gesellschaft sein? Das verstehe ich nicht“.

Dieses Plakat richtet sich an ältere Wähler. © Inka Hermanski
Unten links im Plakat gibt man sich digital: Da steht der Hashtag #heimatliebe. „Aber das ist total ziellos, weil ein Allerwelts-Hashtag. Wenn man den bei Google eingibt, dann landet man überall, aber bestimmt nicht umgehend bei der SPD und bei Kravanja“, sagt Dulinski.
Kritik erntet auch die Motivwahl beim ersten Plakat: „Kravanja sieht man in der Gesprächssituation von vorn, von den vermeintlich jungen Dialogteilnehmern gibt's nur Rücken und Hinterköpfe. Das ist ziemlich unglücklich gestellt“, befindet Arthur Dulinski. Unverständlich, denn beim Zweitplakat habe man das doch sehr ordentlich und ansprechend hinbekommen.
Die Linke provoziert
Die Linke tritt am Ickerner Kreisel sehr aggressiv auf. "Zukunft" und "Armut verhindern" sind die Schlagworte, dazu gibt es eine leere Geldbörse als Motiv. „Das ist provokativ, das gefällt mir“, meint Dulinski.

Die Linke setzt auf Provokation in der Werbung. © Inka Hermanski
Die Texte hätte man seiner Meinung nach auch anders platzieren können. Information zur Wahl vermisst der Experte auch: „Wissen ‚Die Linke‘-Wähler etwa alle, wann gewählt wird? Wo sind die Internetverweise? Wenn mich ein Plakat anspricht, will ich wissen, wo ich mich tiefer gehend informieren kann.“ Die Partei fordere dazu auf, gewählt zu werden, aber sonst sei nichts vorhanden.
Grüne lieben’s lokal
Bei den Grünen haben zwei Motive einen lokalen Bezug: Das Windrad auf Schwerin sowie die Alte Eiche in Habinghorst werden thematisiert. Auf einem dritten Plakat gibt’s Schlagworte des Wahlprogramms und Parteimitglieder.

Grüne Dreifaltigkeit: Die Partei setzt auf lokalen Themenbezug,... © Inka Hermanski
„Die sind bei Werbung gut unterwegs, was Motive und klare Gestaltung angeht. Da ist viel Natur, es werden Zukunftsthemen wie Energiewende angesprochen“, meint Dulinski. Das sei überzeugend.

... ihre Kandidaten, .. © Inka Hermanski
Nur fehlten auch hier die Internet-Hinweise. Außerdem wäre das Motiv mit den Kandidaten nur im Kontext mit den übrigen Plakaten wirkungsvoll.

... und noch mehr lokale Themen. © Inka Hermanski
Verspielte FDP
Die Liberalen geben sich bunt bei Schriftfarben und Hintergrund. Dazu gibt es ein Porträt von Landratskandidat Bodo Klimpel. Doch: „Da fehlt mir ganz viel und der Kandidat ist unvorteilhaft getroffen. Gestalterisch ist das geordnet angelegt, aber es weckt trotz einigen Informationen keine Neugierde."

Die Liberalen geben sich bunt und verspielt, aber trotzdem fehlt laut Arthur Dulinski viel, was man erwarten dürfte. © Inka Hermanski
CDU zeigt, wie es geht
Bei den Plakaten, die für CDU-Bürgermeisterkandidat Oliver Lind werben, findet Arthur Dulinski alles, was er bei den anderen Postern vermisst hat: Internet- und Social-Media-Auftritte werden angeboten, der Hashtag #mehrCR sei zielführend ausgewählt, Claims und die grafische Gestaltung überzeugten auf ganzer Linie.

Internet und Social Media sind in der Plakatwerbung kein "Neuland" für die CDU. © Inka Hermanski
Kleines Manko: Die Darsteller einer Familie mit der Lind auf den Motiven spricht, hätten laut Dulinski auch mal andere sein dürfen. Ansonsten: „Da waren absolute Vollprofis am Werk.“

Auch wenn das Motiv ein konservatives Familienbild zeigt, so gibt die CDU genügend Hinweise darauf, wo man mehr erfahren kann über Oliver Lind und die Partei. © Inka Hermanski
Fabian Paffendorf, Jahrgang 1978, kam 2003 zum Journalismus. Ursprünglich als Berichterstatter im Bereich Film und Fernsehen unterwegs, drehte er kleinere Dokumentationen und Making-Of-Berichte für DVD-Firmen. In diesem Zusammenhang erschienen seine Kritiken, Interviews und Berichte in verschiedenen Fachmagazinen und bei Online-Filmseiten. Seit 2004 ist der gebürtige Sauerländer im Lokaljournalismus unterwegs. Für die Ruhr Nachrichten schreibt er seit Herbst 2013.