Überschwemmte Gärten und Garagen Jeder Regen wird in Castrop-Rauxeler Siedlung zur Gefahr

Anwohner am Pothhof kämpfen bei Regen gegen Überschwemmungen an
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Wenn Jens und Mona Stetskamp für ein paar Tage wegfahren wollen, schauen sie auf den Wetterbericht. Nicht, um zu wissen, wie schön es im Urlaub wird, sondern ob es zu Hause regnet. Können sie ihr Haus alleine lassen? Wie oft muss jemand nach dem Rechten sehen? Das ist jedes Mal die große Frage. Denn wenn es regnet, droht der Garten zu überschwemmen. Wieder einmal.

Susanne und Arnd Lessmann wohnen schräg gegenüber in der Straße Pothhof in Henrichenburg. Sie haben hier 2018 gebaut, bei ihnen ist Wasser auch schon in die Garage gelaufen. Seit Herbst 2023 wurde das Problem immer größer. Weitere Nachbarn seien betroffen, erzählen sie. 15 bis 20 Häuser etwa. Sie hätten sich Hilfe vom Stadtbetrieb EUV erhofft, hätten individuelle Briefe geschrieben. „Doch da kam für alle nur ein Einheitsschreiben“, sagt Mona Stetskamp.

Das Ehepaar Stetskamp lebt seit 2021 an der Straße Pothhof 124. Ihr Grundstück grenzt an den Wall zur Autobahn A2. Ihr Traumhaus sieht auf den ersten Blick neu und strahlend aus. Doch wenn Mona Stetskamp (36) ein Bild wegzieht, das auf dem Boden im Wohnzimmer steht, sieht man die Wasserschäden.

Der Gang durch den Garten ist holperig. Wasser hat hier für den unebenen Grund gesorgt. Auch die Terrassenplatten liegen nicht mehr so plan wie am Anfang. Jens Stetskamp (34), der auf den Rollstuhl angewiesen ist, kann den Garten häufig nicht nutzen.

In der Garage stehen eine Pumpe und ein Feuerwehrschlauch bereit. „Wir sind alle ausgerüstet wie die Feuerwehr Henrichenburg“, sagt Mona Stetskamp und lacht.

Mona Stetskamp und ihr Nachbarn Arnd Lessmann blicken in die Rigole. Von hier aus muss sie häufig Wasser abpumpen.
Mona Stetskamp und ihr Nachbar Arnd Lessmann blicken in die Rigole. Von hier aus muss sie häufig Wasser abpumpen. © Ronny von Wangenheim

Beide Ehepaare wussten, als sie ihre Häuser bauten, dass das Regenwasser nicht in einen Kanal geleitet wird. Der ist nur für das Schmutzwasser zuständig. Stattdessen wurden Rigolen eingeplant und genehmigt. Die vorgeschriebenen 8 Kubikmeter sind es bei Stetskamps, 16 Kubikmeter Wasser fasst sie bei den Lessmanns. Außerdem wurden vor den Häusern Rasenmulden angelegt, in denen das Wasser versickern soll. Das sollte reichen. Tut es aber nicht.

Das Foto zeigt die Öffnung zur Rigole. Der Regenbehälter ist übergelaufen.
Das Foto zeigt die Öffnung zur Rigole. Der Regenbehälter ist übergelaufen. © Stetskamp

Das Problem wird immer größer. Im vergangenen Herbst und Winter verzweifelten sie, so sagt es Mona Stetskamp. Der dauerhafte Regen drängte bis ins Haus, es versickerte nichts mehr. Die Rigole lief regelmäßig über. Der Boden war so gesättigt, dass nichts mehr ablief. Bis zu den Knöcheln sei sie im Garten eingesunken.

„Vor Weihnachten eskalierte es. Wir haben jeden Tag abgepumpt. Manchmal sogar zweimal“, erzählt die Castrop-Rauxelerin. „Die gesamte Siedlung war betroffen. Auch ein nagelneues Haus stand unter Wasser.“

Arnd Lessmann (57) hat es nicht ganz so häufig getroffen. Aber auch er spürt eine Entwicklung. „Von 2018 bis 2023 haben wir die Rigole zweimal im Jahr leergepumpt, seitdem waren es schon zehn Mal.“ Das Wasser geht dann bei ihm wie bei den Nachbarn in den hinteren Garten oder in die Mulde vor dem Haus.

Mona Stetskamp hält einen Feuerwehrschlauch in der Hand.
Der lange Feuerwehrschlauch zum Abpumpen aus der Rigole ist in der Garage stets griffbereit. © Ronny von Wangenheim

Inzwischen, so erzählen die vier Nachbarn, wissen sie, dass hier früher ein Sumpfgebiet gewesen sei. Der Name „Henrichenburger Wiesen“ verweise darauf, so Arnd Lessmann. Er berichtet von einem Bodengutachten, laut dem 60 Zentimeter tief eine Lehmschicht sei.

Deshalb habe er seinerzeit eigens eine spezielle Bodenplatte einbauen lassen. Der Grundwasserspiegel sei nicht tief genug. Deshalb, so ergänzt Mona Stetskamp, werde auch bei trockenem Wetter die Rigole nie vollständig leer.

Auch bei trockenem Wetter wird die Rigole nie leer.
Auch bei trockenem Wetter wird die Rigole nie leer. Mona Stetskamp macht den Grundwasserpegel dafür verantwortlich. © Ronny von Wangenheim

Gedanken machen sich die beiden Ehepaare auch, weil das nahe Baugebiet „Alter Garten“ nun doch realisiert werden soll und weiterer Boden versiegelt werde. Auch hier solle kein Anschluss für das Regenwasser an einen Kanal möglich sein. Mit einer Bitte um Lösung wandten sie sich auch an den Stadtbetrieb EUV, genauso wie weitere Nachbarn.

Mona und Jens Stetskamp haben darin ihre spezielle Situation beschrieben. „Eine Revision der gegenwärtigen Entwässerungsstrategie scheint unumgänglich, um langfristig Schäden zu vermeiden und die Lebensqualität der Anwohner zu sichern“, heißt es da.

Sie sind enttäuscht: „Es kam nur ein Einheitsschreiben für alle.“ Darin sei betont worden, dass eine Anbindung an die Schmutzwasserleitung nicht möglich sei. Empfohlen wurde eine Versickerungsgrube im hinteren Teil des Grundstücks. Persönlich habe sich niemand gemeldet oder sei vorbeigekommen, kritisieren sie.

Reiner Schmutzwasserkanal

Auf Anfrage unserer Redaktion schreibt die EUV-Pressesprecherin Sabine Latterner: „Der EUV Stadtbetrieb hat sich mehrfach intensiv damit beschäftigt und die Gegebenheiten auch mehrfach in den Örtlichkeiten überprüft.“ Und sie bestätigt, dass es sich bei der öffentlichen Abwasseranlage um einen reinen Schmutzwasserkanal handele.

„Hydraulisch betrachtet ist eine Einleitung von Niederschlagswasser nicht möglich und würde gegebenenfalls auch zu Rückstau in den Häusern führen“, so Sabine Latterner. Der Niederschlag müsse über Mulden für die öffentliche Fläche sowie private Versickerungsanlagen für die jeweiligen Grundstücke abfließen. Dies sei auch so im entsprechenden Bebauungsplan festgelegt.

Die seitlich der Straße angeordneten Mulden würden vom EUV betrieben und unterhalten. Die Pflege spiele eine wesentliche Rolle. „So hat auch der EUV die öffentlichen Mulden zuletzt auflockern und neu einsäen lassen.“

EUV kann Eigentümer beraten

Der EUV könne für die privaten Eigentümer beratend tätig werden. Das gelte zum Beispiel bei der Frage, wie bei den diversen Bodenschichten mit unterschiedlichen Versickerungseigenschaften ein potenzieller Standort für eine Versickerungsanlage gefunden werden kann, beispielsweise mittels eines Feldversuches.

Für das Ehepaar Stetskamp bleiben viele Fragen offen. „Wir haben uns mehr Hilfe versprochen“, sagt die Henrichenburgerin. Gerade, weil so viele Anwohner betroffen seien. Dass der EUV in seiner Antwort auf unsere Anfrage auf die spezielle Regensituation im Winter 2023 hingewiesen hat, ist für sie kein Trost. „Das wird wieder so kommen. Der Klimawandel wird zunehmen.“