Einstimmig hat der Rat der Stadt Castrop-Rauxel am Donnerstagabend (24.11.) Energiesparmaßnahmen beschlossen: Das Hallenbad bleibt nach Weihnachten rund vier Wochen geschlossen, das Gros der Turnhallen, ausgenommen sind sieben, werden ab dem 19.12. wechselweise auf 10 Grad heruntergekühlt, um in der anderen Woche auf 17 Grad beheizt zu werden. Auch im Rathaus, das zu einem Teil geschlossen werden soll, in Schulen, Feuerwehrhäusern und Jugendzentren ist die Raumtemperatur um 1 Grad niedriger als in Wintern sonst üblich.
Damit folgte die Politik dem Vorschlag der Stadtverwaltung aus Energiespar-Szenario IX. Seit August durchdenkt die Verwaltung, wie sie ihr Einsparziel von 15 bis 20 Prozent des Energieverbrauchs in städtischen Einrichtungen erreichen kann. Zunächst gab es sechs Szenarien, in denen unterschiedliche Modelle durchgerechnet wurden. Sie wurden schon Anfang September der Öffentlichkeit und der Politik vorgestellt. In den folgenden Wochen kamen drei weitere hinzu.
„Turnhallen sind keine Eishallen.“ „Gesundheit unserer Kinder steht über allem. 17 Grad in Turnhallen. Konstant.“ Es ging laut und phasenweise turbulent zu im Stadtrat. Fast 400 Menschen bei einer Ratssitzung: Das gab es in Castrop-Rauxel mindestens zehn Jahre nicht. Alte Eiche, Sportstättennutzungsgebühren – vielleicht bei der Frage nach dem Erhalt der Fridtjof-Nansen-Realschule war es mal ähnlich voll.
Und die Menschen, Eltern, Kinder, Jugendliche, Trainer und Übungsleiter, Vorstände und andere, sie wollten vor allem eines: Dass man diesmal auf Kinder und Jugendliche ein besonderes Augenmerk legen möge. Sie wären schon in der Corona-Pandemie der Teil unserer Gesellschaft gewesen, der am stärksten unter den Maßnahmen gelitten hat. Jetzt wieder?
„Das ganze Dilemma auf den Punkt“
Dennis Nickel, Übungsleiter und Vorstandsmitglied der DRLG-Kreisgruppe Castrop-Rauxel, sagte in der 75 Minute andauernden Einwohner-Fragstunde vor Beginn der Ratssitzung: „Wir haben im letzten Jahr vor Corona 118 Seepferdchen und 97 Bronzeabzeichen abgenommen, als einer von drei Vereinen in Castrop-Rauxel. In der ganzen Coronazeit waren es 6 Seepferdchen und 30 Bronzeabzeichen. Wie können wir dieses Loch füllen?“
Bürgermeister Rajko Kravanja, der im Kreuzfeuer der Fragen stand, antwortete: „Sie haben mit einer Frage das ganze Dilemma des Tages auf den Punkt gebracht. Meine Tochter muss selbst bald das Seepferdchen machen. Aber wir müssen Energie sparen. Wenn es einfache Maßnahmen gäbe, dann würde mich der Stadtrat zurecht fragen, warum wir das die letzten Jahre nicht schon längst getan haben. Darum ist es nur mit Maßnahmen zu erreichen, die weh tun. Wir müssen abwägen, das normale Leben weiter zu ermöglichen und zugleich Energie zu sparen.“

Kravanja unterstrich, dass es gar nicht so sehr um die aktuelle Lage gehe, wo die Gasspeicher bis zum Rand gefüllt sind. „Im letzten Winter waren die Gasspeicher auch voll, es kam aber immer weiter Gas aus Russland nach. Wir wissen nicht, wie es sich diesen Winter entwickelt und blicken auch jetzt schon auf den nächsten Winter, auf die Zeit in einem Jahr. Deswegen ist es jetzt erforderlich, dass wir Einsparungen vornehmen.“
Die Frage, die Politik und Verwaltung beantworten müssten, sei, „ob wir wollen, dass die Heizungen im nächsten Winter zu Hause nicht ausgehen. Dann würden Sie uns doch hier mit Fackeln aus dem Ratssaal treiben. Vor dieser Abwägung steht dieser Rat heute.“ Niemand solle behaupten, „dass uns Kinder scheißegal sind, ausdrücklich nicht. Ich habe selbst zwei und weiß, was Aufholen nach Corona heißt“, so Rajko Kravanja.
Interne Rechenspiele
Eine längere Schließung des Hallenbades, gar für drei Monate, ist damit erst einmal vom Tisch. Sie war aber Teil der internen Rechenspiele und Planungen. Der Stadtsportverband (SSV) lud unter Angabe dieses Vorhabens in der vergangenen Woche noch seine Mitglieder, die Sportvereine in Castrop-Rauxel, zu einer Sitzung ein. Einige Vereinsvorstände zeigten sich überrascht über diese Gedankenspiele, während die Verwaltung nach außen hin kommunizierte, man habe die Vereine über ihre Pläne informiert.
Die Info-Sitzung fand am Vorabend der Ratssitzung in digitaler Form statt. Sie sei gut gewesen, unterstrich Oppositionsführer Michael Breilmann, der auf dieser Basis einen Antrag von FDP- und CDU-Fraktion einbrachte: Darin fordert die Opposition die Stadt auf, Gespräche zwecks Kooperation mit den Nachbarstädten Waltrop und Datteln aufzunehmen und den SSV und die Sportvereine in einem Monitoring regelmäßig zu informieren. Sie beinhaltete auch die Frage, ob ein Wechselmodell bei den Sporthallen wirklich energiewirksam ist.
Das kommt nun aber wohl, unter Vorbehalt der Prüfung. Ebenso wie ein vier Wochen lang geschlossenes Hallenbad und die anderen Sparmaßnahmen. Nur ein Ratsmitglied enthielt sich der Stimme, alle anderen stimmten dafür.
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