Einen simplen Vergleich von Städten anzustellen: Das sei nicht möglich. Nach unserem Bericht über die Energiesparmaßnahmen in der Umgebung von Castrop-Rauxel war Bürgermeister Rajko Kravanja damit nicht einverstanden. „Jede Stadt muss die Maßnahmen für sich selbst entscheiden. Es gibt keine Tiefenergründung, wenn man Städte miteinander vergleicht, darum greift so ein Vergleich immer zu kurz“, erklärte er am Donnerstagabend (24.11.) im Rat.
Doch auch die Bürgerinnen und Bürger, die zu mehreren Hundert in den Rat gekommen waren: „Eine Turnhalle ist KEINE Eishalle“, hieß es auf einem der Protestplakate der Kinder und Jugendlichen, die vor der Ratssitzung vom Hallenbad zum Ratssaal getragen wurden.
Warum heizen andere Städte ihre Turnhallen auf 17 Grad, wieder andere auf 15 Grad, warum aber fährt die Stadt Castrop-Rauxel den Großteil ihrer kleinen Hallen nun in diesem Wechselmodell: eine Woche 17 Grad, die andere 10 Grad?
Isabel Auffenberg warf diese Bürgerfrage in der Fragestunde vor der Ratssitzung als erste auf. Bürgermeister Kravanja antwortete: „17 Grad herrschen jetzt schon vor. Wir wissen, dass gewisse Sportarten wie Gymnastik nicht bei geringeren Temperaturen gehen. Aber es gibt auch bewegungsintensivere Sportarten.“
Einige Vereine hätten im Gespräch mit der Stadtverwaltung gesagt, dass sie bei 10 Grad in die Halle gehen würden, das sei immer noch besser als draußen. „Alternative wäre, die Hallen im Wechsel ganz zuzumachen.“ Mit den 10 Grad habe man einen Kompromiss gefunden, so Kravanja, es sei ein Zugehen auf die, die bei 10 Grad Sport machen würden.

Seit Ende August steht fest, dass die Stadt Bochum all ihre Turnhallen um 2 Grad auf 15 Grad senken werde. In Castrop-Rauxel steht eine Senkung nach aktuellen Plänen ab dem 19. Dezember bevor.
15 Grad: Da richtet man sich offenbar nach einer sogenannten AMEV-Norm. Dabei handelt es sich um den „Arbeitskreis Maschinen- und Elektrotechnik staatlicher kommunaler Verwaltungen“, der vom Bundes-Bauministerium mitgetragen wird. Die 15 Grad gelten laut einer Tabelle (PDF) für größere Sporthallen. Berufen wird sich aber auch auf eine Vorschrift mit der Bezeichnung DIN 18032-1: Sie „empfiehlt“ 17 Grad als Nutzungstemperatur für eine Sporthalle.
Andere planen auch 15 Grad ein
Ein Experte, der in einer Stadtverwaltung in der Region genau in diesem Fachbereich arbeitet, sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: „Eine Rechtsmeinung gibt es dazu wohl nicht. Aber bei uns in der Stadt würde man wohl auch auf 15 Grad senken, wenn es sein müsste. Das ist die zweite Eskalationsstufe. Momentan sind wir auf der ersten bei 17 Grad.“
Er meint, eine Halle mit 10 Grad zur Nutzung freizugeben, sei eigentlich nicht erlaubt. „Wenn ich eine Sporthalle für eine Nutzung zur Verfügung stelle, muss sie eine entsprechende Raumtemperatur vorweisen. Die darf nicht unterschritten werden.“
Diese Temperatur müsse vorhanden sein, wenn die Nutzung beginnt. Was verträglich und gesund sei, sei aber auch Sportart-spezifisch: „Bei Gymnastik auf der Matte ist das anders gelagert als Badminton oder Handball“, sagt der Fachmann.
Über die notwendige Raumtemperatur in Sporthallen gibt es sehr unterschiedliche
Auffassungen. Während einerseits bei der Heizungsauslegung mindestens 20 Grad Celsius gefordert werden, wird andererseits aufgrund der ständigen Bewegung und Erwärmung der Sporttreibenden eine Temperatur von 17 bis 19 °C als ausreichend betrachtet, heißt es in einem Papier dazu.
Fachleute beschäftigt auch das Immobilienmanagement der Stadt Castrop-Rauxel. Kravanja sprach in der Ratssitzung von „Ingenieuren und Technikern“, mit denen man den Sparplan erarbeitet habe.
Bauphysikalische Fragen flossen da wohl ein. Das Alter und die Beschaffenheit von Heizungen. Dämmwerte und Nutzungsfrequenzen der Hallen. „Wie gut vertragen die Hallen die Temperaturschwankungen?“, meint der Experte aus einer anderen Stadt.
Zentrales Steuern möglich?
Manch ein öffentliches Gebäude könne man aber gar nicht so gut zentral steuern und „monitoren“, sagt er. Es gebe Verwaltungen, da sei jeder in seinem eigenen Büro selbst verantwortlich, das Thermostat zu regeln. Er habe von einem Fall gehört, bei dem alle Mitarbeiter Thermometer bekommen hätten.
Rajko Kravanja sagte als Antwort auf die vielen Fragen bei der Ratssitzung und die von Isabel Auffenberg: „Wir haben das alles durchdiskutiert, haben aber eine Bundesverordnung von 17 Grad als Mindestvoraussetzung für schulischen Sport. Wir können also nicht unter 17 Grad gehen. Wir haben auch durchgespielt, was ist, wenn wir alle Hallen weiter absenken. Aber das hätte nicht gereicht.“ Für die 15 bis 20 Prozent habe man „das Wechselmodell entwickelt“.
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