Für die Generation „Smartphone“ kaum vorstellbar. War man früher unterwegs oder auf Reisen und musste mal dringend telefonieren, begann die Suche nach einer Telefonzelle. Und die war meistens noch besetzt.
Mitte der 1990er-Jahre betrieb die Telekom mehr als 160.000 öffentliche Münzfernsprecher. „Eine Art Handy, in das man sich reinstellen konnte“, wie Kabarettist Dieter Nuhr es mal formulierte.
Sechs Telefonzellen in der JVA
Jetzt ist die gelbe Telefonzelle endgültig Geschichte und auch die magentafarbenen Telefonstelen der Telekom gehören der Vergangenheit an. Ihr Abbau wird voraussichtlich Anfang 2025 abgeschlossen sein.
Anders sieht es auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Meisenhof in Ickern aus. Die sechs gelben Telefonhäuschen bleiben stehen und können weiter genutzt werden. Armin Kersting, Leiter des Allgemeinen Vollzugsdienstes, erläutert die Gründe: „Die vorhandenen Verträge dokumentieren, dass die Zellen seit 1976 auf dem Gelände existieren. Wahrscheinlich sind sie aber auch mit Gründung der JVA im Jahr 1968 aufgestellt worden.“
Die Technik in den Zellen wird von der Telekom betrieben, die Kabinen gehören aber dem Land NRW, also der Haftanstalt. „Sie mussten damals gekauft werden und sind bis heute hier stehen geblieben. Das sind wahrscheinlich die letzten, die es überhaupt noch gibt“, so Kersting.
Handyverbot im Meisenhof
Was steckt dahinter? Der Beamte verweist auf den Charakter des offenen Vollzugs in der Haftanstalt, in der die Bewohner für ein Leben nach der Haftstrafe vorbereitet werden: „Wir unterstützen sie dabei, ihre Probleme selbst zu lösen. Dabei hilft ihnen das Telefon, zum Beispiel wenn sie sich bei Firmen bewerben, sich um Wohnungen bemühen oder den Kontakt zu ihren Angehörigen halten.“
Man könnte vermuten, dass ein Handy das Leben der Inhaftierten leichter machen würde. Weit gefehlt. Dazu Armin Kersting: „Genau das ist im Vollzug verboten.“ Da die Außenkontakte fast ausschließlich über die alten Telefonzellen aufrechterhalten werden können, werden sie stark frequentiert.
Im Gegensatz zum öffentlichen Leben. Laut Telekom rentiert sich der Betrieb nicht mehr. Es gibt noch rund 3800 Standorte, an denen im vergangenen Jahr kein einziges Gespräch geführt wurde. Fast jeder vierte Fernsprecher wurde also gar nicht mehr benutzt. Außerdem verbrauchten die technisch veralteten Geräte sehr viel Energie, insgesamt so viel wie der Jahresbedarf von mehreren tausend Wohnungen.
Keine Beschädigungen an Zellen
Der eine oder andere wird sich mit gemischten Gefühlen an die gelben Häuschen erinnern. Unangenehmer Gestank, zerrissene Telefonbücher oder abgerissene Hörer schreckten die Bürger oft von der Benutzung ab.

Keine Spur davon im Meisenhof. „Wir haben hier keine Beschädigungen oder Zerstörungen der Zellen“, erklärt Armin Kersting. „Jeder Gefangene weiß, dass das sein einziger Kontakt nach draußen ist, daher wird ordentlich mit den Geräten umgegangen.“
An die einzige Beschädigung kann sich der Vollzugsbeamte gut erinnern: „Durch einen Windzug wurde die Tür einer Telefonzelle zugeschlagen und eine kleine Seitenscheibe ging zu Bruch. Es gibt aber keine Ersatzteile mehr von der Telekom. Wir mussten selbst eine passende Scheibe in unserem Werkdienst herstellen und einbauen lassen.“
Sonderregelung in der Pandemie
Die Telefonzellen im Meisenhof sind frei zu benutzen, mit Bargeld oder Telefonkarte, in der Zeit von 6.00 bis 22.00 Uhr, ansonsten herrscht Nachtruhe.
Eine besondere Regelung für Telefongespräche gab es während des Lockdowns in der Corona-Pandemie. „Die Häftlinge durften das Gelände nicht verlassen und auch keinen Besuch empfangen. Da aber der Kontakt nach draußen wichtig ist, durften die Gefangenen ihre Handys zu bestimmten Zeiten unter Aufsicht benutzen“, berichtet Armin Kersting.
Verhandlungen mit Anbietern
Was die Zukunft betrifft, ist die Anstaltsleitung angesichts des Endes der gelben Telefonzellen hoffnungsvoll. „Die Telekom will die Fernsprecher im Januar abschalten. Wir sind gerade in Verhandlungen mit dem Anbieter und werden wahrscheinlich eine Verlängerung bis Ende Juni 2023 bekommen“, zeigt sich Kersting zuversichtlich.
Was passiert danach? Auch hier scheint eine Lösung in Sicht: „Wir führen schon Gespräche mit anderen Anbietern, die gegebenenfalls die Technik zur Verfügung stellen, sodass wir weiterhin die Außenkontakte der Gefangenen sicherstellen können“, so Kersting.
Schutz der Privatsphäre
In der JVA ist man auf die gelben Telefonzellen angewiesen. Öffentliche Fernsprecher bestehen zur Zeit nur noch aus den offenen Telefonstelen. Dazu Armin Kersting: „Wir können sie aber hier nicht nutzen. Dagegen spricht der Datenschutz. Wir müssen die Privatsphäre der Inhaftierten durch einen abgeschlossenen Raum schützen. Was ein Gefangener mit seiner Familie bespricht, geht keinen anderen etwas an.“
Man kann also davon ausgehen, dass die sechs gelben Häuschen im Meisenhof nicht so schnell verschwinden. Irgendwann könnte auf die ausgedienten Zellen ein spannendes Zweitleben warten. Besonders beliebt sind sie schon als Bücherschrank im Freien, als Dekorationsartikel im Garten oder als Mini-Tonstudio.
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