Diese Entscheidung war ein verrücktes Geschiebe: In die Grundschule Am Hügel, die im Sommer in die ehemalige Sekundarschule umzieht, zieht die Cottenburgschule mit zwei Zusatzklassen ein. Schul- und Stadtverwaltung erdachten dieses Modell, um genug Plätze für Erstklässler zur Verfügung stellen zu können. Die Politik nickte es ab. Unser Autor bezeichnete das als kluges Verschiebe-Spiel. Aber einigen Eltern schwillt seither der Kamm.
Sie wollen anonym mit uns sprechen, weil sie sonst Nachteile für ihre Kinder befürchten. Sie wollen auch in keinem Fall der Schule irgendeinen Vorwurf machen: Sie setze sich ein, wage dieses Experiment, weil die Schulleitung den Ehrgeiz habe, allen Kindern einen guten Schulplatz anzubieten, auch wenn sie sich damit einen ganzen Schwall an Mehrarbeit aufhalst. Der Fehler liege in der Planung. „Das Problem heute hätte man in den letzten zehn Jahren bearbeiten müssen!“, klagt die Mutter eines Jungen.
Das jetzt sei kaum mehr als eine Notlösung. Klar wird das aber erst, wenn man auf die Probleme der einzelnen Familien schaut. Vor allem der Familien aus Merklinde. Zwei von ihnen wandten sich darum an unsere Redaktion. Sie sind in Sorge, wie sie das ab dem Sommer schaffen sollen. Und sind sauer, dass man sie so lange im Unwissen gelassen habe.
Zum Elternabend am 2. Februar 2023 waren sie eingeladen: Zweigeteilt war der, damit alle Eltern der 90 angemeldeten Kinder gut informiert werden konnten über das, was kommt. Vier statt der bis dato geplanten drei neuen 1. Klassen wegen der hohen Zahl der Anmeldungen, zwei dafür aber nicht am Standort auf Schwerin, sondern an einem Teilstandort in Castrop. Die Eltern, so hieß es, hätten die Wahl für ihr Kind, wenngleich man am Ende nicht einfach allen Wünschen folgen könne, sondern die Kinder etwa hälftig aufteilen müsse.
Intensiv mit Schulwahl beschäftigt
„Hätte man uns das im Herbst bei dem Überhang an Kindern schon gesagt, wären wir sofort zur Lindenschule gegangen“, sagt eine Mutter, die am Rande von Merklinde wohnt. Sie hatte sich mit ihrem Mann und ihrem Sohn intensiv mit der Schulwahl beschäftigt. Tage der offenen Tür bei Cottenburgschule und Elisabethschule besucht, sich das Profil der Lindenschule genau angesehen, sich schlau gemacht bei Schuleltern und sich auch mit zwei Waldorf-Schulen in Herne und Bochum beschäftigt.
Dann habe man sich explizit entschieden: Zwar waren Vater und Mutter unterschiedlicher Meinung, sie diskutierten viele Abende darüber. Aber am Ende sollte es die Cottenburgschule werden. Das Profil überzeugte vor allem, weil sie glaubten, dass ihr Sohn dort auch bei möglichen Problemen gut individuell gefördert würde. Für die Lindenschule blieben bei dieser Frage Restzweifel, allein auf Basis des Rufes, den die Schule im recht wohl situierten Stadtteil zum Teil habe.

Als der Brief mit der Einladung zum Elternabend kam, hatten sie schon ein schlechtes Bauchgefühl: Was würde mit Kindern passieren, die nicht im direkten Umfeld der Schweriner Schule wohnen? Sie gingen auf das Angebot ein, mit der Schulleitung an einem späteren Tag mal die Grundschule Am Hügel anzuschauen. Das Konzept mit dem Namen „OGS plus“ überzeugte sie: aktive Yoga-Pausen, eine Hausaufgabenbetreuung unter Fördergesichtspunkten, Frühbetreuung ab 7 Uhr, gemeinsames Frühstück und hoch engagierte Lehrer. Es klang gut.
Aber: Die Frühbetreuung finde auf Schwerin statt, die Kinder würden dann mit dem Bus rüber fahren zum Hügel. Und überhaupt: Ein Schulbus fahre ab Merklinde, etwa in Höhe der ehemaligen Sparkasse an der Wittener Straße sei die (einzige) Haltestelle. „Wie soll mein Kind dahin kommen?“, sagen beide Mütter. Die eine wohnt nahe Frohlinde, die andere auf der Grenze von Schwerin und Merklinde. Über 35 Minuten Schulweg inklusive Bringen: Da fahre man das Kind im Elterntaxi vier Jahre lang dann wohl jeden Morgen bis vor die Schule, obwohl man eigentlich selbst dagegen sei, das zu tun.
OGS-Platz von großer Bedeutung
Einen OGS-Platz brauchten auch beide Familien: Der sei Am Hügel garantiert, so die Stadtverwaltung gegenüber den Eltern. Ein Köder, so die Unterstellung. Auf Schwerin könne man jedenfalls eher nicht alle Kinder in die OGS aufnehmen.
Mit etwa 35 zu 55 fiel die Elternentscheidung am Ende nach Informationen unserer Redaktion aus. So musste die Schulleitung nach Kriterien wie Geschwisterkindern und Wohnort aussieben. Viele der Merklinder Kinder, die gemeinsam die Kita St. Marien besuchen, blieben auf der Strecke.
„Für uns war das ein Schock“, sagen die Eltern über den Anruf der stellvertretenden Schulleiterin Isabelle Specht an Rosenmontag. „Es tut uns Leid“, habe sie gesagt. Aber eine Alternative zu Am Hügel gebe es nicht. Die Mutter rief gleich bei der Lindenschule an. Aber auch dort machte man ihr keine große Hoffnung: Der Junge könne auf die Warteliste, es gehe auch vielleicht noch was, aber mit dem OGS-Platz werde es schwierig.
15 Eltern, so die beiden Mütter, hätten bei der Abfrage gar keinen Standortwunsch angegeben. Warum sind sie dann nicht zum Hügel gekommen?, fragen sie sich. Was aus dem Standort wird? Was mit den jüngeren Geschwisterkindern später mal ist? All das ist offen, und das fühle sich nicht gut an für die Familien.

Am 28. Februar sollen die offiziellen Schulbescheide der Stadt rausgehen. Sie überlegen dann, möglicherweise erst einmal pro Forma Widerspruch einzulegen. Was es bringt? „Naja, an vielen anderen Schulen und OGSen ist der Drops ja weitgehend gelutscht“, so eine der Mütter. Das große Zweifeln, das eigentlich weg war: Es ist zurück.
Dabei hatte doch Merklinde bis vor einigen Jahren noch eine Schule. Die ist weg, inzwischen sogar halb abgerissen. Fehler der Vergangenheit. Die auszubügeln: Politik und Verwaltung hätten das stumpf verpasst.
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