
© Ronny von Wangenheim
Digitalisierung an Castrop-Rauxeler Grundschulen: „Digital in der Steinzeit“
Digitalisierung an Schulen
An Grundschulen sollen Kinder Medienkompetenz lernen. An manchen Castrop-Rauxeler Grundschulen kann das nicht funktionieren, weil elementare Voraussetzungen fehlen. Aber es geht auch anders.
Auch Kinder im Grundschulalter spielen heutzutage auf Tablets oder Handys Spiele oder sehen dort Filme. Dass diese Geräte Arbeitsmittel sein können, erfahren sie oft erst in der Schule. Hier können und sollen sie auch lernen, kritisch mit Medien umzugehen und sie zu verwenden.
Theoretisch beschäftigen sich alle Schulen in Castrop-Rauxel mit diesem Thema. In der Praxis dagegen gibt es große Unterschiede. Die Erich-Kästner-Schule in Habinghorst und die Marktschule in Ickern sind dafür zwei Beispiele.
„Wir sind digital in der Steinzeit“, sagt Heike Wichmann, Leiterin der Habinghorster Erich-Kästner-Schule. „Es fehlt die Ausstattung.“ Im fünften Jahr, so erzählt sie, sei sie an der Erich-Kästner-Schule. Und schon damals habe sie „direkt versucht, etwas zu bewegen“. Heute, ein paar Jahre und einen Lockdown später, ist die Schule nicht viel weiter. „Es ist wirklich schwierig, Sachen zu bekommen.“
Keine Tablets, kein WLAN, keine Arbeitsgeräte für die Lehrer
In der Klasse kann man nicht mit Tablets arbeiten. Es gibt sie nicht. Die Schule hat kein WLAN – damit möchte die Stadt alle Grundschulen zwar ausrüsten, aber erst im kommenden Jahr. Vereinzelt existieren Computer. „Alte Möhrchen“, sagt Heike Wichmann. Die Lehrer arbeiten mit ihren privaten Geräten.
Die Familien der Schüler bei einer erneuten Schulschließung digital zu erreichen, beispielsweise per Videokonferenz Kontakt zu halten, „davon sind wir meilenweit entfernt“, so die Schulleiterin. Mal ganz abgesehen davon, dass die Familien selbst unterschiedlich gute Voraussetzungen haben.
Und so werden die Lehrer im Falle eine Falles wie im Frühjahr nicht nur Mails schreiben, sondern wieder an der Schule ihren Fenster-Kiosk öffnen. An einem Fenster geben Eltern die Hausaufgaben ihrer Kinder ab, am nächsten bekommen sie neue Aufgaben. So geht es natürlich auch. „Steinzeitlich, aber effektiv.“
Ist die Schule besser auf den Lockdown vorbereitet als im Frühjahr? „Nein“, sagt Heike Wichmann, „schlechter“. Denn sie habe jetzt weniger Kollegen. Zwölf Lehrkräfte und eine sozialpädagogische Lehrkraft arbeiten an der Erich-Kästner-Schule.
Es gibt viele Gründe – und das nicht nur an dieser Schule – warum die Digitalisierung nicht weiter vorangeschritten ist. Zu viel Bürokratie, europäische Vergabevorschriften, zu wenig Personal beim Schulträger, der Stadt Castrop-Rauxel, diese Stichworte tauchen in allen Schulformen auf, wenn es um das Thema geht.
Zwei Sofortbeschaffungsprogramme bringen Endgeräte für Schüler und Lehrer
Heike Wichmann berichtet noch von anderen Erfahrungen. „Habe ich als Schulleiterin überhaupt die Kompetenz, zu entscheiden, was wir technisch brauchen?“, fragt sie. „Bis ich wusste, was ich benötige, dauerte es.“ Sie sagt auch: „Ich muss Konzepte machen für Geräte, die ich nicht habe. Ob die später noch aktuell sind...“ Das alles sei sehr frustrierend.
Die Coronakrise hat jetzt doch etwas Bewegung ins Spiel gebracht. Über zwei Sofortbeschaffungsprogramme sollen zum einen die Lehrer Arbeitsgeräte bekommen, zum anderen eine gewisse Zahl von Tablets, vorzugsweise iPads für Schüler angeschafft werden. 1000 für insgesamt 7500 Schüler sollen es für alle Castrop-Rauxeler Schulen sein.
532.300 Euro stehen dafür insgesamt zur Verfügung. 309.500 Euro gibt es für die Lehrer-Geräte. Wie viel Geld davon in Habinghorst ankommt? Wann die Lehrer ihre Geräte bekommen? Heike Wichmann: „Ich mühe mich um Geduld und warte darauf, dass ich irgendwann etwas bekomme.“
Marktschule Ickern ist dank eines Pilotprojekts digitaler
Auch an der Marktschule in Ickern werden die Lehrer in Zukunft eigene Tablets bekommen, werden einige der Schüler-iPads hier angeliefert. Sonst ist vieles anders in der Grundschule mit ihren 15 Klassen und ihren 341 Schülern. Die Schule beschäftigt sich in einem Pilotprojekt schon länger mit digitalen Themen. Und sie hat Glück, wie Konrektorin Claudia Stein erzählt. „Wir haben einen Kollegen, der im Medienzentrum des Kreises Recklinghausen arbeitet und damit am Puls der Zeit ist.“ Das Wissen gebe er bei Fortbildungen den Kollegen weiter.
Seit ein paar Jahren besitzt die Markschule zwei Klassensätze iPads. Damit arbeiten die Kinder in verschiedenen Fächern. „Sie recherchieren, fotografieren oder arbeiten mit verschiedenen Apps“, erzählt Claudia Stein. So würden die Kinder eine Menge lernen und hätten manchmal das Gefühl, zu spielen. Die Koffer mit den iPads werden nach Bedarf eingesetzt. „Sie sind gut frequentiert“, sagt Claudia Stein, die selbst gerne im Unterricht Tablets und Beamer einsetzt, weil sie auch vieles vereinfachen.
Die Marktschule gehört zudem zu den Grundschulen, die für die Stadtverwaltung testet, wie der digitale Klassenraum am besten aussehen soll. So befindet sich in einem Klassenraum ein Beamer unter der Decke, in einem anderen steht ein riesiger Apple-Fernseher, über den Inhalte aus dem iPad für die ganze Klasse sichtbar werden. Viel genutzt, so Claudia Stein, wird außerdem ein mobiler Beamer. Die Erfahrungen hier sollen helfen, wenn andere Schulen folgen werden.
Schulplattform Logineo bringt großer Erleichterung
Zu Beginn des Schuljahres gehörte die Marktschule zu den ersten Grundschulen, die mit der Schulplattform Logineo NRW ausgestattet wurden. Sie ermöglicht den Lehrern eine rechtssichere Kommunikation über E-Mail und den Datenaustausch per Cloud. „Jeder Lehrer bekommt eine Dienstmail-Adresse. Bislang haben sie ihre privaten E-Mails genutzt“, so die Konrektorin. Ging es um heikle Daten wie Zeugnisnoten, mussten diese umständlich mithilfe eines Sticks in den Schulrechner eingepflegt werden. „Das ist eine große Erleichterung.“
In einem nächsten Schritt sollen die digitale Lernplattform Logineo NRW LMS folgen, die Schulen in Phasen des Unterrichts auf Distanz als auch in Präsenz unterstützt, und der Logineo Messenger. Dann können sich Lehrer mit ihren Schülern schnell und sicher digital miteinander austauschen.
Am Mittwoch (28.10.) gingen Briefe an die Eltern heraus, in denen abgefragt wird, welche digitalen Endgeräte zu Hause zur Verfügung stehen. Denn ein einfaches Handy mag zwar zur Übermittlung von Nachrichten taugen, nicht aber als Arbeitsgerät.
All das dient auch der Vorbereitung auf eine eventuelle (Teil-)Schließung von Schulen. Und natürlich der Frage, welche Kinder denn am Ende von den Leihgeräten profitieren werden, die über das Sofortausstattungsprogramm angeschafft werden. Wann die kommen, weiß Claudia Stein genauso wenig wie Heike Wichmann.