Die kleine Golf-Krise von Frohlinde
Probleme mit Pachtvertrag
Alle Verträge laufen bis 2033. Fast alle. Der Golfclub könnte ganz beruhigt in die nächsten 15 Jahre gehen. Wenn da nicht ein Pachtvertrag wäre, der ausliefe. Und eine Verpächterin, die verstimmt ist. Warum ist das so? Was sind die Hintergründe der kleinen Golf-Krise von Frohlinde?

Rechtsanwalt Matthias Delvo, Grundbesitzerin Elisabeth Grümer und Golf-Berater Arnt Vesper diskutieren über die Zukunft des Golfplatzes. Foto: Weckenbrock © Foto: Tobias Weckenbrock
„Sie haben sich fast zehn Jahre lang nicht gerührt. Und jetzt soll alles ganz schnell gehen. Nein, jetzt habe ich keine Zeit“, sagt Elisabeth Grümer. Sie wurde dieses Jahr 70, aber an Ruhe und Stand denkt die Frau vom Hof aus Frohlinde nicht. Sie ist in Bewegung: Zuletzt rund um den Tag der Offenen Tür am Hospiz. 800 Menschen kamen, mehr, als sie gehofft hatte. Das Hospiz in Westrich: ihre Lebensaufgabe zurzeit. Gutes tun für Menschen in ihren letzten Stunden.
Grümers letzte Stunden sind fern. Den Eindruck gewinnt man, wenn man die Frau sieht. Sie ackert für ein neues Projekt: Nach dem Hospiz, für das sie in einer Stiftung mit ihrem Namen 700 000 Euro an Vermögen zusammentrieb, möchte sie nun ein Kinderhospiz errichten. Es sieht so aus, als entstünde das im Laufe der nächsten zwei Jahre in Westrich. Architekten planen, stellten ihre Pläne beim Tag der Offenen Tür vor. Es ist Grümers nächste große Aufgabe.
Acht oder neun Bahnen auf ihren Flächen
Und dazwischen muss sie sich eigentlich um eine Sache kümmern, die ihr seit einem Jahrzehnt keine Herzensaufgabe mehr ist: Sie muss sich um die Ländereien kümmern, die hinter ihrem Hof liegen und auf denen Hunderte Mitglieder des Golfclubs ihrem Sport nachgehen. 27 Loch hat die Anlage, 18 davon liegen östlich der Dortmunder Straße, bestimmt acht oder neun auf Ländereien, die Grümer gehören. Auch dieser Golfplatz, war mal ein Herzensprojekt von Elisabeth Grümer. Als ihr Vater in den 60er-Jahren starb, traf sie in den Folgejahren eine Entscheidung: Sie verabschiedete sich von der Landwirtschaft, die ihr nicht lukrativ erschien, und entwickelte die Idee mit dem Golfplatz. Dabei hatte der Hof eine Geschichte seit 1648, wie Grümer sagt. Und dann das? Elitesport statt Bauernhof, in einer von Industrie, aber auch schon vom Zechensterben – Zeche Schwerin wurde 1967 geschlossen – geprägten Stadt? Eine Schnapsidee, fanden viele. Doch sie beriet mit Mitstreitern, bezeichnete die Ländereien in Frohlinde als Geschenk der Natur.
Die vielen Überlegungen, das Klinkenputzen bei anderen Landwirten, die Ländereien besaßen – es kostete viele Jahre Arbeit. Einer Frau, die keine Kinder hat, aber bis heute Projekte zu ihren Kindern machte. Im Mai 1986 gipfelte das in einem Schreiben an die Stadtverwaltung und die Politik mit der Bitte, die Entwicklung eines Golfplatzes zu unterstützen. Die Beigeordnetenkonferenz der Stadt bezeichnete die Pläne als wünschenswert – am 3. Januar 1987 wurde der Golfclub gegründet. Das Barbachtal mit Grümers Landparzellen wurde für 2 Millionen D-Mark umgebaut. Auf 30 Jahre schrieb man die Pachtverträge. Und so kommt es nun, Ende 2018, zum Ende des Vertrags zwischen dem Golfclub und Elisabeth Grümer. Es muss also verhandelt werden. Doch das passt nicht so recht in die Zeitplanung der Frau.
Die anderen haben Verträge bis 2033
Eigentlich war man schon auf einem guten Wege, heißt es von ihrer Seite. Als der Club seine Anlage, einen Kurs von 18 Löchern und ein Clubhaus an Grümers Hof, weiterentwickeln wollte, gab es Gespräche über eine Verlängerung. Denn mit Unterzeichnung eines Pachtvertrages 2001 östlich der Dortmunder Straße wurde der Weg frei für den Ausbau von 18 auf 27 Löcher. 2005 kam das neue Clubhaus dazu. In dieser Zeit sprach der Verein mit allen Verpächtern – acht inklusive Grümer auf dem alten Gelände. Sieben ließen sich auf eine Verlängerung ein und unterschrieben für weitere 30 Jahre, also bis 2033. Nur Elisabeth Grümer nicht.
Denn hinter den Kulissen geschah unseliges Theater, das bis heute nachwirkt. Es kam zum Gänsekrieg, bei dem Grümer und der Golfclub sich wegen ihrer Tierliebe zerstritten: Sportler wollten die zwei Gänse Julchen und Heinrich, die Grümer auf dem Teich unweit ihres Hofes hatte, nicht haben, damit ihr Spiel nicht gestört wird. Zur Brutzeit griffen sie Golfer an, die sich ihnen näherten. Grümer nahm sie in ihren Garten auf, ein Krieg war beendet. Aber Blessuren blieben.
Das Recht, mit dem Kart zu fahren
Es ging in der Zeit auch um eine Klausel, die Grümer, vertreten durch Rechtsanwalt Delvo, in den neuen Pachtvertrag schreiben wollte: Das Recht, dass sie mit Gästen auf ihrem Hof jederzeit mit einem Kart auf den Golfplatz fahren dürfe. Das Angebot zur Pachtverlängerung, angeblich ohne Aufpreis bei den jährlichen Zahlungen, soll dem Club lange vorgelegen haben. Auch 2006 noch, als das neue Clubhaus bezogen war. Damals wollte Grümer das alte Clubhaus aus der Verhandlungsmasse herausnehmen. Sie wollte es selbst nutzen: Wohnmobilstellplätze, Tierärztin, Tier-Heilpraktiker – „Ich hatte sie als Mieter alle an der Hand“, sagt sie heute. Einen kleinen Gebäudeteil mit Anlagen, die der Golfclub bis heute braucht, wollte sie abmauern lassen: Die Steuerungstechnik der Beregnungsanlage für den Golfplatz ist dort untergebracht. Denn auf Grümers Land gab es seit jeher einen Brunnen, den sie dem Club zur Verfügung stellte, und zwei künstlich angelegte Teiche nicht weit vom Clubhaus. Sie wollte 5000 Euro vom Verein für die Bauarbeiten und einen Teil ihres Landes, das ringsum liegt, zurück. Zwei Bahnen hätte das betroffen, die der Club woanders hätte unterbringen können. Der Vorstand stellte sich aber quer.
Ernesto Fuchs war damals Präsident. Die einen sagen, ein guter Mann, die anderen, er sei ein Narzisst. Man stritt über Details und kam wohl vonseiten des Golfclubs zu der Aussage: Wir brauchen Grümer nicht, wir kommen ihr nicht entgegen. Das habe man eine Zeit lang so verbreitet im Golfclub, geflüstert, aber auch laut gesagt.
Sie sieht ihr Gebäude verfallen...
Heute, sagt Elisabeth Grümer, lasse der Club das Gebäude verfallen. Ihr Gebäude. Sie zeigt Fensterrahmen mit Macken im Lack, deutet von außen durch eine Scheibe in eine Halle, in der verstaubte Materialien lagern: ein Klapptisch, eine mobile Eistheke, eine Landmaschine – offenbar seit Jahren nicht bewegt. Auf der Terrasse vor dem Clubhaus, wo einst die Spieler speisten, liegt ein angeschmortes Stück Zeitungspapier. „Hier kümmert sich doch keiner mehr“, sagt Grümer. „Stellen Sie sich vor, wenn das hier abgefackelt würde.“ Sie meint insgesamt: Das macht man nicht! Es sei ihr Gebäude, aber es sei verpachtet – und der Pächter habe es zu pflegen.
Grümer, ihre rechtlichen Vertreter, der Golfclub-Vorstand, seine Vertreter: Sie kamen nicht auf einen Nenner. Die Frohlinderin sagt, an einer Stelle der Verhandlungen, als es wieder „Nein“ hieß, habe sie beschlossen: „Dann ziehe ich das nun bis zum bitteren Ende durch.“
Das bittere Ende käme 2018. Dann könnte die Zusammenarbeit enden, die wunderschöne Anlage im Barbachtal zerstückelt werden. Denn die Löcher B4 und B5, A4 und Teile von A3, Teile von B6 und A5, B7, B8 und B9 und das Loch A1 liegen zum Teil auf Grümer-Parzellen in der zerstückelten Flur (s. Karte). Auf einem Areal, das im Flächennutzungsplan der Stadt seit 2012 als Golfplatz festgeschrieben ist.
... und wittert eine Schikane der Verwaltung
Dass der FNP mit dieser definierten Nutzung verabschiedet wurde: Es ist wohl an Grümer vorbeigerauscht. Eine Schikane der Stadtverwaltung, um sie zu verpflichten? Sie empfindet das so. Ihr Mitstreiter, Anwalt Dr. Matthias Delvo, auch. Es sei eine Retourkutsche wegen der Hospiz-Klamotte. Damals, als Grümer die Idee mit dem Hospiz hatte, da ließ die Stadt sie nicht bauen; sie empfand es zumindest so, sagt sie, als lege man ihr Steine in den Weg. Johannes Beisenherz, damals der Bürgermeister, dagegen sagt: Es ging einzig um die vertraglich festgelegte Rückbauverpflichtung. Sie wollte auf einem eigenen Grundstück im Landschaftsschutzgebiet bauen. Die Stadt wollte, dass im Vertrag steht, dass dort nur ein Hospiz betrieben werden dürfe. Die Rückbauverpflichtung im Umnutzungsfall ist eine übliche rechtliche Vereinbarung – doch an dieser scheiterte das Vorhaben in Frohlinde. In Dortmund, wohin sie sich dann orientierte, habe es wenige Wochen bis zur Realisierung gedauert. Man habe ihr den roten Teppich ausgerollt, so schildert es Grümer jedenfalls. Und sagt: In Castrop-Rauxel habe man ihr von höchster Stelle aus gesagt, dass sie die Genehmigung fürs Hospiz nur bekomme, wenn sie den Pachtvertrag mit dem Golfclub unterschriebe. „Unsinn“, sagt Beisenherz. „Wir wollten einzig, dass ihr Gelände nur für die Nutzung eines Hospizes bebaut werden darf. Sie hat dann entschieden, nach Dortmund zu gehen. Das tat mir damals Leid, aber es war so.“ Der Satz mit dem Golfplatz – er sei nie gefallen.
Beisenherz sagt, er habe versucht, zu vermitteln. Mehrfach sei er vom Vorstand des Golfclubs gebeten worden, so wie sein Nachfolger Rajko Kravanja zuletzt auch.
Das Tischtuch aber ist noch zerschnitten, wenngleich es Anknüpfungsversuche gibt. Inzwischen ist Arnt Vesper einbezogen, ein Bekannter von Grümer. Er hat mehrere Golfplätze, berät andere Vereine. Zu Jahresanfang knüpfte Grümer Kontakt, erzählte ihm von der Situation. Gemeinsam ließen sie von einem Sachverständigen den Pachtpreis prüfen. Ergebnis: Die Pacht soll um 30 Prozent angehoben werden – im Vergleich zum Preis, der seit 1988 gezahlt wird. Keine Unsumme, denn damit hätte er nicht einmal die Inflation aufgefangen. „Das ist der marktübliche Preis in dieser Lage“, sagt Vesper. Man habe nie gesagt, man breche die Verhandlungen ab. Aber er verstehe auch den Zeitdruck des Golfclubs.
„Vergiftet ist die Atmosphäre nicht“
Matthias Delvo, der Rechtsbeistand, sagt: „Vergiftet ist die Atmosphäre nicht.“ Elisabeth Grümer sagt: „Ich muss ja auch darüber nachdenken und habe zurzeit viele andere Dinge im Kopf. Das hat nichts mit böse sein zu tun.“ Delvo meint: „So weit sind wir gar nicht mehr auseinander.“ Man brauche einen neuen Termin. Rechtliches wäre an einem Tag geregelt, sagt er.
Reiner Kötter, Präsident des Golfclubs, findet: „Wir sind guter Dinge, dass wir die Verhandlungen zu Ende bringen.“ Ein Vertragsabschluss wäre „ein Win-Win“. Kötter gegenüber uns: „Wir wollen, dass auch Frau Grümer mit der Verlängerung zufrieden ist.“