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Gewerkschafterin rechnet vor: Bei Globus droht Mitarbeitern weniger Gehalt
Real-Übernahme
Sie hält die Übernahme von Globus in Castrop-Rauxel für keine so gute Nachricht: Real-Beschäftigte müssen nach einer Berechnung der DGB-Chefin Seibel mit Einschnitten rechnen. Ein Interview.
Real wird an der Siemensstraße zum Jahresende von Globus übernommen. Die Einzelhandelskette aus dem Saarland wird dort nach eigenen Angaben sechs bis neun Monate lang sanieren, renovieren und umbauen und dann einen Markt eröffnen, in dem alle 140 Mitarbeiter weiterbeschäftigt werden sollen. Ist das aber für die Real-Beschäftigten eine gute Nachricht?
Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht die Lage nicht so positiv, wie sie bisher dargestellt wurde. Die Ortsverbands-Chefin Sabine Seibel, SPD-Ratspolitikerin, ist da auch nicht auf einer Linie mit ihrem Parteigenossen Bürgermeister Rajko Kravanja.
Frau Seibel, was wissen Sie über die die Lage bei dem Übergang des Real in Habinghorst zum Globus?
Den Mitarbeitern ist gesagt worden, dass sie alle übernommen werden. Aber sie werden zu „Glens“ übernommen.
Was ist denn Glens?
Das heißt „Globus-eigene Entgelt-Strukturen“. So eine Bezeichnung ist unüblich, aber das gibt es wirklich. Und die Glens sehen anders aus, als das vorher bei Real für viele Mitarbeiter galt. Eine Teilzeitkraft mit 20 Stunden hat nach meinen Berechnungen 300 Euro brutto weniger im Monat als vorher. Das sind etwa 20 Prozent, einige werden wohl bis zu 40 Prozent weniger haben. Diese Verträge werden den Mitarbeitern vorgelegt, die haben sie dann zu unterschreiben.
Globus kommt eigentlich mit einem recht sauberen Image daher, zumindest aus Kundensicht wirkt der Markt attraktiv.
Ja, aber Globus liegt in allen Bereichen bei weitem unter dem, was Verdi einst mit Real ausgehandelt hatte. Bei der Chefetage vielleicht nicht, aber bei den Leuten, die unten sind: Lagerarbeiter, die Kassiererin, da gibt es wirklich schlechte Bedingungen.
Wie kommen Sie darauf?
(lacht) Sie kennen mich doch. Ich habe diese Glens „in der Straßenbahn gefunden“ und habe dann mal die typische Teilzeitkraft durchgerechnet, weil ich das direkt wissen wollte.

Sabine Seibel sitzt für die SPD im Stadtrat und ist Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Castrop-Rauxel. © ASF
Wissen die Beschäftigten schon Bescheid?
Die Mitarbeiter wissen das zum Teil auch schon, ja. Ich glaube, dass einige sich noch nicht darüber im Klaren sind, was auf sie zukommt. Andere sind froh, dass sie in Zeiten wie diesen mit der Pandemie überhaupt einen Vertrag haben werden. Und dass da zurzeit keiner vor die Presse tritt und reden will, ist auch klar. Die Beschäftigten hängen zurzeit zwischen Baum und Borke und wissen nicht, wie es weiter geht.
Es gibt die Befürchtung, dass das Unternehmen statt eines geregelten Betriebsübergangs eine Stilllegung mit späterer Neueröffnung planen könnte, um ganz neue Arbeitsverträge aufsetzen zu können. Wie schätzen Sie das ein?
Ja, es könnten sogar alle gekündigt und neu eingestellt werden, das stimmt. Und mit dieser Drohkulisse könnte Globus möglicherweise arbeiten.
Bisher hatte man aber doch gar nicht den Eindruck, dass bei Real immer alles Spitze gewesen sei. Jetzt klingt das aber plötzlich so. Wie kommt das?
In der Tat gab es schon zwei Arten von Verträgen bei Real: die Altverträge, von [der Dienstleistungsgewerkschaft] Verdi ausgehandelt, und die neuen. Die Mitarbeiter, die später eingestellt wurden, bekamen Verträge, die über die Gewerkschaft DHV, eine christliche Gewerkschaft, die nicht Mitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes ist, ausgehandelt waren. Ich sage nur: Die Caritas hält sich auch für christlich, wenn sie den bei ihr angestellten Pflegekräften das Geld verweigert…
Auf welcher Basis ist nun Ihre Berechnung zu verstehen?
Berechnet habe ich das von den Altverträgen, denn das sind ja die, deren Eckdaten mir vorliegen.
Also teilen Sie die Freude nicht, die Ihr Parteigenosse und Bürgermeister Rajko Kravanja zu haben schien, wie der Pressemitteilung des Unternehmens Globus zu entnehmen war?
Natürlich muss man sich freuen, dass die Leute nicht auf der Straße stehen werden, gerade in Zeiten der Pandemie, wo viele ihren Job verlieren. Aber man muss eben genau auf die Konditionen schauen. Wenn gesagt wird, wir übernehmen die Globus-eigenen Entgelt-Strukturen, bin ich als Gewerkschafterin weniger begeistert als der Bürgermeister. Der muss ja auch eher darauf schauen, dass 140 Leute hier nicht ins bergfreie fallen. Aber ich sage: Da muss man genau hinsehen. Jetzt, in dieser Situation, mit den Ängsten der Kollegen zu spielen, ist schwierig. Aber ganz so abfeiern wie Rajko Kravanja möchte ich das Thema nicht.
Ist denn schon das letzte Wort gesprochen?
Ich denke nicht. Aber in Pandemiezeiten ist gewerkschaftlich organisierter Protest schwierig. Streiken vor der Tür geht gerade nicht. Wir würden also zu anderen Formen kommen müssen. Jetzt schauen wir uns aber erst einmal an, wie sich das löst, auch die Frage, was in der Umbauzeit geschieht.
Gibt es noch gut und geschlossen organisierte Beschäftigte?
Ja, der Betriebsrat von Real ist noch da, die kämpfen auch wacker weiter. Es wird auch bei Globus sicher einen Betriebsrat geben. Aber mal schauen, wie die Mitbestimmung da im Unternehmen genau läuft. Wir müssen abwarten.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
