Krebskranker Fynn (13) spendet an das Dattelner Kinderpalliativzentrum
Verkauf seines Buches
Fynn (13) hat Krebs. Im Kopf. Er wird daran sterben. Über sein Leben mit dem Hirntumor hat er ein Buch geschrieben - und einen Teil des Erlöses jetzt an das Kinderpalliativzentrum gespendet.

Fynn überrascht die Kolleginnen vom SAPV-Team (Spezialisierte Ambulante PalliativVersorgung)mit einem riesigen Scheck: v.l. Ulla Leßner, Stefanie Böckmann, Fynn Born, Heike Born, Simon Schröder © Privat
Ulla Leßner und Stefanie Böckmann vom ambulanten Kinderpalliativteam des Kinderpalliativzentrums Datteln fehlten vor ein paar Tagen vor Rührung schlicht die Worte, als sie den krebskranken Fynn Born (13) aus Castrop-Rauxel zu Hause besucht haben. Stolz überreichte er den beiden im Garten einen Scheck: 4.000 Euro für den Freundeskreis Kinderpalliativzentrum Datteln e.V.. Die Spende stammt aus dem Verkaufserlös seines Buches „Wie ich mich zurück ins Leben gekämpft habe.“
Fynn wird sterben - das Schreiben hat ihm geholfen
Der Krebs und der Kampf gegen die Krankheit haben Fynn gezeichnet: Er sitzt im Rollstuhl. Er trägt eine Sonnenbrille, das Gesicht ist füllig geworden vom Cortison. Und doch ist ein Lächeln darauf zu erkennen - als er den riesengroßen, symbolischen Scheck fürs Foto in die Kamera hält. Seit drei Monaten kann Fynn nicht mehr hören, trotz der Hörgeräte. Der Tumor wächst und greift sein Gehirn und andere Teile des Körpers an. Sehen kann er auch kaum noch, die Augen gehen nur noch ein bisschen auf, das Sprechen fällt ihm schwer.
Fynn wird sterben, er weiß das.

Fynn nach einer seiner Hammer-Therapien. Der Lebensmut steckt tief in ihm drin. © Familie Born
Während der Zeit seiner fortschreitenden Erkrankung hat der Junge ein Buch über das geschrieben, was er erlebt: „Ja, das Schreiben hat mir geholfen“, sagt Fynn. „Weil ich meine Angst aufschreiben konnte und auch den Humor.“ Er will anderen Krebspatienten Mut machen. „Mit dem Thema Sterben habe ich mich schon etwas länger beschäftigt, weil ich halt nicht weiß, wann es passieren wird. Also, habt den Mut und lernt im Regen zu tanzen, denn wer immer nur auf Sonnenschein wartet, verpasst das Leben“, appelliert er.
Wie alles begann
Fynns Buch beginnt da, wo sein Leben die schlimmste Wendung nimmt, die Eltern sich für ihre Kinder vorstellen können. Als er zehn Jahre alt ist. Er hat Kopfschmerzen. Er muss sich manchmal übergeben. Seine Mutter sagt, er solle vielleicht mehr trinken. Dann kommt eine grausame Nacht. „Es war so schlimm wie niemals zuvor“, schreibt Fynn.
Der erste Arzt attestiert ihm verstopfte Nasennebenhöhlen. Beim zweiten Besuch schickt er ihn weiter zu einem Neurologen. Der Termin: in Monaten. Als es aber am nächsten Tag wieder sehr schlimm ist, fahren die Borns zur Kinderklinik.
Fynn bleibt in der Klinik, wird komplett untersucht, ehe Prof. Dr. Dominik Schneider die Mutter, die seit Jahren von seinem Vater Felix geschieden ist, ins Zimmer bittet.

Fynn Born hat Krebs. Er wird sterben, das steht seit fast einem Jahr eigentlich fest. Die Ärzte gaben ihm bis Weihnachten. Er lebt heute noch und brachte ein Projekt zu Ende: Fynn schrieb ein Buch über sein Leben mit dem Tumor. © Tobias Weckenbrock
Als Heike Born eintritt und sieht, dass dort noch ein Arzt sitzt und eine Psychologin, weiß sie: Das ist kein gutes Zeichen. Schneider stellt die Ergebnisse aus dem Magnetresonanztomographen (MRT) vor: ein Hirntumor, ein sogenannter Keimzelltumor. Zu 80 Prozent heilbar, heißt es, aber sonderbar platziert, da er sonst eher Eierstöcke oder Hoden befällt, nicht das Gehirn.
Ein Tumor so groß wie ein Tischtennisball
Damit ist die Kopfschmerz-Frage gelöst. Die Schmerzen entstanden durch den Hirndruck, den der etwa Tischtennisball-große Tumor ausgelöst hat. Er muss operiert werden. Station K41 in der Dortmunder Kinderklinik wird Fynn Borns vorübergehendes Zuhause. Es folgen Chemo-Therapie, noch eine Operation, nochmal Bestrahlung - dann scheint der Krebs im Frühjahr 2019 besiegt. Zum letzten Mal Chemo, zum letzten Mal Krankenhaus. Fynn erhält eine gute Prognose. Doch sie stimmt nicht.

Fynn Borns Kampf gegen den Krebs: ein Auf und Ab seit drei Jahren. Vor der Krankheit war er ein ganz normaler Zehnjähriger. © Familie Born
Nach wenigen Tagen, ein, zwei Wochen, erinnert sich die Mutter, kommen die Kopfschmerzen zurück. Sofort schrillen ihre Alarmglocken, doch die Fachleute meinen, das könnte nicht der Tumor sein, denn die Bestrahlung wirke noch mindestens sechs Wochen nach. Aber sie ziehen zur Vorsicht die nächste Untersuchung vor. Am 21. Juni 2019 entdecken die Ärzte bei diesem Kontroll-MRT ein Rezidiv. Der Tumor ist wieder da. Oder besser gesagt: Es sind fünf, an unterschiedlichen Stellen im Kopf. „Da ging alles von vorne los“, sagt Heike Born heute. Noch schlimmer und mit einer viel schlechteren Prognose als vorher: Die Ärzte geben ihrem Kind nur noch 20 Prozent Heilungs-Chance. „Nein!“, schreibt Fynn in seinem Buch. „Ich hatte das verdammte Ding schon einmal besiegt, also schaffe ich das auch noch einmal!“
Ein zweiter, trügerischer Sieg
Fynn bekommt eine Spezial-Chemo. Eine Zeit lang liegt er im Koma, ringt nach einer Herzmuskelentzündung um sein Leben. Bei einem weiteren MRT finden die Ärzte bereits Metastasen im Hirn und in der Wirbelsäule. Fynn verlernt das Sprechen, die Werte sind schlecht. Es folgt eine Stammzellentherapie. Mit eigenen Stammzellen. Die werden ihm in einer Dialyse aus dem Blut entnommen und vervielfältigt. Die Therapie setzt sich in Essen in der Uniklinik und später auch im niederländischen Utrecht fort. Anfang Oktober jedenfalls ist im MRT kein Tumor mehr zu sehen. „Zum zweiten und hoffentlich zum letzten Mal den Tumor besiegt“, schreibt Fynn in seinem Buch. „Wir dachten wieder: Er hat es wirklich geschafft“, sagt Mama Heike Born.
„Oma, ich muss sterben“
Doch der Tumor kehrt noch einmal zurück. Das zeigt eine MRT-Untersuchung im Juni 2020. Fynn erfährt davon im Beisein seiner Eltern. Seiner Oma, die ihm zur Stärkung im Krankenhaus stets Rührei oder Grießbrei gekocht hat, will er es selbst sagen. „Ich weiß noch, wie er hier die Einfahrt runter kam. Dann hat Fynn gesagt: ‚Oma, ich muss sterben“, erzählt Oma Gabriele Meyer-Born.
Von da an unternimmt die Familie viel: Ausflüge ins Phantasialand, eine Reise nach Paris.
Fynn ist austherapiert, ist bei seiner Familie zu Hause, lernt das Palliativteam aus Datteln kennen. Die Mitarbeiter besuchen ihn seitdem regelmäßig. Seit dem vergangenen Herbst ist Fynn nicht mehr der Alte: Die Medikamente haben ihn schwer und die Haut schlechter gemacht. Fynn baut stark ab, wird immer dicker wegen der Medikamente und dem starken Hunger, den er verspürt.
Fynn fängt an zu schreiben
Zu Weihnachten scheint es, als ginge sein Leben zu Ende. Der tapfere Kämpfer, er verliert die Lust am harten Gefecht mit dem Krebs. Aber da ist noch etwas, das ihn abhält, zu gehen: das Buch. „Er hat vom Palliativteam ganz zu Anfang ein Buch bekommen, da ging es um einen Jungen, der von seiner Krebserkrankung erzählt“, sagt die Mutter. Er wolle das nicht lesen, hat er nach ein paar Seiten gesagt. Sondern ein eigenes Buch schreiben.
Noch im Herbst fängt er damit an, er schreibt auf einem Laptop, führt mit dem Handy Tagebuch. Das Schreiben gibt ihm Kraft. Es scheint, als wolle er das Buchprojekt unbedingt zu Ende bringen.

Oma Gabriele Meyer-Born und Mama Heike Born mit Fynn. Sie kommunizieren mit ihm fast nur noch über ihre Smartphones per WhatsApp. © Tobias Weckenbrock
Sein Buch. Es hat 58 Seiten. Oma und Mama haben 1000 Euro in die Hand genommen, um es zunächst im Eigenverlag zu drucken. Erst 100 Exemplare, die sie verschenkten und dabei Spenden für die Kinderkrebsklinik Dortmund erbaten. Inzwischen ist die Auflage bei 500, man kann nun aber bei einem Verlag Bestellungen aufgeben. So viele Menschen wollten dieses Buch haben. Erhältlich ist das Buch über den Buchladen „Castroper Leselust“ in Castrop-Rauxel. Von dort aus wird es auch verschickt. Der Erlös fließt in Spenden. 7000 Euro hat Fynn Born schon an den Chef und die Mitarbeiter der Klinik in Dortmund verschenkt. Das Palliativteam Datteln war nun einer der nächsten Empfänger.
Kinderpalliativzentrum in Datteln: 2010 war es deutschlandweit das erste
Im Jahr 2010 eröffnete das deutschlandweit erste Kinderpalliativzentrum an der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln. Dort werden lebensbedrohlich erkrankte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene betreut. Viele der umfassenden Versorgungsangebote des Kinderpalliativzentrums werden nicht von den Krankenkassen getragen. Hier hilft der Freundeskreis Kinderpalliativzentrum mit Spenden. Spendenkonto: Kinderpalliativzentrum; Sparkasse Vest Recklinghausen; DE97 4265 0150 0090 2175 22