Debatte über gefährliche Stelle in Castrop-Rauxel Forsche Vorschläge für die Bochumer Straße

Fünf forsche Vorschläge für die Bochumer Straße
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Unfälle auf Schulwegen, mit parkenden Autos am Straßenrand, beim Abbiegen, beim Überqueren der Straße: Es gab viele Nachrichten dieser Art in den vergangenen 24 Monaten im Umfeld der Bochumer Straße in Obercastrop. Gerade der Bereich in Höhe des Abzweigs Cottenburgstraße ist kritisch: Er liegt schon in einer Kurve, geparkt wird an beiden Straßenrändern. Das macht den Überblick schwierig. Der Ausschuss für Wirtschaft und Digitalisierung diskutierte nun überraschend über diesen Bereich. Auf den Tisch kamen grob drei Planungs-Varianten.

Vorweg muss gesagt werden: Der Fachausschuss ist nicht zuständig für Verkehrsfragen. Aber Verkehr hat auch mit wirtschaftlicher Entwicklung im Einzelhandel und bei Gastro- und Dienstleistungsbetrieben zu tun. Und: Laut Nahmobilitätskonzept der Stadt sind im Hauptroutennetz Castrop-Rauxels noch Lücken im Radwegenetz zu schließen, vor allem bei „fehlender Infrastruktur an klassifizierten Straßen für den Radverkehr“ u.a. an der Bochumer Straße (L739). Ein Ausbau wird laut Konzept hier empfohlen. Darum lohnt sich jede Debatte.

Das steht im Nahmobilitätskonzept

Außerorts in Richtung Gerthe empfehlen die Verkehrsplaner in diesem umfangreichen und sehr detaillierten Gutachten Radvorrangrouten. Gemeint sind deutliche Markierungen der Radwege als Radschutzstreifen (gestrichelt) und sogar ein streckenweiser Ausbau eines gesonderten Radweges sowie eine Sanierung des Asphalts an manchen Stellen. Die Einzelposten sind mit 155.000 Euro, 70.000 Euro, 50.000 Euro, 42.000 Euro und 142.000 Euro kalkuliert.

An der Ecke Cottenburgstraße selbst steht im Konzept die Empfehlung, eine Querungshilfe zu bauen und den linksabbiegenden Radverkehr über eine neue Markierung zu stützen. Dabei würde ein Teil des Parkstreifens wegfallen, heißt es. Kosten: rund 63.000 Euro. Eine vergleichbare Maßnahme steht am Abzweig Grüner Weg im Plan.

Für alle Maßnahmen müsste man also rund 500.000 Euro investieren. Die Kalkulation ist allerdings veröffentlicht im Mai 2021, ist also nun schon älter als drei Jahre. Sicher lägen die Kosten angesichts von allgemeiner Preissteigerungen, Fachkräfte- und Baustoffmangel um 30 Prozent höher.

Die Bochumer Straße auf der Ecke Cottenburgstraße: Diese Straßenkurve und ein nicht vorhandener Radweg beschäftigt Politik und Verwaltung, Kaufleute und Passanten.
Die Bochumer Straße auf der Ecke Cottenburgstraße: Diese Straßenkurve und ein nicht vorhandener Radweg beschäftigt Politik und Verwaltung, Kaufleute und Passanten. © Tobias Weckenbrock (Archiv)

Idee 1: Abknickende Vorfahrt

Lothar Widlitzki vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub schlug nun im Ausschuss eine Variante am Abzweig Cottenburgstraße vor: „Vielleicht könnte man eine abknickende Vorfahrt einrichten, um den Verkehr aus Gerthe abzubremsen“, sagte der Vorsitzende. Das würde bedeuten: Jedes Auto, das vom Hof Knickenberg aus Richtung Gerthe die Straße herunterkommt, müsste hier den anderen Verkehrsteilnehmern die Vorfahrt gewähren.

Idee 2: Tempo 30 durchgängig

Zweite Idee von Widlitzki, die sowohl kurzfristig als auch günstig umsetzbar wäre: Tempo 30 nicht nur in den Schulwegzeiten zwischen 7 und 17 Uhr, sondern rund um die Uhr. „Wir haben jetzt eine kritische Situation und ein langfristiges Konzept auf 5 bis 10 Jahre“, sagte er im Ausschuss. „Was also kann man tun? Aus meiner Sicht wäre eine Beruhigung durch Tempo 30 vom Zebrastreifen an der Kirche bis zur Querungshilfe am Rhodos-Grill möglich. Dann hätte man eine höhere Sicherheit trotz der dort parkenden Autos. Ich könnte mir auch eine Links-vor-Rechts-Regelung an der Cottenburgstraße vorstellen. Damit könnte jeder zurechtkommen. Vielleicht verirren sich dann auch ein paar mehr Radfahrer bei Herrn Kranefoer, vielleicht auch mit Abstellanlagen anstelle von einer Parkbucht.“

Die Händler und ihr Bedürfnis

Das ist der Punkt, um den es im Ausschuss für wirtschaftliche Entwicklung eigentlich ging: Die Politik wollte verstehen, welche Bedeutung der Straßenverkehr für die Gewerbetreibenden hier hat. Dafür war Fleischermeister Walter Kranefoer im Ausschuss. In der Phase der großen Baustelle – das Unternehmen Gelsenwasser baute an den Leitungen unterhalb von Straße und Gehwegen – sei sein Geschäft um 18 Prozent zurückgegangen. Das zeige, dass hier vor allem die Vorbeifahrenden nur dann hielten, wenn das direkt vorm Laden sei. „Wir decken den täglichen Bedarf. In anderen Geschäften lagen die Einbußen bei vielleicht 40 bis 50 Prozent“, so Kranefoer.

Jedoch seien selbst seine 15 bis 18 Prozent unternehmensgefährdend in einer Zeit mit höheren Strom- und Gaskosten und Co. „Man kommt als Geschäftsmann irgendwann in einen Bereich, in dem man sich fragt, ob es sich noch lohnt.“

Der Wunsch der Kaufmannschaft hier sei darum klar formuliert: Es darf nicht auf Kosten der Parkplätze gehen. „Die müssen wir erhalten“, so Kranefoer. Gegen einen Radweg als Ergänzung habe man dann auch nichts einzuwenden.

Idee 3: Radschutzstreifen

Dafür aber ist der Platz zu knapp. Ein Radschutzstreifen (Michael Werner, EUV-Chef) könnte eine Option sein. Dabei handelt es sich um eine gestrichelte Linie, die Autos im Bedarf mitnutzen können. Es bleibt bei der Gefahr für Radfahrer, auf einer recht engen Straße an parkenden Autos vorbeizufahren, Stichwort Tür-Unfälle.

Eine Option ist, den Radverkehr in Richtung Gerthe nicht über die Bochumer Straße, sondern über die Kreuzstraße rauf auf den Eselsberg zu führen.
Eine Option ist, den Radverkehr in Richtung Gerthe nicht über die Bochumer Straße, sondern über die Kreuzstraße rauf auf den Eselsberg zu führen. © Geonetzwerk Metropole Ruhr / RVR

Idee 4: Radweg über Kreuzstraße führen

Kranefoer warf darum noch eine weitere Idee ein: „Warum führt man den Radweg nicht über die Kreuzstraße?“

Idee 5: Fahrradstraße

Den größten Schritt ging Ulrich Werkle. Er wohnt selbst in der Nähe und kennt die Lage hier genau. Er sagte: „Gerade an der Stelle ist eine Fahrradstraße genau das richtige Instrument. Dort hätten wir Tempo 30, die Radfahrer hätten Vorrang von der Kreuzstraße bis zur Breckenstraße. Als das Nahmobilitätskonzept erstellt wurde, galten für Fahrradstraßen noch andere Regeln. Seit 2021 muss das Fahrrad demnach nicht mehr das vorherrschende Verkehrsmittel sein, um eine solche einrichten zu können. Im Verlauf von der Bahnhofstraße über den umgebauten Altstadtring hätten wir eine tolle Fahrradverbindung durch die halbe Stadt. Das ist die einzige Lösung, das Problemgemenge und die verschiedenen Interessen aufzulösen und eine langfristig tragfähige Lösung hinzukriegen.“

Bei all der Debatte gibt es noch einen Pferdefuß: Die L739 ist eine Landesstraße. Nicht die Stadt entscheidet hier, sondern der Baulastträger. Das ist Straßen.NRW. Und inwiefern die an Vorschlägen aus der Kommunalpolitik interessiert sind, ist offen. Es zeigt sich jedenfalls an den sich über Jahre hinziehenden Umbauplänen für den Altstadtring: Wer dieses Fass aufmacht, muss im Zweifel Jahre oder Jahrzehnte warten.