Dach-Haie waren offenbar kürzlich wieder im Kreis Unna unterwegs: In Fröndenberg klingelten die Handwerker bei Hauseigentümern und boten spontan an, ihr Dach zu reparieren.

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Dach-Haie schocken Ehepaar – Handwerksexperte warnt vor Überrumpelung

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Hauseigentümer in Fröndenberg/Ruhr hatten vor kurzem ungebetenen Besuch: Dachdeckern wollten einen vermeintlichen Schaden für einen saftigen Preis reparieren. Polizei und Handwerkskammer warnen.

Ruhrgebiet

, 08.10.2021, 11:55 Uhr / Lesedauer: 3 min

Die Geschichte klang für das ältere Ehepaar plausibel, auch wenn sie sich wunderten, dass die Dachdecker deswegen bei ihnen klingelten: Man sei gerade zu einem anderen Auftrag in der Nachbarschaft unterwegs, erzählten die Männer, und habe zufällig gesehen, dass Dachpfannen am Haus verrückt seien.

»Meine geschockte Mutter hat mich direkt angerufen und berichtet. Daher wurde die hilfsbereite Firma nicht beauftragt.«
Tochter der Hauseigentümer

Der weitere Ablauf klingt wie einstudiert: Man bot dem Ehepaar aus Frömern zunächst an, die Dachpfannen schnell und kostenlos zu richten. Die arglosen Senioren willigten ob der freundlichen Hilfsbereitschaft ein. Zurück vom Dach hatten die Handwerker allerdings keine guten Nachrichten für das Ehepaar.

Beim Richten der Schindeln habe sich herausgestellt, dass die Abdichtung unter den Firststeinen ein Totalschaden sei. „Alles undicht...“, hieß es, wie die Tochter der Fröndenberger in dieser Woche berichtet. Die möchten gern anonym bleiben.

Material war „zufällig“ auf dem Wagen

Es wurde noch besser. Zufällig hätten sie aus einem Großauftrag noch eine bestimmte Folie übrig, die unter die Steine verlegt wird. „Hier konnte man direkt einen Spezialpreis für den Meter geben“, schildert die Tochter weiter.

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Das Material hatten die Dachdecker scheinbar zufälligerweise auch auf dem Wagen. „Meine geschockte Mutter hat mich direkt angerufen und berichtet. Daher wurde die hilfsbereite Firma nicht beauftragt“, sagt sie.

Ihr Sohn habe später keinen Schaden feststellen können. Und in der gut vernetzten Nachbarschaft wusste niemand etwas von Dachdeckern am Ort.

»Das bricht in Wellen über die Region herein.«
Lothar Kauch, Handwerkskammer

Lothar Kauch von der Handwerkskammer Dortmund sind solche Vorfälle bestens bekannt. „Das bricht in Wellen über die Region herein“, sagt der Abteilungsleiter Handwerksrecht der Kammer.

Die Überrumpelungstaktik, die diese schwarzen Schafe bewusst anwendeten, werde durch eine 150 Jahre alte Vorschrift in der Handwerksordnung möglich gemacht: „Reisegewerbe“, heißt es nämlich dort, kann ohne Meistertitel und Eintrag in die Handwerksrolle übers Land tingeln.

Reisegewerbe wird bei Polizei oft zu „reisenden Tätern“

„Das ist gerade bei Dachdeckern sehr beliebt“, weiß Kauch. Denn weil dieses Gewerk draußen arbeiten könne und nicht ins Haus eingelassen werden müsse, sei trotz des überraschenden Besuchs an der Haustür seltener der Argwohn der potenziellen Kunden geweckt.

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Hausbesuche seien dagegen etwa beim Friseurhandwerk „absolut unüblich“, so Kauch, und fielen wohl als verdächtig eher auf. Dass die Dachdecker im Fröndenberger Fall behaupteten, ihre Firma sitze im Kreis Unna, habe wohl das Vertrauen der Hausbesitzer in sie stärken sollen.

Keine Frage, es gebe auch seriöse Dachdecker, die als Reisegewerbetreibende unterwegs sind, räumt Lothar Kauch ein. „Dach-Haie“ seien allerdings keine Seltenheit. Das bestätigt auch die Polizei im Kreis Unna.

Dort heißen einige dann „reisende Täter“, erklärt Pressesprecher Christian Stein. Die zögen von Landkreis zu Landkreis, forderten für schlechte Qualität hohe Preise und bewegten sich damit im Bereich des strafbaren Wuchers.

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»Wenn meine Eltern zugestimmt hätten, wären das mindestens 1000 Euro, eher 2000 Euro geworden.«
Tochter der Hauseigentümer

Rund ums Eigenheim drehten sich solche Vergehen. Auch Pflasterarbeiten vor der Garage zu horrenden Preisen sind den Kriminalisten schon angezeigt worden. „Zeitnah die Polizei informieren“ lautet daher ein Tipp von Stein.

Lothar Kauch rät außerdem zu folgendem Verhalten der Hauseigentümer:

  • Ruhe bewahren und nichts überstürzen. Seriöse Handwerker gäben Kunden die Chance und die Zeit, Vergleichsangebote einzuholen.
  • Entscheide man sich für das Haustürgeschäft, müsse unbedingt ein schriftliches Angebot bzw. ein Kostenvoranschlag verlangt werden – denn oft wollten die Handwerker nach der Reparatur von ihrem Sonderpreis nichts mehr wissen.
  • Ein Beleg, auch für Gewährleistungsansprüche, sei nur etwas wert, wenn ein Firmenbriefbogen mit allen üblichen Angaben verwendet werde.
  • Auch die Reisegewerbekarte solle man sich von den Handwerkern vorlegen lassen; diese müsse immerhin mit sich geführt werden. Sie sei zwar kein Qualitätssiegel, aber auch damit würden Name und Anschrift des Handwerkers offengelegt.

„Gesundes Misstrauen“, sagt Lothar Kauch, sei unterm Strich bei Haustürgeschäften immer angebracht. Das Ehepaar aus Fröndenberg machte insofern alles richtig.

„Wenn meine Eltern zugestimmt hätten, wären das mindestens 1000 Euro, eher 2000 Euro geworden“, befürchtet ihre Tochter. Den von den Dachdeckern genannten Firmennamen hat sie übrigens lediglich bei Ebay-Kleinanzeigen gefunden. Sie kommt zu einem fatalen Schluss: „Die Angst vor einem nassen Dach ist vielleicht für andere ein Verkaufsargument.“