
© Marian von Hatzfeld
„Wir ist das neue Ich“: Castrop-Rauxel mit leidenschaftlicher Video-Kampagne zur Corona-Krise
Coronavirus
Mit intensiven Videoclips geht Castrop-Rauxel voran im Kampf gegen die Corona-Krise. Es geht um Zusammenhalt, um Existenzen. Viele Stadt-Promis machen mit. Wir waren beim Videodreh.
Der 25. März ist ein ruhiger, sonniger Dienstag in Castrop-Rauxel. Spazierend durch den Erinpark, erblicken einige Bürger grüne Wiesen und strahlend blauen Himmel. Auch Enten sind zu hören. Erklimmen Parkbesucher einen der Hügel im Park, bietet sich ihnen jedoch ein ungewöhnliches Bild.
Ein großes Stativ mit Kamera, ein Reflektor und ein großes Werbeschild stehen auf dem Hügel am Erin-Turm. Knapp zehn Menschen stehen trotz des Versammlungsverbotes, aber in größeren Abständen oben im Grünen.
Die Szenerie, die aussieht, als ob ein Heimatfilm gedreht wird, täuscht. Schauen Vorbeigehende genauer hin, sehen sie keine Schauspieler, sondern Menschen, die neben einem Plakat stehen. Darauf steht „Stop Corona Virus“.
„Verstehe nicht, wie manche Menschen damit umgehen“
Beim genaueren Hinschauen, erkennen Castrop-Rauxeler einige der Anwesenden: Es handelt sich um bekannte Personen, die sich versammelt haben um einer Kampagne gegen die Verbreitung des Coronavirus ihre Stimme zu geben.
„Das ist gut!“, ruft Kameramann Alex Gutinger von der Firma Böhmer und Partner dem Initiator Christian Kühne zu, als dieser eine rote Maske gekonnt abnimmt. Die rote Maske soll, wie sich später hinausstellt, als Symbol der Kampagne dienen. Danach spricht der Chirurg vom EvK emotionale Worte in die Kamera. „Als Arzt kann ich ansatzweise verstehen, was die Corona-Pandemie bedeutet, aber was ich überhaupt nicht verstehe, ist die Tatsache, wie manche Menschen damit umgehen“, sagt Kühne. „Für Egoismus ist in der heutigen Zeit überhaupt kein Platz!“
Ordnungsamt unterbricht Videodreh, zeigt sich aber kooperativ
„Eine gute Aufnahme“, findet Gutinger, der Kameramann. Der Clip muss aber nochmal gedreht werden, das große Schild hat sich durch den starken Wind auf dem Hügel bewegt. Ingo Böhmer, Geschäftsführer der Werbeagentur, macht es wieder fest. Die neue Aufnahme startet.

Ingo Böhmer und Dr. Christian Kühne haben zusammen mit dem Lions Club die Kampagne ins Leben gerufen. Beide wollen mit der Kampagne an die Vernunft der Menschen appellieren und ein Symbol der Solidarität aus der Europastadt 2020 senden. © Marian von Hatzfeld
In der Zwischenzeit sehen die Anwesenden ein blau-silbernes Auto am Fuße des Hügels. Aus dem Auto steigen zwei uniformierte Mitarbeiter. Sie sind vom Ordnungsamt. Oben angekommen, beobachten sie das Geschehen. Nach erfolgreichem Abdreh des Clips erkundigen sie sich, was hier los ist.
„Das ist auf meinen Mist gewachsen“, erklärt Chirurg Kühne den Mitarbeitern der Stadt. Um die in Zeiten von Corona verbotene Versammlung zu rechtfertigen, erläutert er: „Es kommen gleich noch andere namhafte Menschen aus Castrop-Rauxel. Der Bürgermeister auch. Es geht darum, diese Solidaritätsmaßnahme zu unterstützen.“
Aufnahme mit Ordnungsamt?
„Gut, wenn das jetzt eine offizielle Sache mit Bürgermeister ist“, sagt der Mann vom Ordnungsamt. „Dann haben wir nichts zu sagen“, ergänzt die Kollegin. Die beiden, die dieser Tage bei Versammlungen eingreifen müssen, bitten aber darum, die Abstände einzuhalten. Es kann weiter gehen.
Als sie gehen wollen, stoppt Kühne sie. „ Das Ordnungsamt! Das fänd ich cool, sind Sie spontan?“, fragt der Chirurg. Er will beide begeistern, die Kampagne zu unterstützen und auch einen Clip zu drehen. „Gerade Sie haben die Probleme“, findet Böhmer.
Die beiden Ordnungsamt-Mitarbeiter stimmen zwar zu und zeigen Interesse, sagen jedoch: „Wir wissen nicht, ob wir das tatsächlich dürfen. Wir haben Dienstkleidung an, das wird schwierig.“ Sie gehen und wünschen „viel Erfolg“.
„Ein Symbol aus der Europastadt an die Welt“
Nach und nach treten die Teilnehmer nach Instruktionen von Gutinger vor die Kamera. Dabei nimmt sich jeder eine neue rote Maske aus einem Beutel. Auf den Masken steht ein durchgestrichenes „Ich“ und ein fettgedrucktes „Wir“. „Ein Symbol aus der Europastadt an die Welt“ sind die Masken laut Böhmer.
Auch Ranghild und Thomas von Estorff, eine Rechtsanwältin und ein Unternehmer aus Castrop-Rauxel, tragen die Masken. „Nutzt solche Masken, die ihr vielleicht selber herstellen könnt. Nehmt nicht die aus dem Krankenhaus, die das medizinische Personal braucht“, appelliert der Unternehmer.
Danach bittet Peter Hof zum Berge, Präsident des Lions Clubs, darum, „das Wir in den Vordergrund zu stellen und sich eher um Andere zu kümmern“. Ähnlich sieht es Jens Rosenmeyer, einer der Geschäftsführer der Tegro Home Company aus Merklinde. Er sagt: „Wir sind das neue Ich!“
Bürgermeister findet die Aktion „großartig“
Jens Reiter von Reiter-Fashion (Am Markt 2) tritt vor die Kamera. Um das „dumme Ding“ zu stoppen, bittet er die Leute, zu Hause zu bleiben. Dann steigt Bürgermeister Rajko Kravanja den holprigen Weg hinauf, begrüßt die Beteiligten und erkundigt sich nach der Aktion. Kühne erklärt: „Wir wollen mit der Aktion an die Vernunft der Menschen appellieren. Je disziplinierter wir damit umgehen, desto schneller kommen wir da raus.“

Dr. Christian Kühne konnte auch Bürgermeister Rajko Kravanja für seine Kampagne gewinnen. Beide halten das Symbol der Kampagne, die rote Maske hoch. © Marian von Hatzfeld
„Tolle Aktion, großartig“, sagt Kravanja und bedankt sich für die Einladung. Er zieht sich eine der roten Masken über und redet laut und deutlich in die Kamera. „Es gibt leider ein paar Unbelehrbare unter uns, und denen wollen wir sagen: Haltet euch an die Regeln!“
Gaststätten und Läden, sind diejenigen die Stadtfeste organisieren
Nochmals fordert der Bürgermeister die Castrop-Rauxeler auf die lokalen Gaststätten und Läden zu unterstützen, weil sie „diejenigen sind, die unsere Stadtfeste organisieren und nicht die großen Lieferdienste. Castrop-Rauxel hält zusammen, gemeinsam sind wir stark“, betont der Bürgermeister.
„Das war richtig super“, ruft Gutinger und entlässt Kravanja vom Dreh. Nach eineinhalb Stunden verlassen die Protagonisten den Drehort. Es kommen aber auch immer neue Leute hinzu, die der Aktion ihre Stimme geben möchten.
Casconcept-Vorsitzender Matthias Zimmer und Familie Mönch zum Beispiel. Mechthild Mönch hat ihre Enkel mitgebracht. Die Kinder rennen erstmal einem Kaninchen hinterher und genießen die Natur. Danach geht es vor die Kamera.
Kinder möchten wieder in den Kindergarten und in die Schule
Die vier Enkelkinder der früheren Erzieherin möchten wieder Fußball spielen, in die Schule und in den Kindergarten gehen. Deshalb wünschen sie sich, „dass ihr euch alle an die Regeln haltet und wir bald wieder unter die Leute gehen können“.

Mechthild Mönch und ihre Enkel unterstützen auch die Kampagne. Die Kinder möchten gerne wieder Fußball spielen, in die Schule und in den Kindergarten gehen. © Marian von Hatzfeld
Ehemann Klaus Mönch sieht das auch so. Dem einstigen Feuerwehrmann ist es wichtig, „das Leben gemeinsam zu genießen“. Zimmer von Juwelier Zimmer (Am Markt 25), glaubt, dass die Welt nach Corona eine Neue sein wird. „Weniger global mehr lokal, weniger Ich und mehr Wir“, hofft der Juwelier.
Auch Winfried Radinger (Inhaber der Altstadt Apotheke), Markus Göke (Niederlassungsdirektor der Volksbank) und Dr. Holger Knapp (Hausarzt) beteiligen sich. Sie hoffen, dass Risikogruppen geschützt, Online-Banking genutzt und Schutzkleidungen nicht verschwendet werden.
Rotes tragen als Unterstützung
Dann folgen zwei Schüler des Albert-Stifter-Gymnasiums: Nele Kühne und Marius Menne sind am Drehtag Dienstag noch unsicher, wie es mit ihrem Abitur weitergeht. Inzwischen herrscht aber Klarheit.

Nele Kühne und Marius Menne sind beide Schüler am Albert-Stifter-Gymnasium. Die Schüler hätten gerne Gewissheit wie es mit ihrem Abitur weitergeht. Erst nach dem Dreh steht jedoch fest, die Abiturprüfungen finden statt. © Marian von Hatzfeld
Zum Schluss spricht Ingo Böhmer in die Kamera. Er bittet darum „sich irgendetwas rotes vor das Gesicht zu halten“ und mit diesem Symbol die Kampagne, Castrop-Rauxel und Deutschland zu unterstützen. Dann ist der Dreh im Erinpark beendet. Die Videos aber, die gehen erst jetzt durchs Internet.