Schon im Sommer 2024, nachdem der Streit um die Castrop-Rauxeler Traditionskneipe Haus Oe und das Gleis 4 am Hauptbahnhof so eskaliert war, dass die ganze Stadt es mitbekam, kündigten alle Streitparteien an, dass der Clinch vor Gericht weitergehen würde. Alle sahen sich weiterhin im Recht und hatten bereits Anzeigen gegen die jeweils anderen gestellt. Nun, rund ein halbes Jahr später, trafen sich die Streithähne vor Gericht wieder und es wurde ein Urteil gesprochen. Dabei ging es allerdings nur am Rand um die beiden Kneipen. Stattdessen wurden dem einen – der nach 2020 auch 2025 sein Glück wieder als Bürgermeisterkandidat versuchen möchte und dafür gerade Unterschriften sammeln muss – Fehler im Straßenverkehr vorgeworfen. Der andere sagte gern gegen ihn aus und machte daraus kein Geheimnis.
Nach einem Unfall mit hohem Sachschaden wurde dem 55-jährigen Verursacher aus Castrop-Rauxel Verkehrsgefährdung zur Last gelegt, weil er sich offenbar übermüdet hinter das Steuer setzte. Ein Fall, der dem Strafrichter im Amtsgericht reichlich Arbeit bescherte: An vier Verhandlungstagen gab es mehrere Versionen, alte Rechnungen und böse Überraschungen.
In den frühen Morgenstunden des 29. März 2024, also noch lange vor dem Kneipen-Streit, war der Castrop-Rauxeler bereit, zwei Kneipenbekanntschaften in seinem Auto mitzunehmen. An sich eine nette Geste – allerdings verlor er auf der Straße Im Scheiten die Kontrolle über den Wagen und kollidierte mit zwei parkenden Fahrzeugen, an denen insgesamt rund 8650 Euro Schaden entstand.
Unfall nach Sekundenschlaf?
Polizeibeamten gegenüber äußerte der Unfallfahrer laut Anklage dann, dass er in Sekundenschlaf gefallen sei. Er sei völlig übermüdet gewesen, weil er in Sozialen Netzwerken gemobbt und belästigt werde und ihm das den Schlaf raube. Eine Aussage, die er vor Ort offenbar sogar mit entsprechenden Beispielen belegte. Mit der Theorie des Sekundenschlafs handelte sich der 55-Jährige allerdings ein Verfahren wegen Straßenverkehrsgefährdung ein, weil er in dem Zustand nicht hätte fahren dürfen. Und, sein Führerschein wurde beschlagnahmt.
Mitte Dezember 2024 begann der Prozess und nun wollte der Castrop-Rauxeler von Übermüdung nichts mehr wissen. Vielleicht sei er geblendet worden. „Ich kann mir nicht erklären, was da passiert ist.“ Er sei sich aber sicher, dass er nicht eingeschlafen sei. Und an das Gespräch mit den Polizisten könne er sich nicht erinnern. Die Beamten indes konnten sich im Zeugenstand sehr gut an das Geschehen und die Erwähnung des Sekundenschlafs entsinnen.

Ein Fortsetzungstermin für Anfang Januar 2025 wurde anberaumt. Jedoch entpuppte sich der Mann, der als Zeuge erschien, als geschädigter Autobesitzer und nicht als Beifahrer. Ein anderer Zeuge meldete sich spontan krank. Also wurde die Verhandlung auf Ende Januar 2025 vertagt, diesmal nicht nur mit Zeugen, sondern auch mit einer zweiten Anklage.
Richter glaubt nicht an Racheakt
In dem Fall wurde dem Angeklagten vorgeworfen, am Mittag des 19. Juni 2024 mit dem Auto eines Kumpels gefahren zu sein – obwohl seine Fahrerlaubnis sichergestellt war. Zu dem Thema gab er an, dass er sich nicht erinnern könne, wer an dem Tag von Castrop-Rauxel nach Datteln zu der alten Anschrift des Kumpels gefahren sei. Er könne sich lediglich an den Rückweg entsinnen, da sie ein Nachbar mit dem Porsche chauffiert habe. Er halte das Ganze für einen Racheakt seines Intimfeinds im Kneipen-Dauerstreit. Und auch der damalige Kumpel, dem er zu der Zeit Obdach gewährt habe, habe zwischenzeitlich das Lager gewechselt, nachdem er ihn wegen Diebstahls angezeigt habe.
Tatsächlich bestätigte der Ex-Kumpel im Zeugenstand, dass der Angeklagte gefahren sei, weil er selbst alkoholisiert und bekifft gewesen sei. Und der erklärte Intimfeind versicherte, dass er den 55-Jährigen hinter dem Steuer gesehen habe. Und er verhehlte auch nicht, dass er sich gerne bei seinem Gegner revanchierte. Denn: „Er ist ja hier in Castrop der Anzeigenhauptmeister.“ Da eine weitere Zeugin rund um diesen Vorwurf nicht erschien, wurde der Prozess erneut unterbrochen.
Nun folgte der vierte Verhandlungstag und die Zeugin fehlte wieder. Auf ihre Befragung wurde letztlich verzichtet. Und, der Richter hatte keine Zweifel an der vollumfänglichen Schuld des Castrop-Rauxelers. Der habe mehrfach geäußert, in Sekundenschlaf gefallen zu sein. Und was die Fahrt ohne Führerschein betraf, glaubte er auch nicht an eine Verschwörung gegen den Angeklagten. Der bis dato unbescholtene 55-Jährige wurde zu 800 Euro Geldstrafe verurteilt und erhielt ein sechsmonatiges Fahrverbot, das jedoch aufgrund der Sicherstellung des Führerscheins bereits abgegolten war.