Ungewöhnlicher Einsatz im OP So endet die letzte Schicht von Chefarzt Dr. Glaßmeyer

Noch einmal in den OP: Chefarzt Dr. Glaßmeyer beendet seine letzte Schicht
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Für Tränen ist bei diesem Abschied mindestens genauso viel Platz wie für lachende Gesichter. Dr. Glaßmeyer, Leiter der Klinik für Frauenheilkunde am St. Rochus Hospital trat am Freitag (12.5) zu seiner letzten Schicht an. Doch obwohl er seit 38 Jahren Frauen operiert, berät und behandelt, ist er an seinem letzten Tag weniger traurig als gut gelaunt.

Die Leitung der Station A1 (l. Angela Voß, r. Nicole Pfau) lässt ihren Chef nach seiner letzten Schicht nicht ohne eine Umarmung gehen.
Die Leitung der Station A1 (l. Angela Voß, r. Nicole Pfau) lässt ihren Chef nach seiner letzten Schicht nicht ohne eine Umarmung gehen. © Julia Segantini

Ein Stück weit ist das Fassade, ist sich Nicole Pfau von der Stationsleitung A1 sicher. „Der trägt sein Herz nicht auf der Zunge. Gestern war er genauso drauf wie heute. Aber ich bin sicher, dass ihm das auch nahe geht“, sagt sie.

Nur ansatzweise lässt der Chefarzt das durchblicken. Für ihn war heute ein normaler Arbeitstag, betont er immer wieder.

Auch an seinem letzten Tag unterschreibt er zwischendurch Dokumente und erledigt Anrufe. Heute Morgen entband er zum letzten Mal. War das ein besonderer Moment für ihn? „Nein, das war ein normaler Tag heute“, sagt er achselzuckend. Er kommt gerade erst aus dem OP. Seine „Abschiedstour“ durch alle Stationen begann heute früher als von ihm geplant.

Ein Abgang mit Wums

In der Nacht bekam er einen Anruf wegen einer blutenden Patientin. Morgens bei der Visite klingelte wieder sein Telefon, er solle sofort in den OP kommen. „Ohne den Anruf heute Nacht wäre ich niemals darauf reingefallen“, versichert der 63-Jährige. Im OP wartet kein Patient, sondern knallende Konfettikanonen und tosender Applaus.

Heute gibt es Kuchen, belegte Brötchen und andere Snacks. Der Tisch in der Ecke füllt sich immer mehr mit Geschenken. Eine gute Flasche Champagner, ein Gutschein für ein Hotel an der Mosel, ein selbstgezeichnetes Bild, eine Karte mit Sprüchen von ihrem Chef und Kollegen. „Ich hätte heute am liebsten normal gearbeitet“, sagt er. Trotzdem ist er sichtlich davon berührt, wie ungern die Mitarbeitenden der Frauenheilkunde und Geburtshilfe ihn gehen lassen.

Im Krankenhaus-Alltag meistert man schließlich nicht nur komplizierte Operationen und dramatische Fälle gemeinsam. „Wenn wir stundenlang im OP stehen, erzählen wir viel über das Privatleben oder reden über Fußball“, sagt Glaßmeyer. „Deswegen sind einem die OP-Schwestern ja so nah.“

Mal in Jogginghose, mal im Anzug

Das bestätigt auch OP-Schwester Gaby. „Ein super Chef, sowohl für Patienten als auch für das Personal. Immer nett und kompetent“, resümiert sie. Seit 36 Jahren ist sie OP-Schwester im St. Rochus Hospital, war schon da, als Glaßmeyer kam. Sie schätzt ihren Chef für seinen trockenen Humor. Ein Detail über den 63-Jährigen verrät sie nebenbei: „Wenn er nachts kommt, dann manchmal in Jogginghose. Manchmal denken wir aber auch, dass er im Anzug schläft.“ Auch wenn sie den Abschied schade findet, gönnt sie ihm den Ruhestand. Ihre größte Hoffnung ist, dass seine Nachfolge genauso weiter macht.

 OP-Schwester Gaby mit Dr. Glaßmeyer
Sie kennt Dr. Glaßmeyer vor allem mit Haube und Mundschutz: OP-Schwester Gaby hat mit dem Chefarzt schon zahllose Operationen gemeistert. © Julia Segantini

Das hofft auch Angela Voß, stellvertretende Leiterin der Station A1. Allerdings ist sie überzeugt: „Es gibt keinen besseren.“ Sie schätzt Glaßmeyer für seine Ausstrahlung. „Er kann einem absolute Sicherheit geben. Wenn er da ist, kann nichts passieren.“ Als Vorgesetzter habe er sich immer die Ideen seiner Mitarbeitenden angehört und ihnen den Rücken gestärkt.

Die Mitarbeiterinnen wollen nicht nur traurig sein, sondern sich vor allem gern an einen Chef erinnern, der mit einem Mops auf dem Arm durch Castrop-Rauxel spaziert und im Anzug mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt und dabei die Krawatte im Wind flattern lässt.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 13. Mai 2023.

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