Ausbildung oder Studium? Drei junge Castrop-Rauxeler berichten „Erste Wochen waren schon ziemlich hart“

Ausbildung oder Studium? Das sagen drei junge Castrop-Rauxeler
Lesezeit

Im April ist es schon wieder so weit: für die Abiturienten in Castrop-Rauxel stehen die ersten Abiturprüfungen an. Es folgen nicht nur weitere Prüfungen und der feierliche Abiball, sondern möglicherweise auch der Sprung ins Berufsleben oder an die Uni. Im Sommer 2024 haben wir mit den EBG-Abiturienten Leonard Wild, Laura Dessel und Luke Marek gesprochen. Es ging um Traumberufe, Wunschstudienort und Zukunftspläne. Ein Dreivierteljahr später wollten wir wissen, wie es den Dreien geht.

Laura Dessel aus Castrop-Rauxel machte ein Abitur mit dem Notenschnitt von 1,0. Jetzt studiert die 19-Jährige in Bochum an der Ruhr-Universität Medizin.
Laura Dessel aus Castrop-Rauxel machte ein Abitur mit dem Notenschnitt von 1,0. Jetzt studiert die 19-Jährige in Bochum an der Ruhr-Universität Medizin. © Luca Füllgraf

Als wir Leonard Wild am Telefon erreichen, kommt er gerade aus der Berufsschule. Der Castrop-Rauxeler entschied sich nach dem Abi für eine Maurer-Ausbildung beim Betrieb Dinter & Dinter. Eine Seltenheit. „In den letzten sechs oder sieben Jahren hatten wir null Bewerbungen“, sagt sein Chef, der Maurermeister Rainer Dinter. Hat der ehemalige EBG-Schüler damit die für ihn richtige Entscheidung getroffen? „Es macht Spaß“, sagt er gleich als Erstes. Außerdem habe er schon viel gelernt. „Ich hatte schon immer Respekt vorm Handwerk, aber dachte bei manchen Dingen: So schwer sieht das gar nicht aus. Und dann stand ich auf dem Lehrhof selbst an der Mauer.“ Apropos, Mauern: das müsse man in einer Maurer-Ausbildung erstaunlich wenig, wie er schnell feststellte. Stattdessen werden viele Mauern heutzutage einfach geklebt. Zudem lernte er im ersten Ausbildungsjahr bereits, Fließen und Estrich zu verlegen, Trockenbau und das Verputzen.

Erst Ausbildung, dann Studium

Von 7 bis 15.30 Uhr ist er mit den Kollegen auf verschiedenen Baustellen, häufig „draußen an der frischen Luft“. Auf die körperliche Arbeit angesprochen, sagt er: „Die ersten Wochen waren schon ziemlich hart.“ Das sei er regelmäßig um 20 Uhr ins Bett gegangen. „Aber man gewöhnt sich daran, und ich mag es, bei der Arbeit durchgängig was zu machen.“ Nach der Ausbildung möchte Leonard Wild noch Bauingenieurwesen studieren. Daran hat sich seit vergangenem Sommer nichts geändert. Zunächst die Ausbildung und erst dann das Studium – für ihn bisher genau richtig: „Ich will das Haus nicht nur planen, sondern auch bauen können.“

Laura Dessel, die im Sommer 2024 beim Abitur die 1,0 schaffte, geht einen anderen Weg. Als kleines Mädchen stürzte sie von der Schaukel und brach sich den Ellenbogen. Seitdem möchte sie Ärztin werden. Also bewarb sie sich nach dem Abitur fürs Medizinstudium und musste trotz Traumnotenschnitt um ihre Wunschstudienorte zittern. In Münster wurde sie sogar tatsächlich abgelehnt. Doch in Bochum klappte es – und Laura Dessel war heilfroh. Nun genießt sie es, während des Studiums erstmal noch zu Hause bei ihrer Familie in Castrop-Rauxel leben zu können.

Alle Prüfungen bestanden

Auch sonst habe sich gar nicht so ganz viel im Vergleich zur Schulzeit verändert. „Mein Studium ist sehr verschult“, sagt die 19-Jährige. Morgens habe sie mit rund 350 anderen Studentinnen und Studenten etwa Vorlesungen in Biologie, Chemie, Physik, Psychologie und ihrem bisherigen Lieblingsfach Anatomie. „Chemie und Physik hatte ich in der Oberstufe gar nicht, da hatte ich etwas Angst“, sagt sie. Die sei aber schnell verflogen. Nachmittags folgen dann praktische Seminare in kleineren Gruppen.

Mit Uni und Studium sei Laura Dessel insgesamt „sehr zufrieden“, die sechs Klausuren innerhalb weniger Tage hat sie alle bestanden. Anders als in der Schule fanden alle Prüfungen im Multiple-Choice-Verfahren am Computer statt. „Als ich die erste geschafft hatte, fiel mir ein Stein vom Herzen“, erinnert sie sich. Im Sommer und in den aktuellen Semesterferien machte die Castrop-Rauxelerin Pflegepraktika im EVK, erst in der Inneren Medizin, dann in der Neurologie.

Spaß bei Arbeit und Studium

Luke Marek entschied sich, wie Leonard Wild, für eine Ausbildung in der Europastadt. Und auch er wollte keinen typischen Bürojob. Stattdessen begann er eine Ausbildung beim Juwelier Zimmer in der Altstadt. Er möchte Goldschmied werden. Schon bei einem Praktikum 2022 überzeugte er Max Zimmer, der eigentlich gar keinen Azubi suchte, so sehr, dass dieser ihn förmlich zur Ausbildung einlud.

Den Notenschlüssel-Anhänger in seiner Hand hat Luke Marek bei seinem Praktikum beim Juwelier Zimmer selbst hergestellt, inzwischen macht er dort seine Ausbildung.
Den Notenschlüssel-Anhänger in seiner Hand hat Luke Marek bei seinem Praktikum beim Juwelier Zimmer selbst hergestellt, inzwischen macht er dort seine Ausbildung. © Luca Füllgraf

Am 1. August war es so weit und auch ein Dreivierteljahr später ist Luke Marek noch glücklich mit seiner Entscheidung. „Es läuft super und macht echt Spaß“, sagt er. Die Ausbildung und die gleichzeitige ehrenamtliche Arbeit in der evangelischen Paulus-Gemeinde halten ihn ganz schön auf Trab. „Aber das ist es mir voll wert“, sagt er.

Anders als es der Ruf ihrer Generation vielleicht vermuten lässt, kommt keiner der drei von sich aus aufs Thema Work-Life-Balance zu sprechen. Darauf angesprochen, sind alle drei aber entspannt. Laura Dessel schwimmt weiterhin mit Freunden um die Wette, Leonard Wild trifft seine Freunde vor allem am Wochenende und Luke Marek hat eben sein Ehrenamt in der Gemeinde.