Rajko Kravanja und Nils Bettinger am frühen Abend in der Europahalle: Für den FDP-Kandidaten war die Bürgermeisterwahl eine schwere Schlappe.

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Viel investiert, hoch verloren: Die größte Wahlschlappe und der große Trost

rnKommunalwahl 2020

Er dachte, bei Facebook könnte man Stimmen gewinnen. Er hoffte, besser abzuschneiden als vor fünf Jahren. Er erntete wenige Kreuzchen, aber viel Trost: ein Castroper und seine größte Niederlage.

Castrop-Rauxel

, 14.09.2020, 14:40 Uhr / Lesedauer: 2 min

Unter den Bürgermeisterkandidaten waren vier politisch durchaus erfahrene und beschlagene Leute – und einer, der vor allem durch wenig durchdachte Thesen und Argumente auffiel und im Internet dafür abgestraft wurde. Mario Rommel, der Einzelbewerber, warf vielen vor, nur gegen ihn zu hetzen und ihn fertig machen zu wollen.

Doch Mario Rommel erzielte nicht das schwächste Stimm-Ergebnis der fünf Kandidaten. Nils Bettinger von der FDP erreichte noch weniger Stimmen als Rommel. Dabei war Bettinger in den vergangenen Jahren nur dadurch aufgefallen, dass er sehr tief in den Themen steckte und für alle seine Thesen und Meinungsäußerungen gute Argumente brachte.

1160 Stimmen bekam er als Bürgermeisterkandidat der Liberalen. Das waren 4,4 Prozent aller Stimmen. Und 53 weniger als die 1213 oder die 4,6 Prozent, die Rommel einfuhr. Bettinger, der Fraktions-Chef der FDP, der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, der Mann, der in Castrop wohnt, in den Straßen bekannt ist, der sich bei Facebook über Jahre in alle wichtigen politischen Debatten mit Sachargumenten einbrachte und dabei stets fair blieb – er wurde überhaupt nicht belohnt.

Der Informatik-Lehrer schrieb am frühen Morgen, bevor er zur zweiten Stunde im Schulunterricht der Waltroper Gesamtschule Dienst tun musste, bei Facebook: „Weder haben wir einen dritten Ratssitz erreicht noch habe ich mein Ergebnis bei der Bürgermeisterwahl verbessern können noch zieht die Liste für den Kreistag weit genug. Lediglich für den gemeinsamen CDU-/FDP-Landrat Bodo Klimpel geht es mit Rückenwind in die Stichwahl.“

„Äußerst frustrierend“

Was dann folgte, brachte viele seiner Bekannten dazu, ihm Trost zu spenden. Bettinger, der auch als Tierschützer aktiv ist, schrieb: „Für mich ist das deshalb äußerst frustrierend, weil ich weiß, was wir in den letzten fünf Jahren geleistet haben. Und ich weiß auch, wie viel Energie ich selbst in die ehrenamtliche politische Arbeit gesteckt habe. Im Ganzen haben die Bürger unserer Stadt das entweder anders gesehen oder waren nicht bereit, das anzuerkennen. Das muss ich so hinnehmen – es gibt keine Möglichkeit, hier nochmal Überzeugungsarbeit zu leisten, der Wahlkampf ist vorbei.“

Er habe viel Zuspruch erhalten, aber auch viel Kopfschütteln über einige Dinge, die er so klar nicht selbst formulieren könne: „Aber auch mich lässt es etwas fassungslos zurück, mit welchem Selbstverständnis und Kasperletheater manche Protagonisten politische Ämter anstreben – und sie teils auch erhalten.“

Einer der ersten, der ihn am Wahlabend tröstete, war Bürgermeister Rajko Kravanja. „Das hast du nicht verdient, Nils“, sagte er gegen 21.30 Uhr mit Blick auf die Stimmergebnisse. Bei Facebook kam der Trost auch öffentlich. Daniel Djan, der für die SPD in den Rat einzog, kommentierte: „Bin geschockt, da ich dich bei mindestens doppelt so vielen Stimmen gesehen hätte. Bei dir war es leider wohl der Bundestrend der FDP.“

„Wähler wollen tritratrullala“

Björn Johannsen, ebenfalls ein Lautsprecher bei Facebook, kommentierte: „Der Schock sitzt tief. Die Wähler wollen keine Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und echtes Engagement, sondern tritratrullala...“ Eine Nutzerin schrieb: „Ich bin mir sicher, wenn du parteilos angetreten wärest, hättest du viel viel besser abgeschnitten.“

Auf einen solchen Versuch wird es Nils Bettinger wohl nicht ankommen lassen. Er zieht zwar als Spitzenkandidat der Reserveliste zusammen mit Stadtverbands-Vorsitzender Anne Krüger wieder in den Stadtrat ein und wolle mit dem Stadtverband die weitere Zukunft besprechen. Eines aber nahm der 47-Jährige vorweg: „Eine Entscheidung steht bereits fest: Ein drittes Mal werde ich der lokalen FDP nicht als Bürgermeisterkandidat zur Verfügung stehen.“