Bürgermeister Rajko Kravanja sammelte auf Telegram die relevanten Äußerungen und stellte Strafanzeige. © Tobias Weckenbrock
Staatsschutz ermittelt
Bürgermeister erstattet Anzeige: Andi, Kevin, Chrissi und die Telegram-Hetzer
Seit es Corona-Leugner und -Skeptiker gibt, ist der Dienst „Telegram“ in Deutschland bedeutend geworden. Es gibt Strafanzeigen gegen Nutzer in Castrop-Rauxel. Der Vorwurf: Beleidigung und Hetze.
Bei Telegram sind sie digital vernetzt: 425 Nutzer, die sich in einer Gruppe namens „Castrop-Rauxel denkt anders“ angemeldet haben und dort Fake News und alternative Studien zur Corona-Pandemie untereinander austauschen. Sie verabreden sich dort auch zu ihren Demonstrationen und „Spaziergängen“, zu denen zuletzt in Castrop nur noch 35 Personen kamen. Und einige hetzen und pöbeln.
Bürgermeister Rajko Kravanja und SPD-Ratsherr Daniel Djan haben im Januar und Februar Strafanzeigen erstattet. Kravanja selbst wurde auf Telegram nicht nur gestalkt, indem Nutzer dort im Chat seine Wohnadresse teilten („Wo wohnt denn unser lieber Bürgermeister?“ / „Wir müssen vor die Häuser der Politiker“) und ankündigten, dort mal einen Strauß Blumen niederzulegen – eine Anspielung auf eine Droh-Geste aus der Mafia – oder einen Brief einzuwerfen.
Djan wurde dort als „Polithure“ bezeichnet, nachdem er selbst bei einer Facebook-Diskussion kommentiert hatte, dass die Zahl derer, die an den Castroper Montags-Demonstrationen teilnimmt, sicher abnehmen werde.
Bürgermeister Kravanja ist dort immer wieder mal Thema, ebenso wie unsere Medienberichte, über die zum Teil diskutiert wird, die manchmal auch als Unwahrheiten diffamiert werden. Einer unserer Reporter wurde als „Lügenbaron“ bezeichnet, eine Reporterin als „Täterin“.
Fake-Zitat zu fünf Gesichtern
In einen Screenshot einer Zoom-Diskussionsrunde auf Facebook mit Dr. Holger Knapp, Moderator Guido Baumann, Kinderärztin Dr. Mechthild Höhler, der Landtagsabgeordneten Lisa Kapteinat und Bürgermeister Kravanja montierte offenbar der Nutzer Andi (@AndiCastrop) ein Fake-Zitat ein: In der Diskussion ging es um den Wert der Impfungen gegen Corona mit einem speziellen Blick auf Kinder und Jugendliche. „Wir nehmen in kauf das Menschen bleibende Schäden durch Impfnebenwirkungen erleiden oder sogar daran sterben!“ (Rechtschreibfehler übernommen) war dort unterhalb der fünf Gesichter der Diskussionsrunde zu lesen. Der Tenor der Runde war aber ein ganz anderer.
Daniel Djan, engagiertes Ratsmitglied der SPD, stellte im Februar Strafanzeige, als er bei Telegram als "Polithure" bezeichnet wurde. © Gina Reinholz
Die Polizei bestätigt zwei Strafanzeigen von Kravanja und Djan: Der Staatsschutz ermittle wegen Beleidigung gegen den Bürgermeister auf Telegram und gegen ein Ratsmitglied, das im Februar Anzeige erstattete. Mit Aussicht auf Erfolg? „Man kann dort trotz der vermeintlichen Anonymität der Nutzer versuchen, deren Namen zu ermitteln oder über Bilder weiter zu kommen“, sagt Corinna Kutschke, Sprecherin der Polizei.
Sachbearbeiter des Staatsschutzes versuchten, den Urheber auf Telegram auszumachen. „Dann werden die Menschen zur Vernehmung vorgeladen, wie das immer so ist. Wir nehmen die Aussagen der Beteiligten entgegen und übergeben das dann an die Staatsanwaltschaft“, so Kutschke. Der Staatsschutz ist bei politisch motivierten Straftaten zuständig.
Im Moment steche Telegram in Sachen Strafanzeigen wegen Beleidigungen im Internet hervor: „Es ist bekannt, das man sich dort nicht mit Klarnamen anmelden muss, anders als bei Facebook. Daher läuft mehr über den Telegram-Kanal als über andere Dienste“, sagt Kutschke.
„Das Internet ist kein straffreier Raum“
Die Erfolgsaussichten sind vage, Prognosen mag keiner abgeben. Klar ist, dass es schwerer ist, hier die Urheber zu ermitteln. Aber bei allen, die Strafanzeige erstatteten, steckt ein Motiv dahinter, das Daniel Djan auf den Punkt bringt: „Es geht darum, ein Zeichen zu setzen. Das Internet ist kein straffreier Raum und Beleidigungen im Netz verhindern einen offenen Dialog.“ Er vertraue „zu 100 Prozent in unsere Ordnungsbehörden, und hoffe, dass die Ermittlungen zu einem Ergebnis führen werden“, so der SPD-Ratsherr.
Kravanja meinte auf Anfrage: „Wenn Grenzen überschritten werden, ist es wichtig, ein ‚Stopp-Zeichen‘ zu setzen.“ Er werbe immer für einen offenen Dialog, jedoch müsse man sich dabei an Gesetzen und Regeln halten.
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