Böser Brief aus dem Evangelischen Krankenhaus Politiker wie Frank Schwabe haben keine Zeit

Böser Brief aus dem EvK: Politiker wie Frank Schwabe haben keine Zeit
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Stefan Konrad (56) und Carsten Fischer (53) von der Mitarbeitervertretung der Evangelischen Krankenhausgemeinschaft bemängeln nicht nur mangelnde Unterstützung der Pflegekräfte durch die Geschäftsleitung vor Ort. „Die gesellschaftliche Wertschätzung fehlt“, sagt Stefan Konrad und bringt damit zum Ausdruck, was über allem steht.

Das Klatschen am Anfang von Corona, als „wir die Helden der Pandemie waren“, sei schnell verklungen. Es habe sich nie in weiterer Anerkennung ausgezahlt. Bis eine Prämie ausgeschüttet wurde, ein Corona-Bonus für die besonders belasteten Beschäftigten im Pflegebereich. Aber auch das hat Unruhe gebracht.

„Warum bekommt sie nicht jeder Beschäftige bei uns?“, fragen die Männer von der MAV. Das Telefon habe nicht still gestanden in der Phase, als es um die Auszahlungen von vierstelligen Beträgen, steuer- und sozialabgabenfrei, ging.

„Wir bekommen den Frust ab, wir arbeiten noch immer in Corona, tragen Masken, haben die Belastungen durch Krankenhaus-Besucher, die sich nicht an Regeln halten, wir müssen die Besucher aufhalten, wir müssen uns noch immer testen“, zählt Stefan Konrad auf. „Es gibt viele Diskussionen nach dem Motto: Wir sind der Prellbock, aber wir bekommen keine Prämie.“

Neid und weiterer Frust

Die Kriterien, die im Gesetz zur Auszahlung der Prämie stehen, schlössen so viele Leute aus, die direkt damit zu tun haben, weil sie nicht „auf bettenführenden Stationen“ arbeiten: Was ist mit den Mitarbeitern in der Notaufnahme? „Das sind doch die ersten, die mit Corona konfrontiert werden“, meint Konrad. Oder die Mitarbeiterinnen an der Pforte, die dort in der Regel allein sitzen und neben dem Telefon und den elektronischen Systemen den Zugang überwachen müssen. Sie haben keinen Anspruch, sagt die MAV.

So kämen ein Drittel oder ein Viertel der Beschäftigten in den Genuss der Prämienzahlung, sagen Konrad und Fischer. Für sie unverständlich, eine offene Flanke für Neid und weiteren Frust innerhalb der Belegschaft. Einer Belegschaft, die durch den Pflege-Notstand schon vor Corona gebeutelt war. Weil es zu wenig Fachkräfte für zu viel Arbeit gebe.

Carsten Fischer, Gesundheits- und Krankenpfleger am EvK, freigestellt für die Arbeit in der Mitarbeiter-Vertretung
Carsten Fischer, Gesundheits- und Krankenpfleger am EvK, freigestellt für die Arbeit in der Mitarbeiter-Vertretung © Tobias Weckenbrock

Stefan Konrad und Carsten Fischer verfassten einen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, an den Bundestagsabgeordneten Frank Schwabe, alle drei von der doch so arbeitnehmer-nahen SPD, dazu an alle Fraktionen im Bundestag außer an die AfD.

Sie kritisieren darin die Sonderleistung nach dem Pflegebonusgesetz. „Sie haben mit den Zahlungen an 3-jährig examinierte Pflegekräfte auf bettenführenden Stationen (so die genaue Formulierung, d. Red.) für sehr viel Unzufriedenheit in den Krankenhäusern gesorgt“, heißt es darin. Ein großer Teil der Beschäftigten, auch die Krankenpflege-Assistenten, die den Patienten genauso nahe kommen wie Pfleger, seien da außen vor. OP-Mitarbeiter, Therapeuten, Auszubildende: allesamt ausgegrenzt.

Mehr als dürftige Reaktion

Der Brief ist mit dem 27. Oktober datiert. Nur die Linken-Fraktion in Person von Ates Gürpinar antwortete in fünf Wochen darauf („Dieser Bonus spaltet, und das ist kein Versehen“).

Von der SPD kam eine automatisierte Eingangsbestätigung, von den anderen gar nichts. „Frank Schwabe hatte in den letzten drei Jahren der Pandemie einmal acht Minuten Zeit für ein Telefonat“, beklagt Sebastian Konrad, Vorsitzender der MAV. Frank Schwabe als örtlicher Bundestagsabgeordneter der SPD wohlgemerkt.

„Wir werden die Beschäftigten aufklären, wer sich wie zu unserem Brief geäußert hat“, sagt Carsten Fischer. „Wir sagen ihnen dann, dass sie selbst zu ihren Abgeordneten gehen müssen. So eine Ignoranz fördert jedenfalls die Politikverdrossenheit.“

Die Belastung im Job nehme immer mehr zu, äußern die beiden Mitarbeitervertreter bei unserem Gespräch. „Die Krankenhausmisere wird sich verschärfen“, so ihre Prognose. „Die Politik will Krankenhausbetten abbauen, es gibt eine Überversorgung, heißt es da.“ Da seien Karl Lauterbach und Franz-Josef Laumann, entscheidender Gesundheitsexperte der CDU, einer Meinung: Mehr auf ambulante Strukturen zu verlegen sei das Ziel.

Die Kardinalfrage

Und dann stellen Carsten Fischer und Sebastian Konrad die Kardinalfrage: „Was ist die Gesellschaft bereit, für Gesundheitsvorsorge und -versorgung auszugeben? Muss sie vor allem menschengerecht oder marktgerecht sein?“

Auf diese Frage erwarten sie Antworten, die beiden Mitarbeitervertreter. Sie und ihre 2000 Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern der Gesellschaft. Und sicher auch alle Patienten der Kliniken. Die Patienten, die jetzt dort liegen, aber auch alle, die zukünftig einmal ins EvK oder in ein anderes Krankenhaus müssen.

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