Braumeister Christoph Kirchelle am Zapfhahn. Ein gutes Bier sollte in zwei bis drei Zügen gezapft werden, so der Experte. © Thomas Schroeter
Lesetipp
Was man zu Bier wissen muss – ein Braumeister klärt auf
Über Bier gibt es viel zu erzählen. Es gibt Legenden (Sieben-Minuten-Pils), exotische Kreationen – und das Reinheitsgebot. Wir haben mit einem Brauer über all das gesprochen.
Wenn es in Castrop-Rauxel um Bier geht, kommt man früher oder später nicht an Christoph Kirchhelle vorbei. Der 43-Jährige ist Braumeister im Obercastroper Brauhaus Rütershoff, produziert hier seit 13 Jahren in der Hausbrauerei die unterschiedlichsten Biere, die man, auf 1-Liter-Bügelflaschen gezogen, auch in so manchem Supermarkt der Stadt bekommt.
Mit diesem ausgewiesenen Experten haben wir uns vor knapp zwei Jahren im Brauhaus getroffen und über Röstmalze und Maracuja-Aromen, über internationale Bierkonzerne und kleine Hausbrauereien, über Trends in der Branche und seine persönlichen Biervorlieben gesprochen.
Denn Kirchhelle ist nicht nur Bierexperte, sondern auch Bierliebhaber, dem nach eigenen Worten bei alkoholischen Getränken zu 98,8 Prozent nur Bier ins Glas kommt. Oder, um damit den ehemaligen Dortmunder Oberbürgermeister Günter Samtlebe zu zitieren: „Das schönste am Wein ist das Bier danach.“
Was muss man über Bier wissen?
Was ist eigentlich Bier? Bier ist eigentlich ein Göttergetränk. Das Faszinierende an Bier ist: Wenn man es zapft, wird aus einer erst cremig weißen Schaummasse auf einmal das Bier, auf dem sich als Krönung eine helle Schaumkrone entfaltet. Das gibt es sonst bei keinem Getränk, das ist einfach schön.
7-Minuten-Pils, Legende oder Tatsache? Mittlerweile zapft man ein Pils nicht mehr sieben Minuten, weil es dabei warm oder schal wird, bis es zum Gast kommt. Ein gutes Pils wird in zwei oder drei Zügen gezapft. Einmal anzapfen, damit schon ein bisschen Schaum im Glas ist, dann noch mal nachzapfen und schließlich die Schaumkrone aufsetzen.
In 1-Liter-Flaschen gibt es die Castroper Biere auch für den Konsum zu Hause. Die Gläser dazu sehen aus wie Weingläser. © Thomas Schroeter
Aus was für einem Glas trinke ich mein Bier? Das ist sicherlich Geschmackssache und von Bier zu Bier verschieden. Wir hier nutzen dünnwandige Gläser, die wie Weingläser aussehen, gern auch mit einem nach oben verengten Schornstein, um das Aroma besser heraus riechen zu können.
Was ist die ideale Biertemperatur? Je nachdem. Wenn ich ein helles Bier habe, kann das richtig kalt getrunken werden, so bis maximal 8 Grad, wenn ich aber ein dunkleres Bier habe, ein Porter, ein Schwarzbier, das kann ruhig auch 10 oder 12 Grad haben, dann kommen die Röstaromen besser durch. Es gibt Brauer oder Sommeliers, die stacheln das Bier. Da wird ein heißer Stab hinein gehalten, damit es etwas karamellisiert und noch mehr Duftnoten freigesetzt werden.
Je dunkler das Bier, desto wärmer trinken also? Ja so ist es, und das setzt auch mehr Aromen frei. Je nachdem, was für ein Malz ich einsetze, Karamellmalz etwa, das gibt dem Bier mehr Farbe, Bernstein oder sogar Rot. Wenn ich Röstmalze nehme, dann kommen auch Kaffee- oder Schokonoten durch.
Das deutsche Reinheitsgebot. Für einen Brauer eine Fessel oder eine Verpflichtung?
Aber all das nur aus den puren Zutaten, die das deutsche Reinheitsgebot erlaubt. Also Hefe, Hopfen, Malz und Wasser? Ja klar, da wird viel über das Malz geregelt. Inzwischen gibt es aber auch neue Hopfenarten, die sogenannten Flavour- oder Frucht-Hopfen. Aromahopfen sind ein bisschen milder und Bitterhopfen machen das, was der Name verspricht. Und diese Flavour-Hopfen bringen Fruchtnoten ins Bier, das geht bei Zitrus oder Maracuja los und über Minzaromen bis hin zu Hopfen, die dem Bier Weißweinaromen verleihen.
Worterklärungen (Wikipedia):
Malz: Das ist kurz gekeimtes und wieder getrocknetes Getreide, je nach Biersorte zumeist Gerste oder auch Weizen, manchmal auch Roggen. Dieser Vorgang bildet und aktiviert Enzyme im Getreide, die für das Bierbrauen oderdie Whiskyherstellung notwendig sind. Hopfen: Hopfen ist eine Pflanzengattung aus der Familie der Hanfgewächse. Der bekannteste Vertreter der Gattung ist der Echte Hopfen, der zum Bierbrauen verwendet wird. Hefe: Backhefe, auch Bierhefe, ist ein ein Schlauchpilz,der in der Brot- und Bierproduktion eingesetzt wird.Bei einem Bier kann man also genau wie einem Wein Aromen herausarbeiten? Ja klar, wir haben bei uns im Weizenbier zum Beispiel einen Hopfen dabei, der ein Melonenaroma mitbringt, wir haben aber auch Hopfen, der Mandarinen-Düfte reinbringt. Diese Hopfensorten werden immer mehr gekreuzt (aber nicht mit Gentechnik) und entwickeln dadurch immer neue Aromenkonstellationen. In unserem Zwickel haben wir einen Cascade-Hopfen, der entwickelt ein leichtes Zitrus-Aroma. Und dann haben wir noch den Mosaik-Hopfen. Als ich den zum ersten Mal verwendet habe, hat es unten im Keller nach diesem Maracuja-Split-Eis gerochen. Das war schon sehr interessant.
(Worterklärung: Zwickelbier, auch Kellerbier genannt, ist ein ungefiltertes, „naturtrübes“ Bier.)
Im Keller des Hauses an der Schillerstraße lagern auch Malz- und Hopfensorten, die den Bieren die unverwechselbaren Aromen und die unterschiedlichen Färbungen geben. © Thomas Schroeter
Neben dem Hopfen, welche Rolle spielt das Malz? Wir beziehen unsere Spezialmalze aus Bamberg, die Firma Weyermann hat 50 oder sogar 60 unterschiedliche Malzsorten im Angebot. Damit kann ich ein rotgoldenes Bier bekommen, ich kann ein schwarzes Bier bekommen. Die beliefern viele kleinere Brauereien, die andere Biere herstellen als die Fernsehsorten, wie ich das nenne. Da kommt dann neben Gersten- und Weizenmalz auch noch ein Roggenmalz hinzu, mit dem ich wieder ganz andere Akzente setzen kann.
Was sagt Christoph Kirchhelle zum Vorwurf, dass Bier dick mache und ungesund sei?Nächster Grundstoff ist das Wasser. Welche Bedeutung hat das? Eine Brauerei wirbt ja etwa mit Felsquellwasser. Ja, da heißt es aber auch „mit Felsquellwasser“ und nicht „aus“. Bei „mit“ reicht ein Tropfen. Ich habe hier auch schon mal ein Bier aus Wasser aus den Siepen-Quellen gebraut. Würde man zum Brauen aber nur Wasser aus dem Wagenbruch holen, bräuchten wir ein Labor hier, um die Wasserqualität zu überprüfen. So nehmen wir hier einfach das Wasser aus der Leitung, das ist so super, dass es vielfach besser ist als die teuren französischen Wässer, die hier verkauft werden.
Und dann kommt noch die Hefe. Klar, die brauche ich ja für den Alkohol. Aber Hefe ist nicht nur für den Alkohol wichtig, die gibt auch wieder einen besonderen Geschmack. Das typische Banane-Nelken-Aroma beim Weizenbier kommt von der Hefe, die man da einsetzt. Es gibt Ale-Hefen, die sind obergärig, schwimmen also beim Gärprozess oben auf der Bierwürze. Die geben auch noch fruchtige Aromen ab. Es gibt die klassische Pils-Lagerhefe, die ist eher neutral. Mann kann damit also auch wieder besondere Noten für das Bier setzen. Es gibt sogar Hefe-Jäger, die sind etwa in alten Lagerhallen oder alten Molkereien oder sonst wo unterwegs, um besondere Hefen von Hölzern oder Wänden abzukratzen und auf der Grundlage neue Hefestämme zu züchten. In Weihenstephan an der Technischen Universität gibt es eine Hefe-Bank, da kann ich unterschiedlichste Hefen kaufen oder auch Hefen in Auftrag geben, die ganz exklusiv für mich gezüchtet werden. Das kostet dann aber auch richtig Geld.
Ein großes Baukastensystem fürs Bierbrauen
Und dann können Sie sich bei ihren Bieren also an einem großen Baukastensystem bedienen aus Hefen, Malz- und Hopfenarten? Ja, das ist schon ein großes Puzzlespiel, bei dem ich, je nachdem in welche Richtung ich mit meinem Bier will, die unterschiedlichsten Zutaten verwenden kann. Da kann man ein Bier richtig raus komponieren. Wir haben in Deutschland über 5000 verschiedene Biere aus 1400 Brauereien. Da sind in den vergangenen Jahren unheimlich viele dazu gekommen neben den großen und den ganz großen Playern. So haben wir weltweit die größte Biervielfalt. Wir 5000 Biere, weltweit 35.000 Biere.
Trinkt ein Bierbrauer denn auch mal einen Wein?
Lange gab es hier im Ruhrgebiet eine recht einfache Bierlandschaft. Export, Pils, Schluss. Wann kam es zu der großen Sortenvielfalt? Das ist noch nicht so lange. Wir haben hier zum Beispiel 2005 mit dem Brauen angefangen mit einem naturtrüben Zwickel damals. Ach, da haben die Leute aber geguckt. Oh, das ist ja trüb, da waren viele schon noch sehr skeptisch. Haben gedacht, das Bier sei nicht gut. Das war vor 13 Jahren. Unser Dunkel, das wir neben dem Zwickel angeboten haben, wurde schon eher akzeptiert. Es gab da ja in Dortmund schon das dunkle Hövels, das ja gut ging und geht. Für das Zwickel habe ich dann auf eine andere Hopfensorte umgestellt und heute ist Zwickel hier der echte Renner geworden. Das schmeckt ja auch mal anders als das 08/15-Bier, das man sonst so kennt.
Das Haltbarkeitsdatum wird bei Christoph Kirchhelle von Hand eingetragen. Seine Biere halten sich gekühlt rund sechs Wochen. © Thomas Schroeter
Was unterscheidet denn das Bier aus einer so kleinen Brauerei von dem der großen Brauereien? Na ja, bei den ganz Großen ist das Motto manchmal schon „Viel Bier, wenig Hopfen“, da ist dann nicht viel eigenständiger Geschmack vorhanden. Anheuser-Busch, der Weltmarktführer, hat auch auf diese Schiene gesetzt mit möglichst wenig Hopfen. Das ist mit unseren Bieren komplett überhaupt nicht zu vergleichen. Das haben sogar die Biertrinker in Amerika gemerkt, wo auch immer mehr kleinere Braustätten auf die sogenannten Craft-Biere setzt. Wie immer in Amerika sind die aber auch wieder schon so groß wie hier unsere größeren Brauereien. Die Marktführer kaufen inzwischen aber auch schon solche Craft-Bierproduzenten, um dieses Segment auch im eigenen Bier-Portfolio zu haben.
Der Craft-Bier-Trend hilft den kleinen Brauern
Seit ein oder zwei Jahren rollt jetzt die große Craft-Bier-Welle durch Deutschland. Das Bier aus den Hausbrauereien gab es schon lange wie hier bei Rütershoff. Und jetzt auf einmal das Craft-Bier. Hilft das? Ja, der Markt hat sich da schon gewandelt. Ich nenne das allerdings eher Kreativ- als Craft-Bier, was wir hier machen. Manche am Markt lassen das Bier in einer anderen Brauerei nach einem neuen Rezept für sich brauen, haben mit dem Handwerk aber gar nichts zu tun, nennen es dann aber Craft-Bier. Aber egal, der Trend hat uns auch erreicht und sorgt für einen Flaschenbier-Absatz, der alle unsere bisherigen Ergebnisse sprengt.
Welches Bier trinkt Christoph Kirchhelle denn selbst gerne?
Zugleich ist der Bierabsatz in Deutschland in den vergangenen Jahren zurück gegangen. In den 90er-Jahren trank der Deutsche im Schnitt noch über 140 Liter Bier, im Jahr 2017 nur noch 106 Liter. Beängstigt Sie das? Wir gucken uns das schon genau an, das ist klar. Mit unseren Spezialbieren versuchen wir, dagegen anzugehen und immer wieder neue und interessante Produkte für unsere Gäste bereitzustellen. So versuchen wir, neben unseren vier Stammsorten Pils, Zwickel, Weizen und Dunkel auch immer noch eine besondere Sorte anzubieten. Zudem profitieren wir vom Trend zu regionalen Produkten, die für Kunden noch höher im Kurs stehen als Bio-Produkte. So hoffen wir, uns am Markt behaupten zu können.
Vielen Dank für Ihr Interesse an einem Artikel unseres Premium-Angebots. Bitte registrieren Sie sich kurz kostenfrei, um ihn vollständig lesen zu können.
Jetzt kostenfrei registrieren
Einfach Zugang freischalten und weiterlesen
Werden auch Sie RN+ Mitglied!
Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.
Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung
Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung durch Klick auf den Link in der E-Mail, um weiterlesen zu können.
Prüfen Sie ggf. auch Ihren Spam-Ordner.
Einfach Zugang freischalten und weiterlesen
Werden auch Sie RN+ Mitglied!
Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.