Bei einem Castroper Zahnarzt dreht sich (fast) alles ums Elektroauto

© Dieter Düwel

Bei einem Castroper Zahnarzt dreht sich (fast) alles ums Elektroauto

rnElektromobilität

Von Kindheit an ist Hans-Joachim Günther von der Autowelt fasziniert. Heute ist für ihn die E-Mobilität das Nonplusultra. Aber in der Garage hat er auch noch etwas anderes stehen.

Castrop-Rauxel

, 19.12.2020, 17:55 Uhr / Lesedauer: 4 min

Hans-Joachim Günther ist Zahnarzt. Aber seine ganz große Leidenschaft gilt dem Auto: „Ich bin wahrscheinlich mit kleinen Autos in beiden Händen auf die Welt gekommen“, vermutet er. Praktisch seit seiner Geburt begeistert er sich für alles, was mit vier Rädern zu tun hat.

Ganz früh war „Auto, Motor, Sport“ seine Lieblingslektüre und an den Autos in der Familie hat er ständig herum geschraubt. „Für Ölwechsel, Reifenwechsel und Bremsbeläge war immer der kleine Jochen zuständig,“ erinnert sich der 55-jährige Castrop-Rauxeler.

Heute ist Jochen Günther ein glühender Verfechter der E-Mobilität. „E-Autos sind mit Abstand das Umweltfreundlichste, was wir im Moment an Mobilität haben. Für mich ist aber die Effizienz der Motoren der entscheidende Faktor. Der Motor eines E-Autos hat eine Effizienz von 95 Prozent, das ist kaum noch zu toppen. Diesel und Verbrenner schaffen so zwischen 14 und 18 Prozent“, erklärt der Zahnarzt.

Neue E-Mobilität statt ausgereizter Verbrennertechnik

Wie ist Jochen Günther, der einen Tesla Model 3 und einen Smart fährt, zur E-Mobilität gekommen? „Ich war schon immer sehr technikbegeistert und wäre gern Ingenieur geworden“, erklärt Günther. „In der Schule habe ich Physik geliebt, aber mein Respekt vor Mathematik war zu groß. Meine Physik-Kenntnisse haben die Voraussetzungen für mein Hobby gelegt.“

Die Begeisterung für Elektroautos entwickelte Jochen Günther, als er irgendwann zu der Erkenntnis kam, dass die Technik der Verbrenner ausgereizt ist: „Ich war immer an neuen Entwicklungen in der Automobilwelt interessiert und habe mich ständig gefragt: Was kann jetzt noch kommen? Aber ich hatte das Gefühl, es passiert eigentlich nichts mehr.“

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Das war die Zeit, als die ersten E-Autos auf den Markt kamen. Das erste Modell , das die Aufmerksamkeit des Zahnarztes auf sich zog, war der CityEL. Jochen Günther erinnert sich: „Der sah aus wie eine Segelflugzeugkanzel mit drei Mofareifen, kostete damals 10.000 DM, hatte eine Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h und eine Reichweite von knapp 40 Kilometern.“

Beeindruckt von der neuen Technik des Leichtfahrzeugs mit Elektroantrieb stand Günther kurz vor dem Kauf des CityEL: „Dann hat aber noch rechtzeitig mein Verstand eingesetzt und ich hab mir gesagt: Für das Geld bekommst du auch ein richtiges Auto.“ Trotzdem fasste er den Entschluss, eines Tages elektrisch zu fahren.

Abenteuerlicher Weg zum Tesla ‚Model 3‘

Jochen Günther informierte sich in Fachzeitschriften und YouTube-Videos über Elektromobilität. Dabei stieß er auf Clips von Horst Lüning, einem Whisky-Hersteller und gelerntem Luftfahrtingenieur vom Starnberger See, der mit seiner Fahrt im Tesla ‚Model S‘ vom Nordkap nach Gibraltar beweisen wollte, dass die Zeiten, in denen E-Autos kurze Reichweiten und fehlende Langstreckentauglichkeit bedeuten, vorbei sind.

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Für Jochen Günther war das der Anfang seiner Begeisterung für die E-Fahrzeuge des amerikanischen Herstellers: „Es gibt inzwischen viel Elektro-Mobilität auf der Welt, aber Tesla ist für mich aufgrund der überragenden Technik eindeutig der Platzhirsch, dem kein anderer das Wasser reichen kann.“

Fast schon abenteuerlich ist die Art und Weise, wie Günther an seinen Tesla ‚Model 3‘ kam. Der Zahnarzt berichtet: „Wir haben den Tesla 2016 im Internet bestellt. Es gab ja keine Händler in Europa. Man musste 1000 Euro als Anzahlung für die Reservierung leisten, ohne das Auto gesehen oder gar gefahren zu haben und ohne den Preis zu kennen. Wenn die Firma pleite gegangen wäre, hätte ich 1000 Euro in den Sand gesetzt.“

Aber es ging alles gut. Nachdem das Schiff aus den USA mit 4000 Tesla-Autos in Rotterdam angelegt hatte, mussten die amerikanischen Wagen dem Verkehr in Europa angepasst werden. „Zum Beispiel wurden andere Rückleuchten installiert. In den USA leuchtet der Blinker rot, in Deutschland dagegen gelb. Und das Bremslicht muss davon getrennt sein“, erläutert Jochen Günther, der den Kauf auf keinen Fall bereut hat. „Meistens fahre ich nicht einfach irgendwo hin, sondern ich mache einen „Road Trip“, das heißt, ich habe Spaß daran, die Fahrt zu planen und zu timen, um mit möglichst wenigen Ladestopps auszukommen.“

Zahnarzt Hans-Joachim Günther bietet seinen Patienten Strom an seiner Ladesäule an.

Zahnarzt Hans-Joachim Günther bietet seinen Patienten Strom an seiner Ladesäule an. © Dieter Düwel

Kommunikation und Geselligkeit

Ein weiterer Pluspunkt der E-Mobilität ist für Jochen Günther die Kommunikation und Geselligkeit: „An Tesla-Ladesäulen kommt man immer mit anderen Fahrern ins Gespräch.“ Günther schätzt auch die Treffen mit anderen E-Autofahrern, wie zum Beispiel im September 2019 bei der „e-Cross Germany“ Rallye in Düsseldorf.

Sinn der Rallye war es zu zeigen, dass Elektromobilität, gespeist aus regenerativer Energie, schon jetzt geeignet ist, viele Menschen umweltfreundlich und nachhaltig mobil zu machen. Auf dem Programm standen Wertungsprüfungen von Geschicklichkeitsprüfungen bis zum Durchfahren eines E-Scooter-Parcours. „Am Ende erhielt meine Familie überraschend einen Sonderpreis für das beste Privatteam“, berichtet Jochen Günther.

Netz von Ladestationen muss erweitert werden

Natürlich kennt Jochen Günther auch die Bedenken, die bezüglich der der Umweltfreundlichkeit von Elektroautos erhoben werden. Und er hat auch seine eigene Meinung dazu.

Die Gewinnung der Rohstoffe für die Batterien, wie zum Beispiel Lithium, steht oft im Fokus der Kritiker. „Jede Rohstoffgewinnung verursacht Umweltschäden und verbraucht CO2. Das gilt für den Abbau von Lithium aber ebenso wie für die Förderung von Erdöl. Man denke nur an die Erdölkatastrophen in der Vergangenheit“, erklärt Günther.

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Bedenken werden auch gegenüber der Haltbarkeit von Batterien laut. Wie lange halten sie und was passiert mit den alten Akkus? Der Zahnarzt ist davon überzeugt, dass Batterien oft eine längere Lebensdauer haben als man erwartet: „Es kommt darauf an, wie der Akku gepflegt wird. Man sollte ihn nicht lange voll oder leer stehen lassen. Antriebsbatterien, die für ihren Einsatz im Fahrzeug nicht mehr leistungsfähig genug sind, können in ihrem „zweiten Leben“ noch viele Jahre als stationäre Stromspeicher verwendet werden.“

Zahl der Ladestationen ist zu gering

Ein anderes Problem ist die Versorgung mit Ladestationen. Jochen Günther beschreibt die Situation in Castrop-Rauxel so: „Die Ladesäulen am Altstadtmarkt und am Ickerner Markt sind fast ständig belegt. Das Netz muss unbedingt erweitert werden. Wer eine Lademöglichkeit zu Hause hat, ist natürlich im Vorteil.“

Günther selbst bietet seinen Patienten kostenloses Laden an einer Säule neben seiner Praxis an. Gelegentlich profitieren aber auch schon mal Fahrer, die keine Patienten sind. Der Zahnarzt erinnert sich: „Vor einiger Zeit bekam ich einen Anruf von einem ‚CityEL‘-Fahrer, der auf der Bahnhofstraße mit leerer Batterie liegen geblieben war. Er fragte, ob er auch Strom tanken könne, obwohl er kein Patient sei.“ Günther willigte natürlich ein und der Fahrer schob seinen Wagen bis zur Ladesäule an der Praxis.

Mit dem Caterham über die Alpen

So ganz ohne traditionellen Verbrenner kommt Jochen Günther aber doch nicht aus. In seiner Garage steht auch ein britischer Caterham ‚Superlight R300‘ aus dem Jahr 2004, der nur für Fahrten bei gutem Wetter oder für den Urlaub heraus geholt wird: „Das ist von der Form her eine Art offene Zigarre, ein Auto, das seit 50 Jahren unverändert gebaut wird. Darin findet man nur das, was man zum Fahren unbedingt braucht: einen Motor, vier Räder, zwei Sitze und ein Lenkrad.“ Aber gerade deshalb macht es dem Zahnarzt sehr viel Spaß, in dem Caterham Ausflugsfahrten an der Küste oder in den Bergen zu unternehmen.

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