Jens Langensiepen (l.) löste Volkan Karagece als Geschäftsführer der Stadtwerke Castrop-Rauxel am 1. April 2016 ab. Er kam von Gelsenwasser, sein Vorgänger ging zur Gelsenwasser AG zurück. © Marcel Witte

Strom und Gas

Bald sieben Jahre Stadtwerke Castrop-Rauxel: Hat sich die Gründung gelohnt?

Die Stadtwerke Castrop-Rauxel wurden 2014 gegründet. Ziel war es, die Netz-Konzessionen zu übernehmen. Bisher ist das nicht geschehen. Ein Grund zu Sorge?

Castrop-Rauxel

, 25.08.2020 / Lesedauer: 4 min

Wer in eine Wohnung in Castrop-Rauxel zieht, bekommt vom ersten Tag an Strom aus der Steckdose und Gas für seine Heizung, auch, wenn er sich nicht bei einem Anbieter anmeldet. Auch wer schon mal Rechnungen zu spät zahlte, dem wird nicht gleich der Strom abgedreht. Es gibt ein Unternehmen, das die Grundversorgung übernimmt. Bei diesem Grundversorger handelt es sich nicht aber um die Stadtwerke Castrop-Rauxel, sondern um die Firma Innogy, Tochter der Eon, früher mal RWE, davor die VEW.

Die Stadtwerke sind in Castrop-Rauxel noch keine sieben Jahre alt. Sie wurden erst 2013 nach langem politischen Streit gegründet. Auch die beiden großen Parteien SPD und CDU waren sich damals mehr als uneins, ob es sich lohnt, Stadtwerke als Tochtergesellschaft zu gründen, oder ob es nicht am Ende ein Projekt wird, bei dem man draufzahlt.

Dabei sind noch nicht alle Ziele (im folgenden fett) erreicht, die mit der Gründung verbunden wurden. Aber ist das ein Grund zur Sorge? War es falsch, die Stadtwerke zu gründen?

Wenn man Jens Langensiepen fragt, der seit vier Jahren als Geschäftsführer tätig ist, dann erhält man die gelassene Antwort: Nein, war es nicht. „Und wenn ich bei Politikern unterwegs bin, gibt es nach meiner Wahrnehmung heute auch fast nur noch positive Rückmeldungen“, sagt er. Das verwundere ihn nicht. „Wir haben in den letzten vier Jahren unsere Ziele, was die Neugewinnung von Kunden angeht, stets übererfüllt. Mehr geht immer, klar, und wir wollen auch weiter wachsen, in neue Geschäftsbereiche einsteigen. Aber der Reihe nach“, sagt er.

Marktführerschaft noch nicht erreicht

Eine mittlere vierstellige Zahl an Kunden habe man, so Langensiepen. Das ist weit weniger als der Marktführer vor Ort, nach wie vor die Innogy SE. Die tritt darum automatisch als Grundversorger auf. Vorteil für die Innogy, denn so gewinnt sie stets neue Kunden dazu, wenn die kein Interesse haben, sich einen anderen als den (teuren) Grundversorgungsvertrag zu suchen.

Darauf weist die Verbraucherzentrale die Menschen stets hin, mindestens einmal im Jahr in Pressemitteilungen. „Damit tut sie wichtige Dinge, gegen die haben wir überhaupt nichts“, so Jens Langensiepen. „Die VZ weist nämlich auf unseriöse Versorger hin, die Dinge in den AGBs verstecken, die dem Kunden beim Abschluss oft nicht auffallen. Das ist wichtig!“

Auch Verbraucherportale wie Verivox, bei denen man den für sich günstigsten Anbieter ausfindig machen kann, sind Langensiepen kein Dorn im Auge, sagt er. Ein Beispiel: Bei den Stadtwerken zahlt man für einen Stromvertrag bei einem Verbrauch von 2500 Kilowattstunden im Jahr 820 Euro. Es handelt sich dabei um Ökostrom aus 100 Prozent Wasserkraft. Der Innogy-Grundversorger verlangt im Klassik-Vertrag 875 Euro. Der günstigste Ökostrom-Anbieter nimmt bei Neukunden im ersten Jahr 595 Euro, im zweiten Jahr des 24-Monats-Vertrags 795 Euro.

Billig? „Das ist nicht unser Ziel

Die Stadtwerke liegen nicht unter den günstigsten Anbietern. „Das ist klar und nicht unser Ziel“, sagt Langensiepen. „Wir haben eine ökologische Ausrichtung, verkaufen ausschließlich CO2-neutrales Erdgas und CO2-neutralen Strom. Und wir wollen vor Ort erneuerbare Energien anbieten.“

In Castrop-Rauxel engagieren sich die Stadtwerke zum Beispiel gerade beim Bau und beim späteren genossenschaftlich organisierten Betrieb der Windkraftanlage bei Rütgers. Vielleicht geht sie noch dieses Jahr ans Netz und wäre dann die zweite Anlage nach dem „Airkules“ getauften Riesen-Windrad, das sich seit 2016 auf dem Westhofschen Feld auf Schwerin dreht. „Wenn man die Energiewende vernünftig zu Ende denkt“, sagt der Geschäftsführer, „dann ist das Lokale wichtig“.

Der zweite Punkt sei der Kundenservice: „Wir sind vor Ort, sind ansprechbar mit einem Kundenbüro. Das ist ein Kostenfaktor, aber es ist für uns wichtig, wir wollen für den Kunden da sein.“ Jeder Kunder müsse selbst entscheiden. „Es gibt den, der zum Discounter geht, und den, der den lokalen Anbieter wählt.“ Die Stadtwerke engagierten sich eben auch vor Ort mit Sponsorings von Vereinen und Veranstaltungen.

Der Erwerb der Netzkonzessionen ist ein bislang unerreichtes Ziel. Die Konzessionenn für Strom und Gas liefen Ende 2019 aus. Doch Konzessionsinhaber war die vergangenen 20 Jahre RWE, Westnetz bzw. Innogy, alles ein Unternehmen. Die Stadtwerke bewarben sich um die nächsten 20 Jahre, ebenso wie der bisherige Konzessionsnehmer. Die Politik entschied im Herbst 2019 zusammen mit dem Bürgermeister, die Konzession an die Stadtwerke zu vergeben. „Einer der Mitbieter hat aber rechtliche Schritte gegen das Verfahren eingeleitet“, sagt Jens Langensiepen.

Rechtsverfahren läuft noch

Die Stadtverwaltung sagt auf Anfrage: „Nach Verfahrensschluss haben die unterlegenen Bieter Rechtsmittel eingelegt. Der bestehende Altkonzessionär betreibt die Netze weiterhin bis zum Abschluss des Rechtsverfahrens.“

Langensiepen meint: „Wir freuen uns, dass die Ratsentscheidung so ausgefallen ist. Jetzt passiert aber das, was üblicherweise passiert.“ Man müsse nun abwarten, sei aber optimistisch. „Es ist ein interessantes Geschäftsfeld, darum haben wir uns darum beworben.“

Acht Angestellte arbeiten für die Stadtwerke. Wenn ein neues Geschäftsfeld dazu kommen sollte, werden es wahrscheinlich mehr werden. Ein enger Austausch mit der Gelsenwasser AG, die zu 49,9 Prozent an den Stadtwerken beteiligt ist, wird auch hier wieder helfen.

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