
© Christian Püls
Bahia de Cochinos: Als die Schweinebucht versank
Legendäre Kneipen
Bahia de Cochinos, die Schweinebucht, spülte zwar internationale Künstler nach Castrop-Rauxel. Dennoch konnte sich die alternative Kneipe mit kubanischem Flair nicht über Wasser halten.
Die Schweinebucht an der Wittener Straße 122 war eigentlich mit einem guten Konzept gestartet. Hinter der Fassade einer alten Eckkneipe - gegenüber der Pizzeria Michele - servierten die Jenny Kretschmer und Marcus Liedschulte ab 2007 kubanische Cocktails zu kubanischer Musik. 2013 war dann Schluss. Obgleich man das Angebot mit Konzerten und Lesungen immer weiter aufgewertet hatte.
„Vom Konzept her, wollten wir schon ein breites Publikum ansprechen“, sagt Jenny Kretschmann, „wir hatten ein spezielles Angebot an Rum, Tequila und Whiskey. Also nicht nur die 08/15-Spiritousen.“ All das war von einer Kubareise inspiriert.
Zwei Kneipen abgerissen
Die Betreiber der Bahia de Cochinos, hatten zuvor zwei Kneipen verloren. Nicht aus gastwirtschaftlichem Unvermögen. Sowohl das Schlüters (ehemals Herbies) an der Holzstraße, als auch für das SiX (Schlüters im Exil) an der Wartburgstraße wurden abgerissen. „Zweimal wurde den Beiden das Haus unterm Hintern weggerissen“, so Oliver Turrek, „dann hat mich Marcus nach Leerständen gefragt.“ Turrek kaufte das Gebäude und vermietete es an die beiden befreundeten Kneipiers, die über der Wirtschaft einzogen.
„Wir hatten keinen Bock, wieder in ein Abrisshaus zu gehen“, erklärt Liedschulte. Er war Pächter der Bahia de Cochinos, bis im letzten Jahr der Schweinebucht der Verein Kulturbucht e. V. diese Rolle übernahm.
Turrek war Vorsitzender des Fördervereins mit rund 40 Mitgliedern. Die zahlten einen Mitgliedsbeitrag von sechs Euro pro Nase und Monat, halfen bei Veranstaltungen aus, versuchten das recht einzigartige Programm bekannter zu machen. Doch trotz aller Bemühungen ließ sich die Schweinebucht nicht halten.
Die eigene Stammkneipe hingesetzt
So verloren Jenny Kretschmann und Marcus Liedschulte trotz sicherer Immobilie auch die dritte Kneipe. Und auch Turrek ist enttäuscht, dass der Traum von der Wunschkneipe bloß einige Jahre währte. „Ich habe schon viel Zeit investiert und hatte natürlich Interesse daran, dass der Laden läuft“, so Turrek, „es gab auch nichts, wo ich sonst hingehen würde. Letztendlich habe ich mir meine eigene Stammkneipe dahin gesetzt.“
Und die Idee funktionierte zu Anfang auch. Aber eben nicht auf Dauer. „Da sind viele Leute aus Neugier gekommen. In Dortmund und Bochum gibt es Läden mit entsprechendem Publikum“, sagt Turrek. Aber es sei was anderes, wenn „zwei Punker Salsa spielen“. Rock, Pop, Punk und Metal zogen ein.
„Das Getränkeangebot wurde von Anfang an gut angenommen“, so Jenny Kretschmann, „aber die Musik nicht so richtig, da musste mehr Variation rein.“ Zunächst aus der Konserve, später dann auch live von der Mini-Bühne neben dem Tresen.
Kontakte zur New Yorker Anti-Folk-Szene
„Die Bahia hat sich entwickelt“, sagt Liedschulte, „angefangen haben wir mit viel kubanischem Kram; Cocktails, Rum, Musik.“ Später kamen immer mehr Kulturveranstaltungen dazu, Konzerte, Lesungen. „Zu Spitzenzeiten hatten wir drei- bis viermal die Woche Veranstaltungen“, so Liedschulte, „mit Leuten aus allen möglichen Ländern; USA, Russland, Israel.“
Und stets war es ausgewähltes Programm. „Schlager und Top-40 haben wir nie gemacht“, erklärt Turrek, „dennoch haben wir eine Zeit lang die meisten Konzerte in ganz Castrop-Rauxel.“ Knapp 300 Veranstaltungen gingen in der Schweinebucht über die Bühne.
Phoebe Kreuz, Ching Chang Song und The Creaky Boards gehörten zu ersten Bands. Liedschulte verfügte über ausgezeichnete Kontakte zu einem Booker der New Yorker Anti-Folk-Szene. „Das waren so die Anfänge, Marcus hat sich reingekniet und organisiert“, erinnert sich Jenny Kretschmann, „aber die Bands kennen sich natürlich auch untereinander, so hat sich rumgesprochen, das es bei uns eine Auftritts- und eine Übernachtungsmöglichkeit gibt.“
Umfangreiches Programm aus aller Herren Länder
Turrek gab am Mischpult selbst den Tontechniker. „Bei den Veranstaltungen gab es schon einen harten Kern“, so Liedschulte, „aber es kamen auch viele Leute aus anderen Städten.“ Das nicht ohne Grund. Schließlich gab es an der Wittener Straße Künstler zu sehen, nach denen sich andere Läden eigentlich nur die Finger lecken konnten.
Unvergessen bleibt beispielsweise der Auftritt der Ann Vriend 2012. Die zierliche Kanadierin begeisterte mit ihrer großen Stimme. Tigerjunge aus Bochum brachte im gleichen Jahr Electro auf die Bühne. Jaako & Jay hatten Folk-Punk aus dem finnischen Tampere im Gepäck. Zum fünfjährigen Bestehen der Kneipe spielten The Jim Tablowski Experience aus Dortmund ihren Garage-Punk.
Manchmal war auch Zeit für leise Töne. Dabei konnte es durchaus heiter zugehen, beispielsweise als Andreas Beune und Volker Backes aus ihrem Buch „Ohne Fußball wär´n wir gar nicht hier“ lasen. Ein interessantes, abwechslungsreiches Programm, was aber selten für volles Haus sorgte. Im Gegenteil, es verprellte sogar einige Gäste.

Letztes Punkkonzert in der Schweinbucht mit Supabond im März 2013. © Christian Püls
Kneipenpublikum war genervt.
„Das eigentliche Kneipen-Stammpublikum war genervt, weil es bei Konzerten nicht in der Kneipe sitzen konnte“, erläutert Liedschulte, „die Bahia hatte ja nur einen Raum. Der Kneipenbetrieb hat da schon drunter gelitten. Das hat man uns aber erst später zugetragen.“
Manchmal fanden sich Konzertgänger ein, die auf dem Rückweg aus Bochum oder Dortmund noch einen Absacker in der Schweinebucht nehmen wollten, aber nur für wenige Partygänger wurde die Eckkneipe an der Wittener Straße zur festen Adresse. Und so kam es zum Abschied auf Raten.
Im Februar 2013 war die Bahia de Cochinos zum letzten Mal als Kneipe geöffnet. Da ging es noch mal hoch her. Es war gerammelt voll. Bier und Cocktails gingen in Massen über den Tresen. Die Veranstaltungen liefen noch ein paar Wochen weiter, bis das Trio „My Sister Grenadine“ mit einer Art experimentellen Folk den endgültigen Schlussakkord setzte.
Gemengelage führte zum Aus für die Kneipe
Es gab nicht den einen, ausschlaggebenden Grund, warum die Bahia de Cochinos schließen musste. Vielmehr war es eine Gemengelage.
Jenny Kretschmann: „Ich kann nur darüber spekulieren, warum es nicht funktioniert hat. Viele Leute sind wegen des Studiums weggezogen, andere haben Familien gegründet, das Geld saß nicht so locker. Auf jeden Fall nervte aber dieses schwammige Rauchverbot. Irgendwann war dann halt Feierabend.“
Oliver Turrek: „Wir mussten für jede Veranstaltung GEMA bezahlen. Bei Miete und Energie sollte es lediglich kostendeckend laufen, tat es aber nicht. So mussten wir das beenden. Die Zeit der Kneipenkultur ist vorbei; die Leute trinken lieber zu Hause.“
Einer kehrt in die Kneipe zurück
Marcus Liedschulte: „Wir haben uns auf den Kulturbetrieb fokussiert, aber das war finanziell auf die Dauer nicht zu stemmen.“
Inzwischen verfolgen die Drei unterschiedliche Ziele. Jenny Kretschmer hat eine Tierfutterhandlung, zwei Häuser weiter. Liedschulte betreibt eine Hundeschule. Turrek will die ehemalige Kneipe demnächst als Ladenlokal nutzen.