Bäume entwurzelt - Straßen verwüstet - Verkehr betroffen
Sturm-Schäden in Castrop-Rauxel
Eines der schwersten Unwetter der vergangenen Jahre hat am Montagabend in Castrop-Rauxel für schwere Schäden und eine schlaflose Nacht der Rettungsdienste gesorgt. Die Folgen waren so gravierend, dass auch am Mittwoch alle Schulen geschlossen blieben. Und dass einige Busse und Bahnen erst Tage später wieder fuhren.
von Peter Wulle, Tobias Weckenbrock, Benjamin Konietzny, Miriam Instenberg
CASTROP-RAUXEL
, 12.06.2014, 11:17 Uhr / Lesedauer: 5 min
- Das Pfingst-Unwetter hat Castrop-Rauxel schwer getroffen. Der Sturm wütete mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 124 Stundenkilometern.
- Dabei wurden zahllose Bäume entwurzelt, Straßen verwüstet, Beleuchtungsanlagen heruntergerissen, Dächer beschädigt und Autos unter Ästen und Bäumen begraben.
- Alle Schulen und Sporthallen in der Stadt bleiben am Mittwoch geschlossen.
- Der Feuerwehr wurden über 250 Einsätze gemeldet.
- Die Stadt warnt davor, Parks und Friedhöfe zu betreten - die Gefahr bestehe, dass dort noch Äste herunterstürzen.
Die Linien der Bogestra, die nach oder von Castrop-Rauxel aus fahren, sind wieder im Plan. In einer Pressemitteilung heißt es: "Mit viel Engagement und zahlreichen Überstunden ist es gelungen, innerhalb kürzester Zeit wieder einen fast vollständigen Fahrplan bieten zu können."
Am Montagabend wirbelte der Sturm auch den heimischen Sport durcheinander."Es sieht auf den Plätzen schlimm aus", erklärte Mitarbeiterin Kirsten Franz. Überall lägen abgebrochene Bäume und Äste umher. "Und wir wissen nicht, was da noch alles runterkommt", sagte sie. Die Sporthallen sind ebenfalls vorsorglich dicht, weil die Stadtverwaltung zumindest bis Mittwoch, 11. Juni, alle Schulgebäude, zu denen die Sporthallen in der Regel gehören, geschlossen hat. Das Kreispokal-Endspiel der Fußballerinnen zwischen Arminia Ickern und der DJK Falkenhorst, das nach langem Hin und Her endlich am Mittwoch, 11. Juni, in der Glückauf-Kampfbahn stattfinden sollte, wurde abgesagt.
Beeinträchtigt ist der Bahnverkehr in Castrop-Rauxel auch eineinhalb Tage nach dem Sturm. Die Emschertalbahn (RB 43) über Castrop-Rauxel-Süd und Merklinde verkehrt zurzeit gar nicht. Der RE 3 der Eurobahn verkehrt nur zwischen Hamm und Dortmund. Die S2 fährt gar nicht.
Auf mehreren Linien fahren die Busse auch am Mittwoch nicht, eingeschränkt oder auf anderen Wegen: Die 233, 236 und 237 nutzen Umleitungen. Die 321 Richtung Gerthe endet in Herne am Gysenbergpark/Lago. Diese Haltestellen entfallen: Am Volkspark, Aufm Kolm, Friedhofstraße. Die 353 fährt nicht über Im Scheiten und ansonsten nur über die freigeräumten Straßen. Die 482 hat Probleme an den Aapwiesen, an der Heinestraße sowie in Schwerin.
Die Dortmunder Straße von der Altstadt in Richtung Schwerin ist inzwischen wieder freigegeben. Das Grünflächenamt konnte dort offenbar alle umgestürzten Bäume und abgerissenen Äste beseitigen.
Morgen bleiben die Schulen im Stadtgebiet geschlossen. „Wir müssen die Gefährdungen auf und an den Schulhöfen noch untersuchen. Als Vorsichtsmaßnahme habe wir entschieden, dass alle Schulen morgen geschlossen bleiben“, so Bürgermeister Johannes Beisenherz.
„So etwas habe ich in meiner Dienstzeit noch nicht erlebt“, stellte Feuerwehr-Chef Jürgen Schmidt fest. Der Orkan Kyrill vor einigen Jahren sei zwar landesweit sehr schlimm gewesen. „Aber bei uns in der Stadt“, so Schmidt, „war Kyrill kein Ereignis.“ Einen solchen Nachteinsatz aber wie in der vergangenen Nacht habe es noch nicht gegeben: „Wir haben uns quasi durch das Stadtgebiet gesägt.“ Vorrang hatte das Freiräumen der Hauptstraße wie der B 235 und der Dortmunder Straße. Am Schweriner Berg ging nichts mehr. Die Dortmunder Straße ist weiterhin gesperrt.
Am schlimmsten getroffen hat es in der Nacht wohl die Familie von Ramazan Eryilmaz an der Alleestraße 66. Um 21.30 schlug der Blitz in das Wohnhaus ein. Die Nachbarn informierten die Familie, dass der Dachstuhl brennt. „Wir sind dann alle raus. Mit dem Notruf kamen wir gar nicht durch. Erst der Sohn unseres Nachbarn konnte einen Kollegen erreichen, der bei der Freiwilligen Feuerwehr arbeitet“, erzählt Eryilmaz. Die Nachbarn halfen in der Nacht mit Essen, Trinken und Schlafmöglichkeiten aus. „Die Unterstützung war und ist riesig“, sagt Eryilmaz voller Dankbarkeit. Die Feuerwehr war bis 3 Uhr an der Alleestraße im Einsatz.
gingen während der Nacht bei der Feuerwehr ein. 150 Helfer von der Feuerwehr und dem Technischen Hilfswerk waren die ganze Nacht im Einsatz. „Bis 11 Uhr am Vormittag hatten wir etwa die Hälfte der Einsätze abgearbeitet.“
Das Parkbad Nord ist ziemlich verwüstet. Bäume und Äste fielen in die Becken sowie auf die Liegewiese. Das Bad bleibt heute und morgen auf jeden Fall geschlossen.
„Wir haben alle städtischen Friedhöfe geschlossen und gucken, welche Sicherungsmaßnahmen nötig sind“, so der Technische Beigeordnete Heiko Dobrindt.
im Wildgehege Deininghausen: „Ich könnte heulen“, sagt Fördervereinschefin Marianne Scheer. Über 40 Bäume, darunter ganz dicke Exemplare, sind umgestürzt, ein Tier wurde von einer Birke erschlagen, rund 35 Zaunelemente liegen auf dem Boden. Die Wege haben die Helfer mit Astwerk abgesperrt. „Wir brauchen dringend Helfer mit schwerem Gerät“, appelliert Marianne Scheer. Sonst könnte man der schweren Stämme nicht Herr werden. Und sie ergänzt: „Wir hoffen, dass sich die Hundebesitzer fern halten.“ Wenn das Wild nicht gejagt werde, bleibe es im Bereich des Wildgeheges.
„Unser Stadtpark sieht verheerend aus“, bilanziert Heiko Dobrindt. Mehr oder weniger gelte das für alle öffentlichen Grünanlagen. „Soviel Absperrmaterial haben wir gar nicht, um alle Anlagen zu sperren. Wir können nur appellieren, beim Betreten der Parks und Gärten sehr vorsichtig zu sein. Auch in den Wäldern ist derzeit höchste Vorsicht geboten.
Der Wald an der Ecke zur Victorstraße ist quasi wegrasiert. „Den Wald gibt es nicht mehr. Da stehen nur noch Stümpfe“, so Feuerwehrchef Schmidt.
Handfest haben die Landwirte der Stadt mit angepackt und geholfen, die Straßen frei zu räumen. „Etliche Landwirte“, berichtete Feuerwehrchef Schmidt, „haben ihre Traktoren angeschmissen und uns unterstützt. Für manche der entwurzelten Bäume, die auf den Straßen lagen, waren ihre Traktoren allerdings zu klein. Da mussten wir mit noch schwererem Gerät ran.“
Die Insassen zweier PKW waren während ihrer Heimfahrt auf dem Westring von dem Unwetter überrascht worden. Die Anbetracht der reihenweise umstürzenden Bäume, hielten sie auf der Kanalbrücke an. „Für sie gab es kein Vor und kein Zurück. Bis wir die Straße frei schneiden konnten, dauerte es viel zu lagen. Wir haben die drei Personen daher nach Hause gebracht“, erzählte Feuerwehrchef Schmidt.
Die Aufräumarbeiten werden einige Zeit in Anspruch nehmen. „Wir müssen bei umgestürzten Bäumen gucken, inwieweit Leitungen im Erdreich beschädigt wurden. Das alles dauert“, sagte Michael Werner vom Stadtbetrieb EUV. „Vorrang hat es, die Straßen für den Verkehr frei zu bekommen. Bis alle Gehwege frei sind, wird es Tage dauern“, appelliert Bürgermeister Johannes Beisenherz an die Geduld der Bürger.
Auch alle Sporthallen bleiben Mittwoch zu. Erst müssen Gutachter feststellen, ob die Gebäude sicher sind. In Deininghausen ist ein Baum auf eine Sporthalle gestürzt und hat diese beschädigt. Auch das Freibad bleibt wegen der Aufräumarbeiten noch mindestens bis Mittwoch geschlossen. Die Glasfassade des Hallenbades hat den Sturm unbeschadet überstanden.
Die Folgen des Unwetters sind gravierend: Polizei und Feuerwehr warnen die Castrop-Rauxeler eindringlich davor, Parks und Friedhöfe zu betreten. Außerdem bleiben am Mittwoch alle Grund- und weiterführenden Schulen geschlossen.
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— exdirk (@exdirk)
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— Dennis Herder (@DerMerklinder)
Auf einer Pressekonferenz um 11 Uhr wird Bürgermeister Johannes Beisenherz über das Ausmaß der Unwetterschäden in Castrop-Rauxel berichten.
Augenzeugen berichten davon, dass "Ickern aussieht, als wenn ein Tornado durchgefegt wäre", von Bäumen, die auf Balkone gekippt sind und für viel Arbeit sorgen. Auf die Bürger der Stadt wartet ein Tag des Aufräumens. Mit allen verfügbaren Kräften waren Feuerwehr und Technisches Hilfswerk (THW) in der Nacht im Einsatz, um umgeknickte Bäume und abgefallen Äste, vollgelaufene Keller und Überschwemmungen zu beseitigen. Dabei schafften es die Helfer nur, die großen Einfallstraßen und oft auch nur einen Fahrstreifen pro Richtung freizumachen.
Olaf Linsner, Chef des THW-Ortsverbandes, war am Morgen gegen 7 Uhr auf dem Heimweg - er hatte selbst mit angepackt und die Rettungseinsätze seines Teams mit koordiniert. Mit schwerstem Gerät war der THW unterwegs, um die Hauptstraßen freizuräumen. Gegen 0.30 Uhr glich die B 235 einem Trümmerfeld: Nur einspurig war sie befahrbar, Bäume versperrten große Teile der Strecke. Auch der Gehweg am Straßenrand war kaum begehbar. In den Bäumen hingen zum Teil noch schwere Äste, die herabzufallen drohten. Am Morgen fuhr die Polizei das Stadtgebiet ab, um eben solche Gefahren zu sichten und zu kontrollieren.
"Das hab ich in diesem Ausmaß auch noch nicht erlebt", sagte Olaf Linsner, der am Morgen, als wir ihn sprachen, einen erschöpften Eindruck machte. Wie lange die Rettungseinsätze noch dauern würden? "Noch lange", antwortete er. Auch in der Altstadt gab es einige Schäden: Am Biesenkamp / Ecke Brückenweg vor der Eisdiele knickte ein dicker Baum um und stürzte auf ein Wohngebäude. Es ist nur ein Beispiel für viele andere Vorfälle dieser Art im gesamten Stadtgebiet. Der öffentliche Nahverkehr funktionierte am Dienstagmorgen nur bedingt: Via Facebook boten Castrop-Rauxeler Mitfahrgelegenheiten zur Arbeit per PKW an, denn Busse und Bahnen fallen zum Teil wegen Schäden auf den Strecken und unpassierbaren Straßen aus.