Zwei Männer, 48 und 39 Jahre alt, hatten sich angefreundet. Ihre gemeinsame Adresse: die JVA in Ickern, bekannt als Meisenhof. Doch dann wurde der Jüngere von ihnen jäh enttäuscht.
Im August 2021 vertraute der 39-jährige Häftling dem Älteren seinen Autoschlüssel an. Denn dieser hatte tagsüber Ausgang, er selbst nicht. Er bat den Kollegen, aus seinem Pkw ein Sixpack Cola zu holen sowie eine Tüte, die ein weiterer Häftling dort deponiert hatte. Doch sie mussten lange warten.
Den ehemaligen Freund hat der 39-Jährige erst mehr als ein Jahr später im Gerichtssaal in Castrop-Rauxel wieder zu Gesicht bekommen. Denn dieser hatte die Situation ausgenutzt, um unterzutauchen. Er musste sich nun wegen Diebstahls eines Autos, Flucht und des Fahrens ohne Fahrerlaubnis verantworten.
Als er am fraglichen Tag nicht zur vereinbarten Zeit am späten Mittag zurück war, wurde der Autobesitzer allmählich unruhig, wartete aber bis zum Abend. Erst dann meldete er, auf dringendes Anraten anderer Insassen, den Fall. Andernfalls wäre er nämlich wegen Beihilfe zur Flucht selbst dran gewesen.
Angeklagter schweigt und nickt
Sein Auto wurde erst vier Monate später auf einem Parkplatz an einem Badesee im Raum Düren aufgefunden. Leer, sauber und ohne Kennzeichen. Dafür lagen die Papiere im Handschuhfach. Vom Angeklagten keine Spur. Er war längst zur Fahndung ausgeschrieben, konnte aber erst geraume Zeit später dingfest gemacht werden.
Zum Gerichtstermin wurde er jetzt aus der JVA Aachen vorgeführt. Nun zog er es vor, zu schweigen. Was seit seiner Flucht passiert ist, konnte also der Geschädigte und der ehemalige Freund nur vermuten. Er glaubt, dass der 48-Jährige das Auto verkaufen wollte, es aber aufgrund des fehlenden Fahrzeugbriefes nicht schaffte. Dafür habe er wohl die beiden Handys mitgehen lassen, die im Auto lagen. Die seien dort aus Sicherheitsgründen deponiert gewesen, weil es in den Zellen keine sichere Verschlussmöglichkeit gebe.

Sogar der Schlüssel steckte im Pkw. Dafür war die Batterie abgeklemmt, sodass man nicht ohne Weiteres fortfahren konnte.
Da der Angeklagte nickend bestätigte, dass er noch bis Ende Februar 2023 in Haft bleiben wird, hat die Justiz noch Zeit für weitere Recherchen, um den Fall aufzuklären. So sollen Protokolle der JVA in Ickern zeigen, wer am Tag der Flucht Dienst hatte und wann der Angeklagte die Pforte passiert hat.
Hoffnung ruht auch auf Videoaufzeichnungen über das Parkplatzgeschehen. Denn der Verteidiger des Angeklagten stellte eine Grundsatzfrage: Saß sein Mandant überhaupt am Steuer? Ihm hätte ja zuvor auch jemand den Autoschlüssel abnehmen können.
Die Fortsetzung des Prozesses folgt im Januar.
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