Über sieben Brücken musst du geh’n, sangen einst Karat und Peter Maffay. Einst wandelte man viel über Brücken, und das nicht nur draußen, wenn es galt, Flüsse, Kanäle oder Straßen zu überqueren. Auch indoor war die Brücke früher sehr angesagt. Mittlerweile ist sie aus unserem Wohnbedarf aber quasi vollständig verschwunden.
Was habe ich die Perserbrücken bei meiner Oma geliebt. Ob es wirklich Perserteppichbrücken waren, kann ich dabei nicht mehr sagen, der Perser stand damals für die orientalisch gemusterten und geknüpften Teppiche schlechthin. Kommt man einem Fachmann so, wird man auseinander genommen, klar. Denn es gibt eine unendliche Vielzahl an regionalen Herkunfts- und Qualitätsarten solcher Teppiche.
Das spielt hier und jetzt aber keine Rolle. Bei meiner Oma lagen zwischen den Teppichen, und darum geht es hier, die oben erwähnten Brücken. Teppich-Zwerge quasi, 60 bis 80 Zentimeter breit und vielleicht einen oder 1,50 Meter lang. Und vor allen Dingen: mit Fransen versehen. Auf den Teppichen und Brücken konnte man dank der geometrischen Muster wunderbar mit Matchbox-Autos spielen.
Und die Fransen konnte man mit den Fingern oder dem heimlich aus Omas Bad entliehenem Kamm herrlich kämmen. Stundenlang konnte ich das tun. Fransen durcheinander bringen, Fransen kämmen. Fransen durcheinander bringen, Fransen kämmen. Und wieder von vorn. Quasi der Zen-Garten meiner Kindheit.
Die Wohnwelten unserer Wohnzimmer haben sich geändert. Die einstmals Gute Stube neben der Wohnküche gibt es nicht mehr. Und fast schon einher damit ging nach und nach auch das Verschwinden der Orientteppiche aus unseren Wohnungen. Statt der Teppiche auf den Holzdielen oder Linoleumböden hielt irgendwann die ach so praktische Teppich-Auslegeware ihren Einzug in bundesdeutsche Wohnungen.
Und mit der Auslegeware wurden dann auch die Brücken überflüssig. Verbanden sie, gern auch schon mal Läufer genannt, einstmals die einzelnen Teppiche miteinander, so war jetzt nichts mehr zu verbinden. Brücke auf Teppichboden war überflüssig. Irgendwie schlüssig, aber nicht schön, wie ich finde.

Denn statt den Teppich von Oma für Autowelten nutzen zu können, mussten und müssen die nachfolgenden Kindergenerationen mit grellbunten Kinder-Autoteppichen vorliebnehmen, die alle Phantasie zerstörten, die man auf dem Persermuster entwickeln konnte und musste, um den Bodenbelag zur Spielwelt zu machen.
Und die Fransen der Teppiche und Brücken sind ebenfalls fast zur Gänze verloren gegangen. Da sage noch mal jemand, dass die Zeiten besser geworden sind.
In den „Wohn(t)räumen“ befasst sich Thomas Schroeter regelmäßig auf sehr persönliche Art mit dem Wohnen. Da kann es um neue Trends gehen, um Wohnphilosophien, um Bauärger oder Küchendeko. Einfach um alles, was das Wohnen im Alltag ausmacht.