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Castrop-Rauxeler Arzt sagt: Haufenweise Corona-Impfstoff wird weggeworfen
Coronavirus
Er impft seit langer Zeit gegen Corona. Der Castrop-Rauxeler Arzt sagt, es würden haufenweise Impfstoffe, vor allem von Moderna, weggeworfen. Dabei gibt es aber inzwischen neue Darreichungsformen.
Moderna-Impfstoff? „Den will doch keiner mehr“, sagt der Arzt, der in Castrop-Rauxel praktiziert, aber nur anonym über dieses Thema mit uns sprechen möchte. Ärzte müssten haufenweise Corona-Impfstoffe wegwerfen, weil das Verfallsdatum nach Öffnung einer Flasche abgelaufen ist.
Um den mRNA-Impfstoff der US-amerikanischen Firma Moderna geht es. Denn hier gibt es eine andere Vorgehensweise als beim Biontech-Impfstoff: Die Fläschchen waren bisher gleich groß. Doch aus dem Moderna-Vial zieht eine Arzthelferin oder eine MTA Impfstoff für 22 Boosterimpfungen*. Aus einem Biontech-Vial werden 6 Booster-Dosen*. Das liegt daran, dass für den Booster nur die halbe Moderna-Impfstoffmenge verabreicht wird. So ist das Vakzin zugelassen.
„Moderna will keiner mehr“
Der Arzt sagt unserer Redaktion: „Moderna will keiner mehr.“ Damit meint er „kaum einer“. Wenn zu einer Impfaktion zwei oder fünf Impflinge für einen Moderna-Booster kommen, dann bricht der Arzt ein Vial an, bleibt aber auf den restlichen Impfdosen sitzen. „Ich kriege als kleine Praxis keine 20 Dosen weg“, sagt er. Nach einigen Tagen muss der kostbare Impfstoff, der anderswo in der Welt vielleicht gebraucht würde, weggeworfen werden.
Wie sehen es ein Kollege? Dr. Holger Knapp aus Ickern ist Impfarzt in der KoCi des Kreises Recklinghausen, hat Erfahrung aus zahlreichen Impfaktionen und Impfzentren und impft auch in seiner Gemeinschaftspraxis am Marktplatz wie wenige andere Ärzte in Castrop-Rauxel.

Dr. Holger Knapp, Hausarzt in Ickern, impft inzwischen Menschen über 70 Jahren zum vierten Mal. © Tobias Weckenbrock
Er bestelle kaum Moderna, sagt er. Das sei anders gewesen, als Biontech besonders schwer zu bekommen war. Aber die Zeit ist vorbei. Und Biontech habe inzwischen eine andere Art der Darreichung etabliert: Der Impfstoff sei schon fertig aufbereitet, wenn er in der Praxis ankommt, und viel länger haltbar als anfangs.
Er habe nur vereinzelt Impfstoffe verwerfen müssen, kann aber das Moderna-Problem gerade beim Booster nachvollziehen. „Das passiert, wenn man offene Impfungen ohne Termin anbietet. Das ist in der Tat problematisch“, sagt Knapp. Deshalb habe er das Thema Moderna erst gar nicht richtig angefangen.
Er verabreiche inzwischen schon die vierten Impfungen in Altenheimen, bei Bewohnern und dem Personal, und an Menschen über 70 Jahre. „Das wird alles gut vertragen“, so Knapp.
An den Protein-Impfstoff Novavax kämen die beiden Ärzte bisher nicht heran, sagen sie. Aber danach sei ja auch die Nachfrage nicht besonders groß, sagt Holger Knapp, wie er in den Medien gelesen habe.
„Das ist ein Treppenwitz“
„Es läuft alles total sch***. Das ist ein Treppenwitz“, motzt sein Kollege, der meint, dass man die Impfquote noch erhöhen müsse. Einer seiner Vorwürfe an die gesamte Organisation: „Wir gehen nicht ausreichend dahin, wo die Leute sind. Wir impfen in den Praxen oder den Impfzentren, aber zu selten in der Fläche.“ Das sei doch die einzige Chance, die Leute zu erreichen. „Wenn sie gesellschaftlich abgehängt sind, kriegen sie das doch gar nicht mit.“
* Hinweis der Redaktion: Die Zahl der zu verabreichenden Booster-Impfungen schwankt. Sie wird von den Herstellern mit 22 (Moderna) bzw. 6 (Biontech) angegeben. Manche Ärzte ziehen aber auch 24 und 7 Dosen heraus. Wir haben die vorher gemachten Angaben (20/10) korrigiert.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
