„Ohne Parkplätze ist die Castroper Altstadt tot“ Händlerin und Eigentümer üben scharfe Kritik

„Ohne Parkplätze ist die Castroper Altstadt tot“: Händlerin und Eigentümer üben scharfe Kritik
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Der gefloppte Frühlingsmarkt kam für Andres Heier alles andere als überraschend. Gemeinsam mit seinem Bruder Magnus ist er unter anderem Eigentümer der Immobilie am Münsterplatz 6. Dort hat er auch sein Büro, obwohl er eigentlich Spezialitäten wie Nudeln und Schinken in Italien produziert und weit über die Stadtgrenzen Castrop-Rauxels an Großkunden verkauft. Bruder Magnus ist Neurologe, beide sind Castrop-Rauxeler.

Eine Verbundenheit zur Altstadt hat mittlerweile auch Martina Tielker, die vor knapp zehn Jahren die Buchhandlung „Leselust“ eröffnet hat. Alle drei machen sich Sorgen um die Zukunft des Einzelhandelsstandortes. Leerstände gepaart mit Menschenleere – alle drei sind sich sicher: Es muss etwas passieren.

Martina Tielker sieht den verregneten Frühlingsmarkt und die wenige Kundschaft am verkaufsoffenen Sonntag gelassen: „Wenn kein Kunde gekommen wäre, hätte ich wenigstens Zeit für die Frühlingsdeko gehabt.“ Man könne den Einzelhandel nicht nur am Umsatz messen. Sie habe sich mit ihren Besuchern gut unterhalten und habe einen schönen Sonntag im Dienst verbracht. „Der Kunde ist mein Arbeitgeber, so muss er auch behandelt werden“, sagt Tielker.

Sie habe viele Stammkunden, die sich von ihr beraten lassen und ihre Lese-Tipps schätzen. Laufkundschaft war zumindest am verkaufsoffenen Sonntag Mangelware. Tielker nennt Gründe: „Die Altstadt hat sich in zehn Jahren verändert. Es ist deutlich ungepflegter hier, zum Beispiel auf den Grünstreifen.“ Auch die Leerstände würden natürlich ihren Teil dazu beitragen. „Und die Schließzeiten. Wir machen unsere Läden abends alle zu verschiedenen Zeiten zu. Das verwirrt die Kunden“, sagt sie abschließend.

Menschen in die Altstadt locken

Andreas Heier ist zwar mit seinem Betrieb nicht auf eine florierende Castroper Altstadt angewiesen, als Immobilieneigentümer und als Castrop-Rauxeler beobachtet er die Entwicklungen aber genau. Ein Zentrum sieht er in der Altstadt schon längst nicht mehr, machte in einem Gastbeitrag im Januar 2022 gemeinsam mit Martina Tielker auf die Missstände und zahlreiche Verfehlungen aus der Vergangenheit aufmerksam. Ein Argument bleibt für ihn, dass große Institutionen wie das Rathaus oder das Westfälische Landestheater weit außerhalb der Altstadt liegen.

„Allein das Bürgerbüro mit seinen Kundenkontakten pro Monat würde viel mehr Menschen anziehen“, sagt Andreas Heier. Von den Mitarbeitern der gesamten Verwaltung und zahlreichen weiteren Arbeitgebern, die in den vergangenen Jahren aus der Altstadt weggezogen sind, will er gar nicht anfangen zu sprechen. Martina Tielker ergänzt mit einem Beispiel: „Als das Berufskolleg vorübergehend ins Hertie-Gebäude gezogen war, war in der Altstadt direkt viel mehr los.“

Dr. Magnus Heier impfte am Wochenende am Bärenplatz im "DeinTreff". Das Team verteilte vorher Flyer in der Siedlung, wo über 1000 Menschen leben. Aber es kamen nur elf Impflinge.
Dr. Magnus Heier impfte am Wochenende am Bärenplatz im "DeinTreff". Das Team verteilte vorher Flyer in der Siedlung, wo über 1000 Menschen leben. Aber es kamen nur elf Impflinge. © Stefan Braun

Für Heier bleibt es wichtig, dass die Menschen in der Altstadt parken können. Die ewige Debatte, ob der Marktplatz weiter Parkplatz bleiben soll oder ob der Markt dorthin zurückkehren soll, kann er daher nicht verstehen: „Wir brauchen eigentlich mehr Parkplätze. Weniger wären der Tod.“


„Seitdem der Markt in der Fußgängerzone der Altstadt ist, kommen mehr Kunden an die Stände“, hat sich Martina Tielker bei den Händlern erkundigt. Andreas Heier sieht aktuell aber immer mehr Anbieter, nicht nur Einzelhändler, die es aus der Altstadt zieht. „Wenn Ärzte und Rechtsanwälte die Altstadt verlassen, ist das sehr schlecht“, bilanziert er, „und zum Einkaufen fahren die Leute auch jetzt an den Westring oder andere dezentrale Standorte mit vielen Parkplätzen.“

Altstadt-Krisengespräche werden gefordert

Sein Bruder Magnus Heier ist sich sicher: „Es müsste ein Krisengespräch zwischen Stadtspitze, Wirtschaftsförderung und Einzelhändlern geben.“ Alle zusammen müssten an der Zukunft der Altstadt arbeiten. Günstigere Mieten für Leerstände reichen da allein nicht aus.

Während viele Castrop-Rauxeler die Ansiedlung von Extrablatt am Markt derweil sehnsüchtig erwarten, dämpft Andreas Heier die Vorfreude etwas: „Wenn sie den Marktplatz zum Parken schließen, dann wird sich auch Extrablatt schnell wieder zurückziehen.“

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