Christian Koß und Amela Bilgin kämpfen gegen die Raserei in ihrer verkehrsberuhigten Wohnstraße. © Uwe von Schirp
Verkehrsberuhigte Zone
Alltag in einer Castrop-Rauxeler Spielstraße: Autofahrer rasen und pöbeln
Den ganzen Tag über rasen Autofahrer durch eine verkehrsberuhigte Zone – abends auch gegen die Einbahnstraße. Ein Anwohner fühlt sich wie an der Viertelmeile im Film „The Fast and the Furious“.
Mittags, 12 Uhr an einem ganz normalen Wochentag: Aus der langgezogenen Kurve der Straße Im Osterkotten in Habinghorst klingen Motorengeräusche. Ein dunkelgrauer SUV rauscht heran. 50 km/h fährt er vielleicht nicht, aber knapp drunter. Das wäre auf vielen Straßen Castrop-Rauxels also kein Problem: Aber hier ist Schrittgeschwindigkeit angesagt.
„Malik! Autoooo!“. Amela Bilgin steht mit ihren Kindern vor ihrer Haustür. Sie sieht den roten Kleinwagen noch nicht, hört ihn aber. Kurz hinter einer Aufpflasterung in der Mitte des Straßenzuges gibt die Fahrerin Gas. Malik steht in einem benachbarten Vorgarten, bleibt beim lauten Ruf seiner Mutter urplötzlich stehen.
Die Straße in der Habinghorster Zechensiedlung ist verkehrsberuhigt. Einst rotes Pflaster ist mittlerweile schmuddelig grau. Bürgersteige gibt es nicht. Auf der linken Seite der Einbahnstraße liegen Parkbuchten. Eine normale verkehrsberuhigte Zone. „Kinder“, sagt Amela Bilgin, „flitzen ja einfach mal aus der Haustür“. Und stehen dann mitten im Verkehr.
Anwohner beklagt Untätigkeit der Stadt
Bilgins Nachwuchs ist 5 und 2,5 Jahre alt. „Muss hier erst etwas passieren, bis die Stadt etwas unternimmt?“, fragt die Mutter. Sie sei schon dreimal im Rathaus beim Ordnungsamt gewesen, ihr Nachbar Christian Koß gar sechsmal. „Seit zwei Jahren bemühe ich mich darum, dass sich etwas ändert“, berichtet er. Aber nichts geschehe.
Nun sind es nicht einzelne Autos, die hier mal etwas schneller fahren. Beim rund 50-minütigen Termin vor Ort vergeht keine Minute ohne Raser. Von rund 60 Autos, Transportern und Lkw, die die Straße entlang kommen, halten sich gerade zwei an die Vorschrift. Amela Bilgin und Christian Koß identifizieren sie als Anwohner. „Hier muss was geschehen“, sagt die Nachbarin aus dem geöffneten Autofenster.
Ein blaues Verkehrsschild weist auf die verkehrsberuhigte Zone – landläufig „Spielstraße“ – hin. Christian Koß glaubt, dass es einfach zu klein ist und übersehen wird, wenn die Fahrzeuge von der Ohmstraße in den Osterkotten einbiegen. Das Ordnungsamt habe ihm zugesichert, ein größeres Schild aufzustellen.
„Sie fahren hier eine Viertelmeile aus“
Nun ist die Frage, wann Raserei anfängt, gewiss eine Ermessenssache. Aber: Wo Schrittgeschwindigkeit vorgeschrieben ist und andernorts Gerichte 15 km/h noch tolerieren, sind selbst 30 km/h eindeutig zu schnell.
Knapp 200 Meter lang ist die Straße Im Osterkotten. „Abends wird hier besonders schnell gefahren“, erzählt der 35-Jährige. „Ich fühle mich da häufig wie im Film ‚The Fast and the Furious‘ und denke, sie fahren hier eine Viertelmeile aus.“ Für 100 Meter: von der Aufpflasterung bis zur Einmündung Oskarstraße.
Für viele Autofahrer ist die Aufpflasterung auf der Hälfte des Straßenzuges wie eine Startrampe, um Gas zu geben. © Uwe von Schirp
Damit nicht genug: Am Abend würden Autofahrer auch gern mal die Einbahnstraßenregelung Im Osterkotten missachten, berichtet der Anwohner. Das spart 550 Meter Umweg über die Oskarstraße und Ohmstraße, um zur Klöcknerstraße zu kommen.
Autofahrer reagieren aggressiv
Regelmäßig sprechen Amela Bilgin und Christian Koß Autofahrer auf die Raserei an. „Dann wird man aggressiv angemacht: ‚Ich hau dir was auf die Mappe‘“, erzählt Koß. „Das ist erbärmlich.“ Kritische und missbilligende Blicke auch beim Ortstermin, als die Fahrer Kamera und Block des Reporters sehen.
An der Einmündung zur Oskarstraße liegt eine Kindertagesstätte. Ihr Garten grenzt an beide Straßen und hat einen niedrigen Zaun. © Uwe von Schirp
Der Fahrer eines Transporters hält an. Schaut provozierend, lässt den Motor aufheulen. Mit durchdrehenden Reifen biegt er nach rechts in die Oskarstraße ab. Es riecht nach verbranntem Gummi. Fast fährt der Transporter frontal gegen ein Auto, das ihm zwischen Baumscheiben auf der Oskarstraße entgegen kommt.
„Hier müsste mehr kontrolliert werden“, sagt Christian Koß. Nicht nur wegen der Raserei. Viele nutzen die verkehrsberuhigte Straße als Abkürzung zur Lange Straße – auch Schwerlastzüge. An der Einmündung Oskarstraße liegt ein Kindergarten. „Was ist“, fragt Amela Bilgin, „wenn da mal ein Kind über den Zaun klettert?“
Ein Video über die Raserei Im Osterkotten sehen Sie auf rn.de/castrop-rauxel
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