
Enorme Hitze im Juli 2022 in Castrop-Rauxel: Am Dienstag badeten einige Menschen auch im Rhein-Herne-Kanal in Henrichenburg. © Tobias Weckenbrock
Bei der Abkühlung lauern Gefahren: Ein Hitze-Tag am Rhein-Herne-Kanal
Heißester Tag
33 Grad. Dienstag, 12.30 Uhr. Eine Frau im Bikini auf dem Arm eines Mannes in Shorts. Er springt in den Rhein-Herne-Kanal. Abkühlung am bisher heißesten Tag des Jahres. Aber die Gefahr lauert.
Die Sonne brennt. Fast nirgendwo ist Schatten, außer unter der Wartburgstraße. Die führt hier in Henrichenburg über den Rhein-Herne-Kanal. Hier liegen ein paar leere Flaschen. Mix-Bier. Ein paar Scherben und leere Sixpacks. Schön ist anders. Vielleicht auch deshalb liegen sie ein paar Meter weiter den Kanal rauf oder runter: Jugendliche und junge Erwachsene, die Abkühlung suchen.
Daniel (19) aus Recklinghausen ist mit ein paar Freunden her gekommen. „Was soll man sonst machen bei dem Wetter, außer Abkühlung zu suchen?“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Ein Fläschchen Bier hat er fürs Video-Interview neben seinem Handtuch abgestellt. Er hat einen Sonnenhut auf, bleibt bis abends und genießt die Zeit.
Er und zwei Freunde springen ins Wasser. Hier an der Spundwand geht es knapp zwei Meter in die Tiefe. Zum Rausklettern gibt es eine Leiter. Sie werfen sich einen Tennisball zu, bis ein Kanalfrachter aus Richtung Osten kommt. Sie schwimmen zum Rand und lassen ihn vorbeituckern.

Daniel (19, 2.v.l.) und ein paar Freunde aus Recklinghausen verbrachten den heißesten Tag des Jahres am und im Rhein-Herne-Kanal an der Wartburginsel. © Tobias Weckenbrock
Im Laufe einer halben Stunde fahren fünf Kähne vorbei: zwei Jachten, ein Boot der Wasserschutzpolizei und zwei Frachtschiffe. Als ein weiterer Kahn passiert, springt ein Mann aus einer anderen Gruppe ein paar Meter weiter ins Wasser. In den Sog der Schiffe gerät keiner. Aber einige der Tipps von Rettungsschwimmern befolgen sie doch nicht.
Trösken: „Dann geht man einfach unter“
„Es ist nicht so, wie man sich das vorstellt: jemand schreit um Hilfe und winkt mit den Händen, ehe er untergeht“, erklärt Michael Trösken. Er ist Geschäftsführer der Kreisgruppe der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft Castrop-Rauxel und schildert dann, wie es wirklich abläuft: „Wenn der Kreislauf die plötzliche Abkühlung nicht packt, dann geht man einfach unter.“ Da spiele keine Rolle mehr, ob mein ein guter Schwimmer ist oder nicht, ob man sich für fit hält oder eher übergewichtig ist.
Als die Wasserschutzpolizei vorbei fährt, passiert nichts: Sie hält nicht an, sie warnt nicht über Lautsprecher, sie nimmt kaum Notiz von den Kanal-Badern. „Ja, es ist vielleicht verboten, aber die DLRG sagt ja auch nichts, wenn sie mit dem Boot vorbei fährt“, sagt Daniel.
DLRG-Boot Orca liegt im Hafen
Das Boot heißt Orca und liegt zu diesem Zeitpunkt im Hafen des AMC Pöppinghausen. Denn die DLRG-Rettungsschwimmer sind alle bei der Arbeit. Michael Trösken hat sie kurz unterbrochen, um uns im Interview zur Verfügung zu stehen. Ein Irrglaube also, dass man hier sicher ist. Es gibt keine Rettungsringe („Es ist ja auch kein Badegewässer“) an der Spundwand. Und die mitgebrachten Schwimmringe und Luftmatratzen: Sie sind wohl eher selbst eine Gefahr, als im Zweifel retten zu können.

Wenn ein Kanalfrachter vorbeituckert, schwimmen sie an den Rand. Aber was geschieht im Sog eines solchen Schiffes? Viele Jugendliche unterschätzen die Gefahren. © Tobias Weckenbrock
Trösken erinnert sich an einen Bade-Todesfall im Kanal bei Datteln und Waltrop. In seiner Zeit bei der DLRG sei zum Glück noch nicht passiert. Zur Sicherheit sei das Boot am Wochenende unterwegs, wenn die Ehrenamtlichen sich extra die Zeit nehmen, um herumzufahren. „Wir sprechen dann schon mal den einen oder anderen Kanalschwimmer an“, erzählt Trösken, „wenn wir Leichtsinnige sehen“.
Vor allem bei Kindern und bei Alkoholgenuss sehe er Gefahren. „Würden Sie Ihre Kinder auf einer Autobahn spielen lassen?“, sagte ein Kollege aus dem DLRG-Kreisgruppen-Vorstand kürzlich bei einem Fernsehinterview. „Wenn Sie bei der Polizei fragen, ob man hier schwimmen darf, dann bekommen sie von unterschiedlichen Leuten meistens unterschiedliche Antworten.“ Es handle sich um eine Bundeswasserstraße, also eine Fernstraße für Schiffe.

Das Parkbad Nord in Ickern an der Recklinghauser Straße: Im Castrop-Rauxeler Freibad ist Platz für bis zu 4000 Menschen. Am Dienstag gegen 13.30 Uhr war auf der Liegewiese zwar was los, aber doch noch reichlich Platz, sowohl im Schatten als auch in der Sonne. Eintritt: 3,50 Euro. © Tobias Weckenbrock
Das Schwimmbad, immer bewacht, ist nicht weit entfernt. Voll zwar, aber am Dienstag gegen 14 Uhr ist auf der Wiese im Parkbad Nord in Ickern noch Platz, im Schatten und in der Sonne. Und in den drei Becken auch. Toll sei es auch am Silbersee in Haltern, meint Trösken. Für Daniel (19) und die anderen offenbar für diesen Dienstag keine Alternative. Hier am Kanal aber würde ihnen im Zweifel nur die 112 helfen.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
