Es ist gar nicht so einfach, Wolfgang Paul ans Telefon zu bekommen. Am frühen Nachmittag sitzt der 76-Jährige im Auto auf dem Weg zu seinem Geschäft "Juwelier Paul" im sauerländischen Olsberg. "Rufen Sie mich doch gleich im Laden an", sagt der Uhrmachermeister. Eine Stunde später: "Ist jetzt ungünstig, ich habe Kundschaft". Wenig später hat Wolfgang Paul dann aber Zeit für ein Gespräch.
Wolfgang Paul zeigt ein altes Foto, auf dem er als Spielführer des BVB den gewonnen Europapokal der Pokalsieger präsentiert.
Der Kapitän der legendären 66er-Mannschaft der Dortmunder Borussia, die am 5. Mai vor 50 Jahren im Glasgower Hampden Park den FC Liverpool niederrang, hat viel zu erzählen.
Herr Paul, wie geht es Ihnen?
Danke der Nachfrage, sehr gut. Ich stehe immer noch täglich in meinem Geschäft. Ab und an halten hier die Leute an, lassen sich eine Batterie auswechseln und wollen mit mir über die alten, legendären Spiele reden. Wir waren die erste deutsche Mannschaft, die den Europapokal gewonnen hat. Das macht mich natürlich stolz. Leider sind nur noch sechs von unserer alten Truppe übrig, und dem Rudi (Assauer/Anm. d. Red.) geht es nicht besonders gut.
Damals war Ihr BVB um Trainer „Fischken“ Multhaup gegen den FC Liverpool von Trainerlegende Bill Shankly krasser Außenseiter, wie sehen Sie die Ausgangslage im Viertelfinale?
Wir haben eine reele Chance, ins Halbfinale einzuziehen. Ich gehe davon aus, denn wir haben aktuell eine sehr spielstarke, gute Mannschaft mit absoluter Klasse.
Geht da noch mehr?
Warum nicht? Dieser Europapokal-Titel fehlt uns noch bin unserer Sammlung (lacht).
Das Viertelfinale fasziniert nicht nur wegen des Duells der Traditions-Klubs, sondern auch wegen Jürgen Klopp. Vergleichen Sie doch bitte ihn und seinen BVB-Nachfolger Thomas Tuchel.
Jürgen Klopp war damals ein Glücksfall für die Borussia, er hat sechseinhalb Jahre hundertprozentig gute Arbeit geleistet, hat aber auch gemerkt, wann es richtig war zu gehen. Thomas Tuchel hat die Mannschaft in meinen Augen weiterentwickelt, er scheint sich noch akribischer um die kleinste Kleinigkeit zu kümmern. Er ist an der Seitenlinie vielleicht nicht ganz so explosiv wie Jürgen Klopp (lacht).
1971 mussten Sie Ihre Karriere nach mehreren Meniskusrissen beenden...
Heute ist das ja keine große Sache mehr, da sind die Profis nach einer Arthroskopie zwei Wochen später wieder auf dem Platz. Aber damals war das eine schwere Verletzung. Ohnehin war das professionelle Umfeld heutiger Prägung noch nicht vorhanden. Stellen Sie sich vor, früher durften keine Spieler ausgewechselt werden, man durfte zwischendurch nichts trinken. Was haben wir uns manchmal gequält.
Und das Europapokal-Finale am 5. Mai 1966 in Glasgow ging in die Verlängerung...
Und es war kalt und hat geregnet, im Hampden Park war sehr schweres Geläuf. Einige von uns sind nach den 120 Minuten nur noch herumgehumpelt, hatten Krämpfe. Wir waren einfach platt. Eigentlich ist uns erst später bewusst geworden, vielleicht beim großen Empfang mit Autocorso in Dortmund, dass wir Historisches geleistet hatten.
Sie wurden im Finale als "Turm in der Schlacht" bezeichnet...
Ich habe diese Spiele geliebt, wo es ums Kämpferische ging. Ich war nicht das große Talent, sondern musste mir jeden Schritt in meiner Karriere von meinem Heimatverein TuS Bigge zum VfL Schwerte, von Kaiserau nach Duisburg zur Westfalenauswahl und schließlich in die Stammelf des BVB hart und mühselig erarbeiten.
Hatten Sie nicht auch ein Angebot von der Insel?
Ja. In England habe ich meine besten Spiele gemacht. Natürlich war das Finale gegen Liverpool das größte Spiel meiner Laufbahn, aber persönlich habe ich im Halbfinale gegen West Ham United besser gespielt. Die Engländer hatten offenbar Spaß an mir, wollten mich verpflichten, aber das kam für mich nicht in Betracht.
FOTOSTRECKE
Bildergalerie
Europa League, Viertelfinale: BVB - FC Liverpool 1:1 (0:1)
Bilder der Europa-League-Partie zwischen Borussia Dortmund und dem FC Liverppol.
Sie haben damals parallel zum Fußball noch eine Uhrmacher-Meisterlehre absolviert und für die „Helden von Glasgow“ goldene Siegerringe mit der Gravur „Europapokalsieger 1966“ entworfen...
... oder wahlweise Manschettenknöpfe, die sind heute wieder schwer in Mode.
Hätten Sie im Falle eines Europapokal-Triumphs 2016 etwas Ähnliches auf Lager?
Ach wissen Sie, mit solchen Geschenken kann man heute wohl keinen der Spieler mehr glücklich machen.