In die Winterpause geht Borussia Dortmund mit einem voll beschriebenen Aufgabenheft und der Ungewissheit, ob sich die Fülle der Probleme in einer knapp dreiwöchigen Vorbereitung lösen lassen. Wer wollte, der konnte den letzten sportlichen Pflichttermin des Jahres am Samstag in Bukarest als Spiegelbild einer durchwachsenen Hinrunde – und eines insgesamt durchwachsenen Fußballjahrs 2022 zu den Akten legen.
Klarer Auftrag für die BVB-Profis
Auch wenn unübersehbar – und in gewisser Weise verständlich – war, dass sich die mit einigen U23-Akteuren verstärkte BVB-Mannschaft nach einer noch nie dagewesenen Hatz durch die Spiele nicht mehr zerreißen konnte und wollte, gab doch vor allem die mit reichlich Profis bestückte Mannschaft beim 0:2 gegen den AC Florenz ein Bild ab, das viele Probleme der Hinrunde in sich vereinte.
Das Kurzturnier im Osten Europas war nun ein Pflichttermin ohne großen sportlichen Wert, zumal etliche Akteure noch fehlten. Ab dem 2. Januar, wenn dann jetzt noch verletzte, geschonte und noch bei der WM im Einsatz befindliche Spieler wieder gemeinsam auf dem Rasen stehen, gibt es allerdings keine Ausreden mehr. Dann geht Borussia Dortmund mit dem klaren Auftrag in die Rest-Saison, einiges anders und vieles besser machen zu müssen.
BVB kassiert zehn Niederlagen in 32 Spielen
Übers Jahr gesehen haben sich auch nach dem großen Umbruch im Sommer schon länger bekannte Probleme noch weiter verfestigt. Sorgte im Frühjahr vor allem das in den Pokalwettbewerben unzureichende Auftreten für Enttäuschung und Frust, zerstörten in der zweiten Jahreshälfte die großen Schwankungen in der Liga die nach dem Trainerwechsel zu Edin Terzic aufgekommene Euphorie. In der Jahrestabelle ist der BVB nur Dritter hinter den Bayern und RB Leipzig, er schleppt vor allem zehn Niederlagen in den 32 Bundesliga-Partien des Kalenderjahrs mit in die Pause. Die Bayern gewannen nur einmal häufiger als der saisonübergreifend 19 Mal siegreiche BVB, aber sie verloren nur vier Partien.
Inkonstanz in den Leistungen, die zu große Zahl an gravierenden individuellen Fehlern, zu wenig Gegenwehr und Aufbäumen nach Rückständen führten zu einem ungesunden Auf und Ab. Die Trainer Marco Rose und Edin Terzic hatten mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Behoben geglaubte Schwierigkeiten brachen wieder auf, wie die Flut an zu einfachen Gegentoren.
BVB trennt sich nach nur einem Jahr von Marco Rose
Die Analyse der ersten – und einzigen – Rose-Saison in Dortmund führte im Mai nicht nur zur Trennung von dem Trainer, den man kaum ein Jahr zuvor mit großem finanziellen Aufwand aus Gladbach losgeeist hatte. Sie beschleunigte auch den ohnehin angezeigten Umbruch. Selten in der jüngeren Vergangenheit hat die sportliche Führung der Borussia das Gefüge in nur einer Transferperiode so massiv auseinandergerissen, zehn Spieler kamen, zehn verließen den Klub.
Doch der neue Geist, der Einzug halten sollte, mit mehr Hingabe zum Klub, mehr Widerstandskraft gegen aufmüpfige Gegner, er verzog sich nach einem sehr vielversprechenden Auftakt schnell wieder in seine Flasche. Am Ende kämpften viel zu viele Spieler mit eigenen Problemen – und Terzic, nicht als Heilsbringer, sondern als Konzepttrainer angestellt, musste konstatieren, wie schwierig ein Umbruch bei gleichzeitiger Pflicht zu konstant positiven Ergebnissen sein kann. Geahnt hatte er es wohl vorher schon.
BVB-Boss Watzke stärkt Terzic den Rücken
Noch lässt sich viel korrigieren, hat Terzic gesagt und nicht zu Unrecht auf die 19 verbleibenden Bundesliga-Partien und den noch geringen Abstand nach oben verwiesen. Von oberster Stelle erfuhr er Rückendeckung, als Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke unlängst erst den Vereinsmitgliedern und dann den Aktionären versprach, dieser BVB werde sich erneut „ganz sicher“ für die Champions League qualifizieren.

Watzke, mit spektakulären Personalwechseln in den Verbandsgremien DFL und DFB nun offiziell mächtigster Funktionär im deutschen Fußball, hat sich damit weit aus dem Fenster gelehnt. Wer die Wankelmütigkeit dieses Kaders miterlebt hat, der wird ihm in der Argumentation nicht automatisch folgen, auch wenn in der Tat nur schwer vorstellbar ist, dass die Qualität dieser Mannschaft nicht mindestens für Platz vier ausreichen sollte.
Beim BVB stehen Terzic und Kehl im Blickpunkt
Der Druck ist in jedem Fall immens, für alle Beteiligten. Watzke hat sich bedingungslos vor seinen Wunschtrainer Terzic gestellt, der eine Jobgarantie unabhängig von Resultaten bekommen hat. Der 40-Jährige kämpft erkennbar tagtäglich darum, das in ihn gesetzte Vertrauen zurückzuzahlen. Als Reaktion auf die Leistungen der Hinrunde wird Terzic auch Umgang und Ton zur Mannschaft sowie sein erstes halbes Jahr als Cheftrainer selbstkritisch hinterfragen müssen. Auch der neue Sportdirektor Sebastian Kehl steht im Blickpunkt. Er hat die notwendigen Veränderungen mit bemerkenswerter Konsequenz vorangetrieben, nicht jede seiner Personalmaßnahmen hat schon Früchte getragen.
So bleibt zu hoffen, dass die Pause ausreicht, um sich neu zu fokussieren. Mehr Biss, mehr Zusammenhalt, mehr Konzentration, mehr Gegenwehr – das müsste im Resultat bessere und konstantere Ergebnisse bringen. Die Anforderungen an den Kader sind ziemlich klar definiert.
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