BVB-Profi Erling Haaland (l.) und Julian Brandt. © Ralf Ibing/firo Sportphoto/POOL
Borussia Dortmund
Tore am Fließband: Ballert sich der BVB so zum Titel?
Viermal jubelten die Schwarzgelben beim Derbysieg gegen Schalke. Im Schnitt erzielt der BVB knapp drei Treffer pro Partie. Geht das so weiter, winkt ein Rekord – und der Titel?
Es lag nicht am großzügigen Hygiene-Abstand der Schalker Abwehrspieler, dass Borussia Dortmund am Samstag beim Re-Start der Bundesliga gleich wieder in die Vollen ging. Vier sehenswerte Tore erzielten die Schwarzgelben, trotz der zweimonatigen Corona-Zwangspause und der zwangsläufig eingerosteten Feinabstimmung lief das Offensivspiel wie am Schnürchen.
72 Tore nach 26 Spieltagen hatte der BVB nie zuvor auf dem Konto, den alten Höchstwert aus der Bundesliga-Saison 1963/64 hat die aktuelle Mannschaft deutlich übertroffen. Im Durchschnitt sind es 2,77 Treffer pro Partie, seit dem Winter sogar 3,44. Legt Dortmund bei der Torproduktion keine Pause ein, dann kratzt das Team am Saisonende an der 100-Tore-Marke – der bisherige Vereinsrekord steht bei 82 Treffern aus der ersten Saison unter Thomas Tuchel (2015/16).
BVB gegen Schalke: Lucien Favre hatte einen Plan – und der ging auf
„Wir wollten Fußball spielen, gute Aktionen haben, Tore schießen“, sagte Trainer Lucien Favre nach dem Derby. Das gelang in beeindruckender Weise. „Wir wollten die Konzentration hochhalten, im Spiel bleiben mit dem Kopf. Das haben die Spieler gut gemacht.“
Es gibt viele Gründe für Borussia Dortmunds Turbo-Offensive. Eines der Merkmale dieser Mannschaft ist sicher, dass immer mehrere Top-Torschützen die volle Aufmerksamkeit des Gegners beanspruchen. Selbst wenn Garanten wie Marco Reus oder Jadon Sancho nicht auf dem Rasen stehen. Der BVB ist der einzige Bundesligist, für den schon drei Spieler im zweistelligen Bereich getroffen haben: Jadon Sancho (14 Tore/16 Vorlagen), Marco Reus (11/6) und Erling Haaland (10/3). Haaland trifft alle 60 Minuten, Sancho alle 129 Minuten und Reus alle 135 Minuten. Hinzu kommt als zweitbester Scorer Thorgan Hazard (6/11), außerdem entfacht die Borussia massiven Druck über die Flügel, auch Achraf Hakimi (3/10) und Raphael Guerreiro (7/3) liegen bei den Torbeteiligungen im zweistelligen Bereich.
BVB feuert aus allen Richtungen
Der BVB feuert dabei aus allen Richtungen – und das herausragend effizient. In der Rückrunde reichten weniger als vier Torschüsse für einen Treffer (123 Torschüsse, 31 Tore), das ist ligaweit mit Abstand die beste Marke. Drei von vier Großchancen, die der Daten-Dienstleister Deltatre für die Dortmunder notiert hat, landeten im Netz. Favres Mannschaft ist zielsicher und kaltschnäuzig.
Einen Hintergrund liefert dabei ein Credo des Trainers: den Abschluss erst suchen, wenn die Wahrscheinlichkeit eines Treffers auch wirklich hoch ist. Wilde Flanken in die Mitte, Distanzschüsse als Kick der guten Hoffnung – schätzt Favre nicht sonderlich, und seine Mannschaft hat es verinnerlicht.
Borussia Dortmund verschmäht Standardsituationen
Bemerkenswert obendrein: Für ihre Tor-Orgien verschmäht der BVB sogar die bei der Konkurrenz äußerst hoch bewerteten Standardsituationen. 66 der 72 Treffer resultieren aus dem laufenden – oder besser: sprintenden Spiel. Anders gesagt: Kein Bundesligist unterbietet die sechs Standardtreffer des BVB. Lediglich ein Kopfballtor eines Innenverteidigers (Mats Hummels in Leverkusen) steht in der Statistik, auch das zentrale Mittelfeld könnte mehr Gefahr ausstrahlen.
Doch diese Defizite bleiben verschmerzbar, wenn die Angriffsmaschine läuft wie frisch geölt, selbst nach neun Wochen ohne Wettkampf. „Alle haben auf den Punkt eine sehr gute Leistung gezeigt“, sagte Sportdirektor Michael Zorc nach dem Derbysieg erfreut. „Ich muss der Mannschaft und dem Trainerteam ein großes Kompliment machen. Wir haben erkennbar unseren Fußball gespielt. Ich habe viele automatisierte Abläufe wiedererkannt.“
Favres Detailversessenheit ist ein Plus für den BVB
In eben diesen klar strukturierten und einstudierten Spielzügen liegt ein weiterer Schlüssel für den offensiven Output des Favreschen Fußballs. Mit Schweizer Gründlichkeit und Genauigkeit bimst der Trainer seinen Spielern die Positionen und Räume ein, die sie nutzen sollen. Da machen ein halber Meter Abweichung oder das falsche Spielbein beim detailversessenen Favre eine Menge aus. Bei Ballstafetten mit zehn Feldspielern und ohne Gegner werden diese Abläufe ziemlich nüchtern wiederholt. Das macht auf dem Trainingsrasen nicht immer Spaß. Doch wenn die Mannschaft seine Vorgaben beherzigt, kommt bei der immensen individuellen Qualität der Spieler so oft sehenswerter Fußball heraus. Offensiv, mit Tempo, trickreich, torgefährlich.
„Die Mannschaft hat trotz vieler Ausfälle sehr konzentriert und auf hohem Niveau gespielt“, befand BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. „Dafür gebührt ihr ein Kompliment.“ Setzt die in der Bundesliga-Rückrunde bislang bärenstarke Borussia ihren Trend fort, kann sie auch im Titelrennen mit dem FC Bayern München bestehen. Watzke meint: „Wenn wir unser Potenzial ausschöpfen, ist es schwer, uns zu schlagen.“
Da müsste erst einmal ein Gegner mehr Tore schießen als die Ballermänner vom BVB.
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