Aufgrund einer Schulter-Verletzung musste Steffen Tigges (25) fast drei Monate lang pausieren. Der ehemalige BVB-Spieler befindet sich aber bereits wieder im Mannschaftstraining des 1. FC Köln und hat eine kleine Hoffnung, beim Wiedersehen mit Borussia Dortmund (Samstag, 18.30 Uhr, Signal Iduna Park, live auf Sky) wieder zum Kader zu gehören, wie er im Interview erzählt.
Erst Osnabrück, jetzt Dortmund: Sind das Heimspiel-Wochen für Steffen Tigges, die Sie mit einem blutenden Herzen erleben?
In Osnabrück bin ich wie immer sehr gerne gewesen, dort habe ich ja acht Jahre lang für den VfL gespielt. Mein Herz hat nicht geblutet. Ich hätte lieber gespielt, aber nach der langen Verletzung kam eine Berufung in den Spieltagskader noch zu früh.
Ihre Mannschaftskollegen haben es spannend gemacht, im DFB-Pokal am Montagabend beim Zweitligisten erst nach Verlängerung mit 3:1 gewonnen.
Am Ende war es ein Kraftakt. Uns ist noch nicht alles gelungen, was wir uns vorgenommen haben und was uns als Mannschaft in den vergangenen Jahren stark gemacht hat. Im DFB-Pokal zählt aber erstmal nur, dass wir eine Runde weitergekommen sind. Jetzt geht die Bundesliga endlich wieder los!
Und zwar am Samstag in Dortmund, Ihrem anderen Ex-Verein, für den Sie drei Jahre lang gespielt haben. Wie fit und angriffslustig sind Sie, nachdem im Mai ihre Schulter ausgekugelt war und Sie operiert werden mussten?
Am Mittwoch habe ich zum ersten Mal das komplette Training mit der Mannschaft absolviert. Das hat mir richtig gutgetan. Die Wochen davor, als die Kollegen gespielt haben und ich noch allein für mich meine Läufe machen musste, weil die Schulter noch nicht belastet werden durfte – das war schwer für den Kopf. Doch das Ziel, wieder komplett fit zu werden, stand im Vordergrund.
Jetzt haben Sie zum zweiten Mal die Vorbereitung verpasst, nachdem 2022 das Sprunggelenk verletzt war. Wie ärgerlich ist das für Sie?
Es gibt ja nie einen guten Zeitpunkt für einen Ausfall. Aber wenn es gut läuft, verpasse ich in diesem Sommer im besten Fall nur zwei Pflichtspiele. Das ließe sich verschmerzen. Wichtiger ist mir, dass ich jetzt Vollgas geben kann. Zwischen Training und der ausreichenden Wettkampfhärte für Bundesliga-Spiele besteht ein großer Unterschied. Da muss ich bereit sein. Unser Stil verlangt hundertprozentige Intensität, da gibt es wenig Verschnaufpausen.
Hat Ihr Trainer Steffen Baumgart schon mal gesagt, dass Sie sich einen Laufweg sparen können?
So etwas in der Richtung habe ich tatsächlich noch nie von ihm gehört (lacht).
Das hätte mich auch gewundert. Unter Baumgart muss man hart arbeiten, oder?
Es gehört zu unserem Spiel, dass wir von vorne bis hinten mit der gesamten Mannschaft eine sehr hohe Gangart an den Tag legen. Das gilt dann auch für uns Stürmer. Wir sind die ersten Verteidiger, weil wir den Gegner sehr hoch attackieren wollen. Da braucht es absolute Frische von jedem, sonst funktioniert das nicht.
Die leidenschaftliche Arbeit gegen den Ball ist ein Merkmal des 1. FC Köln. Ein anderes sind Flanken: 17 Tore fielen so in der vergangenen Saison. Ein Fest für einen 1,94 Meter langen Stürmer, oder?
Das kommt mir entgegen, so kann ich der Mannschaft auch helfen. Doch es hat tatsächlich ein wenig gedauert, bis ich mich daran gewöhnt habe, dass so viele Bälle in den Strafraum fliegen. In den ersten Wochen stimmte mein Timing noch nicht. Mit vielen Übungen und Videostudium haben wir an meiner Positionierung und den Laufwegen gearbeitet, sodass es immer besser wurde.
Am Ende sind sechs Bundesliga-Tore bei 30 Einsätzen herausgesprungen, dazu noch ein Treffer im Europapokal. Zufrieden?
Sagen wir so: Ich bin nicht unzufrieden damit, wie es gelaufen ist. Ich habe mehr Spielzeit bekommen, als ich es erwartet hatte. Phasenweise habe ich getroffen, zwischenzeitlich gar nicht mehr. Es hätten auch zehn oder mehr Tore werden können bei einer besseren Chancenverwertung.
Ist das ihr Ziel für die nächste Saison?
Ich will mich jedenfalls nicht verschlechtern.
Mit mehr als zehn Toren wird man ja schon fast Torschützenkönig in der Bundesliga. Niclas Füllkrug reichten zuletzt 16 Treffer.
Ob das nochmal ausreicht… Da bin ich skeptisch. Bayern München hat da so einen neuen Stürmer verpflichtet. (lacht)
Was halten Sie von der Verpflichtung von Harry Kane? Was bedeutet es sportlich, wenn Englands Kapitän in der Bundesliga stürmt?
Kane gehört für mich seit Jahren zu den besten Torjägern der Welt. Er hat sehr konstant sehr viele Tore erzielt. Er wird die Bundesliga sicher bereichern und hat das Potenzial, 30 oder mehr Tore zu erzielen. Damit hätten die Bayern auch die Lücke geschlossen, die nach dem Wechsel von Robert Lewandowski entstanden ist. Ein Knipser vorne drin hat ihnen schon gefehlt.
Und wie beurteilen Sie den wirtschaftlichen Aspekt des Rekordtransfers mit mehr als 100 Millionen Euro Ablösesumme?
Da kann ich wenig zu sagen. Diese Beträge sind nur schwer zu begreifen. Die Münchner haben das Geld und sie geben es aus. Das ist das System. Wir müssen da nicht drumherum reden: Es gibt sicher viele soziale Bereiche, wo solche Summen besser aufgehoben und sinnvoller investiert wären.

Wenn Sie als Mittelstürmer Harry Kane und Borussia Dortmunds Sebastien Haller vergleichen, dann …
… muss ich zunächst sagen, dass ich sehr großen Respekt davor habe, wie Haller zurückgekommen ist. Die Nachricht von seiner Diagnose hat alle in der Bundesliga erschüttert. Es hat gutgetan zu sehen, wie feinfühlig und rücksichtsvoll mit ihm umgegangen wurde. Und sein Comeback hat eindrucksvoll gezeigt, was für ein fantastischer Fußballer er ist. Er kam zwar nach meiner Zeit zum BVB, aber wir haben ja zu seiner Ajax-Zeit mal gegen ihn gespielt.
Und zweimal verloren. Was zeichnet ihn aus?
Im Strafraum ist er ein absoluter Killer. Da braucht er nicht viel Platz und nicht viel Zeit, er setzt sich auf engstem Raum durch. Sein Abschluss ist sehr effizient, ob mit dem Kopf oder mit dem Fuß. Er ist in der Box nur ganz schwer zu kontrollieren und noch schwerer zu stoppen.
Was unterscheidet Kane von ihm? Was können Sie sich von beiden abschauen?
Harry Kane ist ein etwas anderer Spielertyp. Er kommt auch gerne mal aus der Tiefe und bereitet seine Chancen selbst mit vor. Das macht ihn schwer berechenbar. Seine Ausbeute in der Premier League (213 Tore und 50 Vorlagen in 320 Spielen, Anm. d. Red.) spricht für sich. Wer sich da auf höchstem Niveau dauerhaft durchsetzt, der gehört zur Weltklasse. Und um auf die Frage zurückzukommen: Bei Sebastian Haller und Kane kann man sich etwas abschauen.
Wer schießt in dieser Saison die meisten Tore beim 1. FC Köln, und wer in der Bundesliga?
Beim Torschützenkönig würde ich auf Kane tippen. Und bei uns nenne ich mal Luca Waldschmidt. Für uns ist Luca eine ungeheure Bereicherung in der Offensive.
Und was ist für den „Effzeh“ drin?
Wir waren Elfter und wollen uns nicht verschlechtern – erstmal ein Tabellenplatz in dieser Region. Und dann schauen wir, was noch möglich ist.
Ambitionen und Euphorie kennt man aus Köln. Zugleich muss der Klub immer wieder Leistungsträger ziehen lassen, wie Salih Özcan und Anthony Modeste oder jetzt Ellyes Shkiri.
Das ist Fakt und gehört für uns dazu. Gleichzeitig hat es Steffen Baumgart immer wieder geschafft, die vorhandenen Spieler zu verbessern oder unbekanntere Spieler zu neuen Leistungsträgern aufzubauen. Das ist unser Weg, von dem wir überzeugt sind und den wir weitergehen.
Zugespitzt formuliert: Der BVB hat vor einem Jahr 15 Millionen Euro für die Verpflichtung von Modeste versenkt und sucht jetzt wieder einen Stürmer, der größer ist als 1,80 Meter. Bereuen Sie Ihren Abschied aus Dortmund vor einem Jahr?
Nein! Aus verschiedenen Gründen nicht. Zum einen fühle ich mich hier in Köln sehr wohl. Mannschaft, Verein, Stadt – das passt alles. Und zum anderen hatte ich in Dortmund nicht diese Chance auf Einsatzzeiten. Ich bereue nichts und freue mich sehr auf das Wiedersehen am Samstag.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie im Kader stehen. Aber was, wenn nicht?
Dann komme ich trotzdem ins Stadion und drücke meiner Mannschaft die Daumen.