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Signal Iduna Park wird für den BVB ohne Fans zu einer teuren Immobilie
Borussia Dortmund
80.000 BVB-Fans strömen im Normalfall regelmäßig in den Signal Iduna Park. Seit März ist alles anders. Millionen Euro an Einnahmen fehlen. Die Kosten für die Immobilie laufen aber weiter.
Die gelben Pylonen des Signal Iduna Parks leuchten tagein, tagaus in den Himmel. Schaut her, sagen sie, hier ist das schwarzgelbe Zentrum der Stadt Dortmund. Doch um den Koloss aus Beton ist es einsam geworden. Denn es sind die Fans, die das größte Fußballstadion Deutschlands zum Leben erwecken. Und die waren, bis auf drei kleine Ausnahmen, schon sehr lange nicht mehr da. So ist Dortmunds Fußballtempel zurzeit vor allem eines: eine ziemlich teure Immobilie.
BVB-Organisationschef Christian Hockenjos: „Es ist traurig“
Verantwortlich für diese Immobilie ist Dr. Christian Hockenjos. Seit 25 Jahren steht er im Dienst von Borussia Dortmund. Anfang November beging der Organisations-Direktor und Stadion-Chef sein Dienstjubiläum beim BVB. Die Feier mit seinem ganzen Team fiel aus. Wie so vieles in diesem Jahr.
In einem Vierteljahrhundert für Schwarzgelb hat Hockenjos schon eine ganze Menge mitgemacht: Meisterschaften, Pokalsiege, Champions League. Er war dabei, als der BVB fast insolvent gegangen wäre. Er war 2006 dafür verantwortlich, dass die Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft reibungslos ablaufen. Und in den vergangenen Jahren hat er dafür gesorgt, dass das 1974 erbaute und für viele „schönste Stadion der Welt“ an der Strobelallee auf dem neusten Stand der Technik bleibt. Aber ein Jahr wie 2020 ist auch für den 57-Jährigen zu einer ganz neuen Herausforderung geworden. „Es ist traurig, diese Immobilie leerstehen zu sehen“, sagt Hockenjos im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten. „Denn dieses Stadion ist ein Ort, der vielen Menschen Freude bereitet.“
Die Einnahmen fehlen, die Kosten für das BVB-Stadion bleiben
Und ein Ort, der normalerweise viel Geld einbringt. An einem Spieltag nimmt der BVB in der Regel drei bis vier Millionen Euro ein - diese Summe setzt sich aus den Ticketverkäufen, Catering-Einnahmen und dem Verkauf von Merchandising-Artikeln in der Fanwelt zusammen. Im Schnitt kann der BVB 20 Heimspiele pro Saison planen. Die Verluste, dafür muss man nicht groß rechnen können, sind also enorm.

An einem Spieltag nimmt der BVB in der Regel drei bis vier Millionen Euro ein. © imago / Vitalii Kliuiev
Auf der anderen Seite stehen die Kosten, die für den BVB zu Buche schlagen, um das Stadion zu betreiben. Wenn es keinen Spielbetrieb gibt - oder einen Spielbetrieb ohne Fans - , dann fallen zwar einige Posten weg oder reduzieren sich zumindest - vor allem für Müllentsorgung, Ordnungsdienst und verschiedene technische Bereitschaftsdienste. Der Großteil aber bleibt. „Gut die Hälfte der monatlichen Kosten im Vergleich zum normalen Spielbetrieb müssen wir weiterhin für die Bewirtschaftung des Stadions tragen“, sagt Hockenjos. Konkrete Zahlen nennt er nicht, es handelt sich aber um eine deutliche sechsstellige Summe pro Monat.
Der größte Kostenträger für den BVB ist die Energie
Der größte Kostenträger ist die Energie. Im Signal Iduna Park werden, auch ohne Fans, täglich Strom, Wasser und Gas benötigt. Der Mittelpunkt des Stadions, der Rasen, muss weiterhin gepflegt werden. Wartungsverträge, die der BVB geschlossen hat, laufen weiter und ziehen möglicherweise auch Instandsetzungen nach sich. „Der Schornsteinfeger kommt trotzdem“, sagt Hockenjos.
In einem Bereich sind die Kosten seit der Corona-Pandemie sogar gestiegen. „Im Bereich Reinigung ist es teurer geworden“, erklärt Hockenjos. Das liegt vor allem an strengeren Hygienevorschriften. So hat der BVB 100 Desinfektionsspender angeschafft und einen sechsstelligen Betrag für Plexiglas ausgegeben, um Abtrennungen an verschiedenen Stellen des Stadions zu schaffen - vor allem in Hinblick auf eine Teilrückkehr der Fans, wie sie aber bislang nur für drei Spiele möglich gewesen ist.
Viel Arbeit für das BVB-Technikteam im Signal Iduna Park
Das zehnköpfige Technik-Team des BVB, das für das Stadion verantwortlich ist und zu dem unter anderem zwei Elektriker, ein Maurer, ein Maler, zwei Schlosser und ein Sanitärinstallateur zählen, hat weiterhin genug zu tun. Selbst während des Lockdowns im Frühjahr, als der Spielbetrieb in der Bundesliga komplett ruhte, habe das Team weitergearbeitet, das Stadion aufgeräumt und zuvor liegengebliebene Reparaturen vorgenommen, sagt Hockenjos.

Die Plätze auf den Trainerbänken im Signal Iduna Park sind durch Glasscheiben voneinander getrennt. © Christian Hockenjos
Und als im Mai klar war, dass im Signal Iduna Park wieder Fußball gespielt werden darf, musste umgerüstet werden. Auf der Trainerbank durften zu Beginn nur fünf Personen Platz nehmen. Die Auswechselspieler saßen deshalb auf der Tribüne - in den Blöcken 6 und 7. Also wurden die Sitze aus- und auf den Tribünen mit entsprechendem Abstand wieder aufgebaut. Mittlerweile sind alle Plätze auf der Trainerbank durch Glasscheiben voneinander getrennt.
Planungen für das BVB-Fan- und Jugendhaus liegen auf Eis
Mehr als die Corona-bedingten Umbauten und die unbedingt nötigen Instandsetzungen sind im Signal Iduna Park aktuell aber nicht drin. In den vergangenen Jahren hatte der BVB die Sommerpause genutzt, um aufwendigere Bau- und Modernisierungsarbeiten in Millionenhöhe vorzunehmen. Weil Borussia Dortmund aber aufgrund der Corona-Pandemie in allen Bereichen zum Sparen gezwungen ist, wurden auch die geplanten Maßnahmen am Stadion verschoben.
Ursprünglich sollten in diesem Sommer knapp vier Millionen Euro ins Stadion fließen. So wollte der BVB unter anderem die Drehkreuze, die den Einlass der Fans ins Stadion regeln, erneuern, die IT-Struktur verbessern, die grauen Querträger, an denen das Stadiondach hängt, sanieren und - wie schon in den Jahren zuvor - eine halbe Million Euro in die Modernisierung der Stadiontoiletten investieren. Alle Maßnahmen sind nun auf den nächsten Sommer verschoben. Auf Eis liegen zurzeit auch die Planungen für das Fan- und Jugendhaus, das der BVB in Stadionnähe bis zur EM 2024 errichten möchte. Und was ist, wenn der BVB auch in den nächsten Jahren weiter sparen muss? „Modernisierungsarbeiten können wir immer nach hinten schieben“, sagt Christian Hockenjos. „Aber wenn es im Stadion um Substanz und Sicherheit geht, dann werden wir das Geld auch investieren.“
Ein Großteil der Events im Signal Iduna Park ist ausgefallen
Die Heimspiele der BVB-Profis sind im Signal Iduna Park zwar die mit Abstand wichtigste Einnahmequelle. In den vergangenen Jahren hat der BVB mit der Vermietung bestimmter Stadionbereiche aber noch ein weiteres Geschäftsfeld geschaffen. 580 Veranstaltungen führt die BVB Event & Catering GmbH pro Jahr im Signal Iduna Park durch: Tagungen, Messen, Firmen- und Weihnachtsfeiern, Privatfeiern, Abibälle. Zu den größten Veranstaltungen zählen die jährliche Erstsemesterbegrüßung der Technischen Universität Dortmund mit 4000 Menschen und die Weihnachtsfeier der Fanabteilung mit 2000 Gästen. Diese fielen in diesem Jahr ebenso aus wie etliche weitere Veranstaltungen.
140 Events konnten bislang in diesem Jahr umgesetzt werden, teilte Christina Becker (BVB Event & Catering GmbH) auf Anfrage der Ruhr Nachrichten mit - der Großteil nur im kleinen Rahmen unter Corona-Auflagen. Die Event-Abteilung ist auch für die Stadiontouren verantwortlich. 150.000 Menschen nehmen üblicherweise pro Jahr an einer Führung durch den Signal Iduna Park teil. 2020 waren es bislang nur 40.000 Menschen - die Corona-konform (ohne Guide) durchs Stadion spaziert sind. Aber auch das ist durch die aktuellen Beschränkungen nicht mehr möglich. Zur Höhe der Verluste will der BVB keine genauen Angaben machen. Ob die geplanten Veranstaltungen für Dezember stattfinden können, hängt von den Entscheidungen der Politik ab.
Fan-Rückkehr: Borussia Dortmund ist vorbereitet
Und auch, wann das nächste Mal 80.000 Fans den BVB in „ihrem“ Stadion anfeuern dürfen, steht nach wie vor in den Sternen. Im Moment ist nicht einmal sicher, wann überhaupt wieder Fans bei Bundesliga-Spielen zugelassen sind. Im Jahr 2020 höchstwahrscheinlich nicht mehr.
Sollte es aber soweit sein, ist der BVB vorbereitet. Die Spiele gegen Borussia Mönchengladbach mit 9300 Fans und den SC Freiburg mit 11.500 Fans hätten gezeigt, dass das vorbereitete Konzept zur Fan-Rückkehr funktioniere, sagt Hockenjos. Das sei auf eine gute Umsetzung aber auch auf die Disziplin der Fans zurückzuführen. „Wir sind in unserer Hoffnung bestätigt worden, dass die Menschen das Thema ernst nehmen.“ Nur ein einziger Corona-Fall trat in diesem Zusammenhang auf, ein Fan war beim Spiel gegen Gladbach dabei, ohne zu wissen, dass er mit Corona infiziert ist. Angesteckt hatte er im Stadion niemanden.
Hoffnungen liegen beim BVB auch auf technologischen Entwicklungen
Der BVB setzt seine Hoffnungen auch auf technologische Entwicklungen. „Wir sind da sehr offen“, sagt Hockenjos. Vielleicht werde bald etwas entwickelt, das Spiele mit mehreren Zehntausend Zuschauern wieder ermögliche. Denn auch wenn die Spiele gegen Gladbach und Freiburg „gut für die Seele“ gewesen seien, „kostendeckend waren sie mit Blick auf die rein durch Zuschauer verursachten Einnahmen nicht.“
Liebt geschriebene Worte, wollte deshalb nie etwas anderes als Journalistin werden. 1989 geboren im Schwarzwald, aufgewachsen im Sauerland, heute in Dortmund zu Hause. Erzählt seit 2013 die Geschichten dieser Stadt, ihrer Menschen und ihres schwarzgelben Fußballklubs.
