Exakt 154 Eckstöße hatte Borussia Dortmund in dieser Bundesliga-Saison zugesprochen bekommen, die drittmeisten in der Bundesliga. Mit der daraus entstandenen Gefahr lag der BVB allerdings nur auf Rang 14. Da lag viel Potenzial brach. Das dürfte sich seit Sonntagabend geändert haben: Zwei Ecken von Innenverteidiger Nico Schlotterbeck, der ansonsten eher für die Verwertung der Hereingaben zuständig ist, führten zu Toren von Emre Can (42.) und Maximilian Beier (72.), der beim 3:1 gegen den FSV Mainz 05 auch das 1:0 (39.) erzielt hatte.
BVB-Verteidiger Schlotterbeck als stärkster Linksfuß
Zu Beginn der Saison durften sich Julian Brandt und Pascal Groß den Ball zurechtlegen, die es mit viel Effet und wenig Erfolg versuchten. Nach langem Drängeln stieg Julian Ryerson in der Hierarchie der Standardschützen nach oben, mit mehr oder weniger Geschick. Auf die Idee, Schlotterbeck als stärksten Linksfuß damit zu beauftragen, die Bälle von der rechten Eckfahne mit Karacho vor die Kiste zu schlagen, will dann Niko Kovac gekommen sein.
Wie Borussia Dortmunds Trainer berichtete, „haben sich da viele die Augen gerieben“, aber das Ergebnis gebe ihm Recht. Dieser Kniff habe gegen Mainz „das Spiel in unsere Richtung gedreht“. Das war willkommen und hilfreich, zumal in den vorherigen Bundesliga-Partien gegen Augsburg und Leipzig ausgerechnet Gegentore nach ruhenden Bällen so viel Ungemach bereitet hatten.
„Nico hat in seinem Leben womöglich das erste Mal eine Ecke geschossen, und das sehr erfolgreich. Wir haben das die Woche über trainiert und es ist sehr gut aufgegangen“, kommentierte Sportdirektor Sebastian Kehl die Innovation im laufenden Betrieb. Schlotterbeck, in vielerlei Hinsicht ein beispielgebender Borusse in dieser Achterbahn-Saison, hatte in der Woche im Training geübt, weil ein anderer Linksfuß, Daniel Svensson, zeitweise ausfiel. „Im Training haben die Ecken tatsächlich sehr gut funktioniert. Und im Spiel habe ich einfach probiert, so wie im Training die Bälle zu schlagen.“
BVB wirkt bei Standards gefestigter
Zwei der fünf „Versuche“ führten gleich zu Toren bei der Premiere als Eckenschütze im 149. Bundesliga-Spiel, scharf getreten mit viel Zug und einer flachen Flugkurve. Nicht nur Standard-Coaches wie Alex Clapham beim BVB oder Mads Buttgereit beim DFB werden daran ihre Freude gehabt haben und auf Wiederholung pochen. Für Nebenmann Waldemar Anton war gleich klar: „Wenn er es weiter so gut macht, dann kann er auch immer die Ecken schießen.“
Gerade in Partien, in denen die spielerische Linie eher gestrichelt daherkommt und Intensität, Zweikampfhärte wenige einzelne Momente den Ausschlag geben wie beim Armdrücken in der Fußballversion am Sonntagabend können ruhende Bälle den Unterschied ausmachen. Defensiv wirkten die Schwarzgelben hier gefestigter, bis es vor der Länderspielphase zweimal hinten einschlug. Jetzt wirkte der gegenteilige Effekt.
BVB setzt auf Standards von „Schlotter-Eck“
Das 3:1 gegen die diesmal weniger griffigen Mainzer, wenn man so will das erste von acht Endspielen um die Chance auf eine Europapokalteilnahme auch in der kommenden Saison, hat den Borussen gut getan und einen zarten Schutzmantel um das angegriffene Nervenkostüm gelegt. Mit der Antwort auf die auch von ihm gestellte Mentalitätsfrage war Sportdirektor Kehl einverstanden. „Ich bin zufrieden mit der Reaktion. Aber wir wissen trotzdem, dass wir in den nächsten Wochen nachlegen müssen.“ Standards à la „Schlotter-Eck“ könnten dabei helfen.
Doch daraus wird am kommenden Samstag im Spiel beim SC Freiburg zunächst nichts. Ausgerechnet beim Ex-Klub fehlt Schlotterbeck, der sich in den Schlussminuten seine fünfte Gelbe Karte abholte – nach einer Ampelkarte und einmal Rot die dritte Sperre der Saison, einer der wenigen Makel des Abwehrchefs.