Natürlich war es viel zu kurz gegriffen, die Berechtigung der Verhandlungen mit Marco Reus über eine Ausdehnung seines auslaufenden Vertrags ausschließlich an dessen Auftreten vor allem bei dem 3:3 in Stuttgart festzumachen. Dass aus dem bald 34-Jährigen kein Abräumer mehr wird, der grätscht und der Zweikämpfe durch reine Physis für sich entscheidet, dürfte allen klar sein, die seinen Weg seit Jahren verfolgen. Reus bringt andere Attribute mit, er ist immer noch einer der torgefährlichsten Offensivspieler in den Reihen der Borussia. Seine Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor wird dem BVB auch weiterhin gut tun. Man weiß, was man von ihm bekommt – und was nicht.
Reus sitzt die jüngere BVB-Generation im Nacken
So ist die Einigung über ein neues, ein Jahr laufendes Arbeitspapier am Ende eine Win-Win-Situation. Reus in einem anderen Trikot und einem gar völlig fremden Umfeld wie bei den absurden Gerüchten über ein Interesse des Ronaldo-Klubs Al-Nassr – das ist kaum vorstellbar und rief im Januar bei den Klubverantwortlichen der Borussia allenfalls ein müdes Lächeln hervor. Er selbst wird mittlerweile reif genug sein, um diesen Gedanken erst gar nicht weiter zu vertiefen.
Reus hingegen weiter in Schwarzgelb, davon kann er, aber davon kann durchaus auch der BVB noch profitieren. Obwohl ihm die jüngere Generation im Nacken sitzt und so langsam an ihm vorbeizieht, was durchaus wortwörtlich zu sehen ist, denn Tempo ist im modernen Fußball ein hohes Gut. Auch Borussia Dortmund setzt künftig auf beiden Außenbahnen auf dribbelstarke, vor allem aber schnellere Akteure als Reus es noch ist.
Reus verlängert beim BVB zu reduzierten Bezügen
Reus wird seine Rolle auf dem Platz also finden müssen und vielleicht so hart wie nie um Einsatzzeiten kämpfen müssen. Eine Stammplatzgarantie darf er nicht erwarten, er wird damit leben müssen, wie aktuell gerade in einigen und auch in wichtigen Partien vielleicht nur auf der Bank zu sitzen.
Dass der BVB die Verkündung seiner Vertragsverlängerung auch mit einer reichhaltigen Portion Romantik verbindet, kann man dem Klub nachsehen. Mehr Identifikation mit Dortmund lässt sich im Kader kaum finden, mehr Verbundenheit mit der Region und der Borussia wohl auch nur bei wenigen anderen Kollegen. Und mit seiner Unterschrift akzeptiert der gebürtige Dortmunder auch, dass er dem BVB ein gutes Stück entgegen kommen musste, wenn sich der Traum von einem Karriereende in Schwarzgelb verwirklichen soll. Reus hat lange sehr gut verdient beim BVB, er wird auch mit den deutlich reduzierten Bezügen nicht am Hungertuch nagen.
Bleibt Marco Reus BVB-Kapitän?
Für Borussia Dortmund und Sportdirektor Sebastian Kehl ist es positiv, noch vor dem Titelendspurt Klarheit in einer Personalie herbeigeführt zu haben, die vielleicht sportlich nicht mehr ganz oben auf der Prioritätenliste angesiedelt war. Die Symbolkraft einer Trennung von Reus, ohne dass er sein Karriereende verkündet hätte, wäre nicht zu unterschätzen gewesen. Außerdem ist der Mittelfeldspieler immer noch locker in der Lage, als Torschütze oder Vorbereiter in der Summe auf zweistellige Werte zu kommen. So einen Spieler neu hinzuzuholen, hätte einen tiefen Griff in den Geldbeutel bedeutet. Es ist also eine gute Vereinbarung – für beide Seiten.

Spannend wird sein, wie Reus über seine Rolle als Kapitän denkt. Den Staffelstab symbolisch noch als aktiver Spieler an einen Nachfolger zu übergeben, sollte zumindest eine Überlegung sein.
Video-Analyse zur Reus-Verlängerung – BVB plant die neue Saison: RN-Talk unserer Reporter
Marco Reus verlängert seinen Vertrag beim BVB: „Große Lust auf den Verein“
Neuer Vertrag für BVB-Kapitän Marco Reus?: Die Dortmund-Fans haben eine klare Meinung