Proteste beim BVB und in der Bundesliga Investor-Pläne der DFL mit schlechten Vorzeichen

Proteste beim BVB und in der Liga: Investor-Pläne der DFL mit schlechten Vorzeichen
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Auf den ersten Blick wirken die Zahlen verlockend, das Angebot unmoralisch gut: Bis zu drei Milliarden Euro verspricht sich die Deutsche Fußball Liga (DFL) vom Einstieg eines strategischen Partners. Der Investor soll für eine Zeitspanne von 20 bis 30 Jahren eine Minderheitsbeteiligung zwischen 12,5 und 20 Prozent an einer Tochtergesellschaft der DFL erhalten, in der die Vermarktung der Medienrechte gebündelt wird – und entsprechend an den erwarteten Einnahmen beteiligt werden. Doch Vorsicht ist geboten!

Die Erwartungen der Bundesliga lassen sich klar umreißen. Mit dieser gewaltigen Finanzspritze könnten dringend fällige Investitionen getätigt werden. Digitalisierung, internationale Vermarktung – hier zapft die DFL nur einen Bruchteil der Erlösquellen an, die Experten aufzeigen. Gerade im Ausland haben die Deutschen den Trend wider besseres Wissen ein Jahrzehnt lang verschlafen. Die Premier League sammelt international mit zwei Milliarden Euro zehnmal mehr Geld ein, auch die spanische La Liga mit knapp einer Milliarde Euro fast fünfmal so viel.

Viele Fragen sind noch ungeklärt

Neue Märkte, neue Zielgruppen – diese Strategie entspringt auch der Einsicht, dass Europas Top-5-Ligen in ihren nationalen Märkten kaum noch Wachstumspotenzial in Aussicht haben. Um in aller Welt auf Kundenfang zu gehen, fehlen allerdings Kompetenz und Know-how bei der DFL. Auch hier soll ein strategischer Partner weiterhelfen, um Digitalstrategien zu entwickeln, neuen relevanten Content zu identifizieren, eigene Streaming-Plattform aufzubauen. Sprich: Die Bundesliga als hübsche Braut zu verkaufen.

Geht die Wette auf, können die deutschen Klubs im europäischen Wettbewerb auch in Zukunft mindestens mithalten. Die Engländer sind zwar wirtschaftlich weit enteilt, aber mit Spaniern oder Franzosen, die vergleichbare Investoren-Deals bereits abgeschlossen haben, könnte man finanziell weiter konkurrieren. Und vielleicht die Lücke zur Premier League zumindest etwas schließen. Doch weiter offen sind die Fragen, die auch in der Fanszene für Unruhe sorgen: Wie viel Mitspracherecht bekäme ein DFL-Partner? Welche Einflussnahme könnte er durch seinen Einstieg geltend machen? Welche Gewinnziele müssten zugesichert werden?

Auch wenn die DFL in der nächsten Ausschreibung der Rechteperiode bisher keine weiteren Anstoßzeiten vorsieht, wäre hier nicht das letzte Wort gesprochen. Wer sich aktuell mit den Abos für Sky, DAZN und Prime Video eindeckt, zahlt monatlich schnell 50 Euro und mehr. Hier könnte die Schmerzgrenze noch weiter ausgereizt werden. Denn wer auch immer sein Geld in der Bundesliga investiert: Er wird dies nicht aus Nostalgie tun, sondern um Profit zu machen. Von einer Rendite im zweistelligen Bereich ist die Rede. Bisher sind sechs Interessenten aus den USA, England, Luxemburg und Schweden publik geworden (CVC, Advent, Blackstone, Bridgepoint, EQT und KKR), sie sollen bei der Deutschen Bank und der Investmentbank Nomura ihre Angebote hinterlegen.

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In Dortmund und vielen weiteren Stadien protestierte die Fanszene am Wochenende gegen die DFL-Pläne - was die TV-Bilder übrigens nicht dokumentierten. Die Kritik ist wesentlich differenzierter als eine pauschale Ablehnung einer weiteren Stufe der Kommerzialisierung. Neben den Sorgen um Anstoßzeiten, Fremdbestimmung, weniger Mitsprache in Fan-relevanten Themen oder der Verfestigung des wirtschaftlichen Ungleichgewichts benennen sie konkrete Ziele. National sollten die TV-Erlöse gerechter aufgeteilt werden, das „Financial Fairplay“ rigider durchgreifen, eine Gehaltsobergrenze eingeführt und das Mehrheitsmodell 50+1 ausgedehnt werden, steht im „Vorspiel“ von Borussia Dortmunds größter Ultragruppe „The Unity“.

„Im Extremfall spielen wir zukünftige Topspiele, wie in der ersten spanischen Liga bereits üblich, zur besten amerikanischen Sendezeit um 22.30 Uhr oder Spiele werden gar im Ausland ausgetragen, wenn dem Investor hierdurch weitere Erlösquellen eröffnet werden. Unklar ist zudem noch, ob der Investoren-Einstieg, wie von der DFL vorgebracht, überhaupt zu einer Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit führen würde“, argumentiert Claas Schneider, Sprecher der Fanvereinigung „Südtribüne Dortmund“, in der 31 Fanclubs, die Dortmunder Ultra-Gruppen sowie etwa 4000 Einzelpersonen organisiert sind. „Falls die Verteilung der erhofften Mehreinnahmen nämlich zugunsten der bereits leistungsstarken Vereine ausfiele, um diese in den europäischen Wettbewerben zu stärken, würde dies letztlich nur die weitere Verfestigung der bereits heute ungleichen Strukturen bedeuten. Mit der Folge, dass es für kleine Vereine noch schwieriger werden würde, die Lücke zu den Großen zu schließen.“

Gruppe der Bedenkenträger ist groß

Stattdessen solle lieber in Nachhaltigkeit des deutschen Fußballs, in Basis und Nachwuchs sowie die Steigerung der Attraktivität im eigenen Land investiert werden. Die Bundesliga punkte international mit vollen Stadien, toller Stimmung – und gefährde dies mit ihrer Anbiederung an Heuschrecken, die noch lange Anteile an der DFL besäßen, wenn die aktuellen Entscheider längst nicht mehr im Amt seien.

„Die Öffnung für Investoren – und insbesondere für Private-Equity-Gesellschaften, die nach maximalem Gewinn streben – birgt das Risiko, dass sie ihren Einfluss geltend machen, um Erlöse zu maximieren. Notfalls auch gegen die Interessen von Fans und Stadionbesuchern“ sagt Jan van Leeuwen, Vorstandsmitglied der Fan- und Förderabteilung des BVB e.V., die die Interessen von etwa 17.000 BVB-Mitgliedern vertritt.

Die Gruppe der Bedenkenträger ist groß, wie die vielen Plakate und Banner auf der Südtribüne am Samstag gezeigt haben. Wer die weit verbreiteten Vorbehalte gegenüber dem Verkauf potenzieller künftiger Einnahmen außer Acht lässt, der wird auch ligaintern genügend Spaltmaterial vorfinden. Frisches Geld ist noch längst nicht in Sicht, doch das Ringen um die Meinungshoheit und die Verteilungskämpfe haben bereits begonnen. Finanziell klamme Klubs, die teils selbstverschuldet und teils durch die Covid-Pandemie in eine wirtschaftliche Schieflage geraten sind, verheißt die Finanzspritze eine schnelle Gesundung. Nach Beispielen, dass neues Kapital keineswegs umgehend Erfolg einträgt, muss man allerdings nicht lange suchen: Oder haben der Hamburger SV und Hertha BSC permanent im Europapokal gespielt?

Bisher hat die Bundesliga als überwiegend solide finanzierter Wettbewerb gut daran getan, den ärgsten kommerziellen Auswüchsen zu trotzen, auf die 50+1-Regel ist man im Ausland trotz all ihrer Aufweichungen und Schwächen stellenweise neidisch. Ja, Geld erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Tore auf der richtigen Seite fallen. Aber spiegelte die Tabelle allein den Lizenzspieler-Etat, dürften Union Berlin und der SC Freiburg nicht zu den Topteams der Bundesliga gehören. Bei all den berechtigten Ressentiments gegenüber einem Konstrukt wie RB Leipzig: Es ist nicht davon auszugehen, dass auch alle anderen Bundesligisten ihr Kapital vergleichbar effektiv investieren.

Eine Verpflichtung sollte für alle DFL-Klubs daher die Investition in die Nachwuchsleistungszentren und die Ausbildung der nächsten Generationen von Fußballern sein. Das wäre der nachhaltigste und sicherste Wachstumsfaktor. Die großen Stars hält die Bundesliga nicht (lange), sie muss neue produzieren, und mit Vorbildern selbst für generationenübergreifende Reichweite sorgen. Doch derart konkret scheinen die Pläne der DFL noch gar nicht vorangeschritten zu sein. Die fehlende Transparenz gehört neben der katastrophalen Kommunikation über die Gedankenspiele schon jetzt zu den Geburtsfehlern der Pläne.

Während Kritiker eines möglichen DFL-Partners sogar hysterisch ein Verlustgeschäft skizzieren, muss ohne Zweifel an der Diversifizierung der Einnahmen gearbeitet werden. Der Anteil des Heimatmarktes an den gesamten Medieneinnahmen der Liga beträgt rund 86 Prozent, haben die Branchenanalysten von Spobis aufgelistet. Hier wird die gerade vorbereitete Rechteperiode (ab 2025/26) nach einem Jahrzehnt mit ausgeprägtem Wachstum (von 440 Millionen Euro in 2013 auf 1,1 Milliarden Euro in 2023) den verbreiteten Meinungen nach nicht für weitere Wachstumssprünge sorgen. Bei manchen Klubs macht die nationale mediale Vermarktung 50 Prozent des Etats aus. Das ist viel zu einseitig refinanziert, zumal das Eigenkapital der Klubs während Corona um 1,1 Milliarden Euro geschrumpft sein soll. Einen Puffer sucht man bei vielen Klubs vergeblich.

Wie ist die Haltung des BVB?

Die Rote Linie zieht der BVB-Chef und DFL-Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Joachim Watzke bei der von einigen Klubs angeregten Kreditaufnahme. Schulden für Spielergehälter und Beraterhonorare? In diese Falle darf die Bundesliga nicht tappen. Borussia Dortmund ist hier selbst ein gebranntes Kind. Darüber hinaus wird sich Watzke der Mehrheit beugen, hat er angedeutet.

Ob Borussia Dortmund wiederum von einem möglichen Investor profitiert, muss unabhängig von den letztendlichen Verteilungsschlüssen kritisch hinterfragt werden.

Die fremdfinanzierten Klubs in England oder Paris wird man wirtschaftlich nicht einholen. Sportlich ist der BVB auf dem Rasen bereits jetzt nicht so weit entfernt vom FC Chelsea wie auf der Payroll. Im nationalen Vergleich scheint der FC Bayern München entrückt. Mögliche Verfolger wird man spätestens mit der neuen Champions League und möglichen 40 Millionen Euro mehr per anno noch weiter auf Abstand halten. Die ungleichen Voraussetzungen werden also noch eklatanter, die Voraussetzungen im Rattenrennen unfairer.

Der BVB käme auch ohne einen DFL-Investor gut zurecht und muss daher besonders sorgfältig prüfen, welche Zugeständnisse er als börsennotiertes Unternehmen machen würde. Bleiben Restzweifel, sollte die Antwort zu einem DFL-Investor „Nein“ lauten. Bisher ist am Rheinlanddamm die strategische Maxime, größtmöglichen sportlichen Erfolg mit seriösem Wirtschaften zu vereinbaren, weitgehend aufgegangen. So gewinnt man vermutlich nicht die Champions League, behält aber sein Geschäft komplett selbst in der Hand.

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