Borussia Dortmund geht mit zwei Torhütern aus der Schweiz in die Saison. Torwarttrainer Patrick Foletti erklärt die Stärken und Schwächen seiner Schützlinge – und woran sie arbeiten müssen.
Patrick Foletti (44) hat sich als innovativer Torwarttrainer einen Namen gemacht. Der Chef der Schweizer Goalies kann in Dortmund jetzt zwei seiner Schützlinge gleichzeitig besuchen. Aber welcher Torwart ist besser, Roman Bürki oder Marwin Hitz?
Brauchen Sie bald eine Dienstwohnung in Dortmund?
Nein, ich bin ja immer viel unterwegs. Dortmund und Mönchengladbach gehören immer wieder zu den Reisezielen, da sehe ich dann unsere Nationaltorhüter Roman Bürki und Marwin Hitz beim BVB und Yann Sommer in Gladbach.
Welche Entscheidung von Marwin Hitz im Sommer hat Sie denn mehr überrascht: die Absage für die WM oder der Wechsel nach Dortmund?
Das waren auf den ersten Blick vielleicht zwei überraschende Entscheidungen. Als ein so großer Verein wie Borussia Dortmund angefragt hat, musste Marwin Hitz vermutlich weniger schlaflose Nächte verbringen, um zuzusagen. Ich würde daher sagen, dass mich die Absage an die Nationalmannschaft ein Prozent mehr überrascht hat.
Den Medien gegenüber hat er sich über die Hintergründe ausgeschwiegen. Wie hat er das intern begründet?
Wir hatten schon im März ein längeres Gespräch mit den Schweizer Torhütern und haben ihnen die Perspektiven aufgezeigt. Marwin Hitz hat mir dann in einem Telefonat im Mai kurz vor dem Trainingslager zur WM mitgeteilt, dass er verzichtet. Er hat das erklärt und ich habe es zur Kenntnis genommen. Seine Entscheidung habe ich respektiert – nachvollziehen konnte ich sie nicht in Gänze.

Patrick Foletti (r.) trainiert seit November 2011 die Torhüter der Schweizer Nationalmannschaft. Mit Yann Sommer, Roman Bürki und Marwin Hitz standen zuletzt regelmäßig drei Bundesligaprofis im Aufgebot. Diego Benaglio (2.v.r.) hat mittlerweile seine Nationalmannschaftskarriere beendet. © imago
Aber er bleibt ein Kandidat für die „Nati“?
Es ist klar, dass wir die Tendenz abwarten müssen bei ihm und bei anderen, wie regelmäßig sie zum Einsatz kommen. Spielpraxis ist ein wichtiger Faktor bei unseren Berufungen.
Ist Marwin Hitz denn als zweiter Torhüter in Dortmund überqualifiziert, oder ist er ein echter Herausforderer für Roman Bürki?
Er wird ein echter Herausforderer sein. Der BVB hat zwei Top-Torhüter, vielleicht eine Nummer 1a und eine 1b. Hitz wird seine Chancen bekommen. Beide Goalies haben ein ganz unterschiedliches Profil, aber im Grunde könnte man die Augen schließen und blind einen der beiden aufs Feld schicken, da bräuchte Lucien Favre auf der Trainerbank sicher keine Bauchschmerzen haben.
Haben Sie mit Favre und den Dortmundern über die Torhüter gesprochen?
Ich war in Bad Ragaz im Trainingslager und habe mit Favre und Torwarttrainer Matthias Kleinsteiber gesprochen. Es ist wichtig für mich, dass wir da in einem guten Austausch stehen. Aber es ist nicht meine Aufgabe, da Ratschläge zu erteilen: Die Entscheidung, wer beim BVB spielt, müssen die Vereinstrainer treffen.
In der Schweiz hatte Bürki bei Ihnen als Nummer zwei einen kleinen Vorteil vor Hitz als Nummer drei. Fragen wir mal so: Worin unterscheiden sich die beiden denn?
Roman Bürki hat sicher seine Stärken in der Torverteidigung. Er hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er tolle Paraden zeigen kann und auch im Eins-gegen-eins stark ist. Seine konditionellen Fähigkeiten sind herausragend. Was die Spieleröffnung angeht, vor allem auch mit dem Fuß, ist Roman Bürki sicher einen Tick besser als Marwin Hitz, was die Präzision und die Schärfe der Pässe anbelangt. Das wären einige Vorzüge für Roman Bürki.
Was kann denn Marwin Hitz besser?
Auf der anderen Seite sehe ich bei Marwin Hitz einen Pluspunkt in seinem reiferen Alter, in seiner Erfahrung und der größeren Gelassenheit. Er kann aufgrund seines Charakters die Emotionen besser kanalisieren. Torwartspezifisch kann er manchmal Situationen im Raum besser einschätzen, er hat wie Roman Bürki unglaubliche Reflexe und mit seiner Länge von 1.92 Metern kratzt er auch noch so manchen Ball von der Linie. Unsere Hierarchie ist klar und bekannt: Yann Sommer ist die Nummer eins in der Schweiz vor Roman Bürki, und Marwin Hitz wäre die Nummer drei gewesen bei der WM in Russland. Wie der BVB entscheidet, da sind wir in zwei Wochen schlauer.

154 Bundesligaspiele hat Marwin Hitz für den FC Augsburg und den VfL Wolfsburg absolviert. Im Sommer wechselte er zum BVB. © dpa
Roman Bürki hat in Dortmund herausragende Leistungen gezeigt, aber auch immer mal wieder Fehler eingestreut. Das hat ihn die verdiente Anerkennung gekostet. Von Experten wie Ihnen, hat er gesagt, nimmt er Kritik an. Wo kann er sich verbessern?
Er weiß selber, dass die letzte Saison Höhen und Tiefen hatte. Das ist genau der Punkt, an dem Roman arbeiten muss, und das weiß er auch selber. Da geht es um mentale Ausgeglichenheit, eine gewisse Gelassenheit inmitten all der Intensität, die es braucht, um konstant auf Top-Niveau zu agieren. Roman ist ein Torhüter, der mit den Emotionen spielt und sie braucht, um sich zu pushen und gut zu spielen. Er muss dazulernen, diese Emotionen besser zu verwalten und zu kanalisieren. Dann kommt er auch weg von den Schwankungen aus vielen Topleistungen und einigen Fehlern, wie er sie in der Vergangenheit gemacht hat. Das wäre der nächste Schritt.
Lucien Favre hat gesagt, der Torhüter sei für ihn der erste Aufbauspieler. Das spricht für Bürki, oder?
Ja. Man konnte schon in der Vorbereitung unter Favre sehen, dass die Torhüter stark in den Spielaufbau in der ersten Zone involviert sind. Das ist eine große Herausforderung! Es braucht gute Lösungen und schlaue Pässe, da hat Roman Bürki einen kleinen Vorteil. Aber Marwin Hitz ist unglaublich lernfähig und kann auch richtig gute Bälle spielen. Diese Spielweise war in Augsburg weniger gefordert. Aber er kann diesen kleinen Nachteil schnell aufholen.
Dortmund hat eine kleine Schweizer Kolonie aufgebaut mit den beiden Torhütern, Innenverteidiger Manuel Akanji und Trainer Lucien Favre …
Favre gehört zu den besten Exportschlagern, die wir im Fußball haben. Er ist ein außergewöhnlicher Trainer, auch die genannten Spieler sind herausragende Talente. Das hat Mutter Natur so eingerichtet. Wir freuen uns in der Schweiz, wenn wir Strukturen und ein Ausbildungssystem aufgebaut haben, in dem diese Talente auch gefördert werden und freuen uns, wenn sie sich dann auch international durchsetzen. Wenn sie in zwischendurch mal Schweizerdeutsch sprechen können, fühlen sie sich sicher auch in Dortmund heimisch.
Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.
