Da war alles noch wie immer: Am 29. Februar waren zuletzt 81.000 Menschen bei einem BVB-Heimspiel im Signal Iduna Park. © imago / Kirchner-Media

Borussia Dortmund

BVB-Fans auf Entzug: „Ohne Stadionbesuche bin ich unvollständig“

Fast ein Jahr ist es her, dass zuletzt 81.000 Menschen im Signal Iduna Park waren. Wie geht es den BVB-Fans ohne die Stadionbesuche? 09 Dauerkarteninhaber erzählen.

Dortmund

, 14.01.2021 / Lesedauer: 12 min

Es ist der 29. Februar 2020 an dem zum letzten Mal alles so ist wie immer. 24. Bundesligaspieltag, Heimspiel für den BVB im Signal Iduna Park gegen den SC Freiburg, 81.365 Fans sind dabei. Ausverkauft.

Die wenigsten dieser 81.365 Fans ahnten an diesem Tag, dass es für lange Zeit ihr letztes BVB-Spiel sein wird, dass sie in diesem Stadion sehen werden. Das letzte Mal, dass sie umgeben von 25.000 anderen auf der Südtribüne stehen werden. Das letzte Mal, dass sie ganz ungezwungen, ganz unbeschwert vor dem Spiel ein Bierchen trinken und mit ihren Freunden über das Wetter, die Aufstellung, das letzte Spiel sprechen werden.

BVB-Boss Watzke: „Atmosphäre deprimiert mich von Monat zu Monat mehr“

Bald jährt sich dieser Tag und abgesehen von drei Ausnahmen im Herbst, waren seither keine Fans mehr im Stadion an der Strobelallee zu Gast. Wann sie es wieder sein werden: Das weiß aktuell keiner.

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In einem Interview mit dem Kicker sprach BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke kürzlich über das, was er empfindet, wenn er zurzeit im Stadion sitzt.„Mittlerweile“, sagt er, „deprimiert mich die Atmosphäre von Monat zu Monat mehr. Es fehlt so viel von dem, was dich als Fußballfan ja auch ein Stück weit süchtig macht. Jetzt sitzt du in dieser sterilen Atmosphäre. Mit Abstand, mit Masken. Grauenvoll.“

Neun BVB-Dauerkarteninhaber erzählen, wie es ihnen geht

Es sind Gedanken, die viele Fans nachvollziehen können. Aber wie geht es den Fans, die teilweise seit Jahren und Jahrzehnten Dauerkarten haben, die an den Wochenenden nichts anderes kannten als „zur Borussia zu gehen“, die dort Freunde und Familie gefunden haben? Neun Dauerkarteninhaber haben uns ihre Gedanken erzählt:

„Ich denke jeden Samstag daran, dass ich jetzt im Stadion sein könnte“

Hennes Gibbels, 62, Südtribüne Block 11

Als Hennes Gibbels den BVB das erste Mal live spielen sah, gewann dieser 6:1 gegen den 1. FC Köln. Das Spiel lief im Stadion Rote Erde. Und Hennes Gibbels war von seinem Vater mitgenommen worden. Wie so viele andere Jungen auch. „Seitdem renne ich dahin“, sagt er. Eine Dauerkarte hat der 62-Jährige, der in Werne lebt, seit Ende der 80er-Jahre, „früher brauchte man die ja gar nicht“, und er hatte seinen Platz schon hier und da im Stadion. Seit ein paar Jahren ist er „zurück“ auf der Südtribüne. „Da, wo ich auch angefangen habe. Und das ist auch gut so, denn das Sitzen ist nicht so meins“, sagt er. Seine Gedanken:

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„Bei mir hat sich immer alles um Borussia gedreht. Die Spiele haben mein Leben bestimmt, ich habe danach meinen Urlaub geplant. Ich bin bei jedem Spiel da, gehe zusammen mit meiner Frau hin, sie hat ihre Karte aber woanders. Ich bin auf der Süd, Block 11. Ein guter Block. Da ist man schnell am Bierstand und trotzdem nah dran am Geschehen. Um mich herum sind so viele verschiedene Leute – Bibliothekare, Maurer, Schüler, Professoren – das schätze ich so daran. Generell sind es die Rituale, die mir fehlen. Ein Pott Bier vor dem Spiel am Schwimmbad, der Austausch mit den Leuten am Platz. Mit manchen schreibe ich mir in diesen Zeiten ab und zu SMS. Aber da sind zum Beispiel auch zwei ältere Fans, um die 75, die man jedes Mal fragt, wie es ihnen geht – und jetzt geht das nicht und man fragt sich, was wohl aus denen wird, ob sie wiederkommen. Ich habe mich jedenfalls noch nicht dabei erwischt zu sagen: Der BVB interessiert mich nicht. Ich denke jeden Samstag daran, dass ich jetzt im Stadion sein könnte. Ich gucke alle Spiele, egal wo. Sonst hätte ich keine Ruhe. Aber ich freue mich schon sehr darauf, wieder ins Stadion gehen zu können. Mit nur 3000 Leuten will ich aber nicht gehen. Entweder alle oder keiner.“
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„Das ist sicher ein Faktor für die aktuelle Tristesse beim BVB“

Till Knäpper, 36, Westtribüne Block 26

Seit 22 Jahren hat Till Knäpper eine Dauerkarte beim BVB. Früher auf der Nordtribüne, mit seinem Opa, „der mich auch zum BVB gebracht hat“. Mittlerweile auf der Westtribüne. Erstes Stadionerlebnis 1988 gegen Leverkusen, Tageskarte. Till Knäpper ist Münsteraner und Geschäftsführer im eigenen Familienunternehmen.

Till Knäpper (2.v.r.) mit Freunden auf "seinem" Dauerkartenplatz bei einem BVB-Heimspiel. © Knäpper

„Ins Stadion zu gehen, das ist seit 22 Jahren Teil meines Lebens. Vorher zu Uwe und den Mädels im ,Zum Sauren‘ ein Bierchen, danach Wurst und Pläuschen mit den Sitznachbarn, die zu Freunden geworden sind. Kultur halt. Das fehlt. Alle Spiele im TV zu sehen, aber das Gefühl wenn Meunier den zehnten Fehlpass spielt oder Haaland den Hattrick schnürt, das kannst du so nur mit 81.000 fühlen. Das Publikum fehlt und ist sicher ein Faktor für die aktuelle Tristesse beim BVB. Die Spieler, der neue Trainer, sie bräuchten jetzt die gelbe Wand. Die Gegner mit vollen Hosen, weil das Stadion glüht. Enge Spiele wie gegen die Bayern wären anders gelaufen, wenn sie uns reingelassen hätten. Nach Corona wäre wieder mehr Sport und weniger Produkt à la BVB-Token schön. Bin halt ein Fußball- Romantiker. Opa Herbert ist schuld.“

„Ohne Stadionbesuche bin ich unvollständig“

Dunja Fischer, 51, Südtribüne Block 15

Die gebürtige Dortmunderin Dunja Fischer war zehn Jahre alt, als ihr Papa sie das erste Mal mit zum BVB ins Stadion nahm. Seit 1994 steht die Versicherungskauffrau auf der Südtribüne, seit 1998 mit Dauerkarte. Ihr Mann ist genau wie sie Borusse – und so sind es auch ihre beiden Kinder: Lucas (12) und Dana (16). Seit 2017 hat die Familie auch zwei Dauerkarten im Familienblock, sodass auch die Kinder der im sauerländischen Menden lebenden Familie Fischer regelmäßig die Spiele im Stadion verfolgen.

Dunja Fischer (r.) mit einer Freundin bei einem BVB-Spiel im Signal Iduna Park. © Fischer

„Tatsächlich hätte ich nie gedacht, wie furchtbar es ohne Stadionbesuche sein kann. In der Sommerpause gibt es die zwar auch nicht, aber da ist ja der Zeitraum überschaubar. Jetzt fehlt Woche für Woche wirklich so viel mehr als nur Fußball. Ein Heimspieltag ist voller liebgewordener Gewohnheiten. Die Anreise zum Stadion startet immer drei Stunden vor Anpfiff. Wir parken an der Uni und fahren mit dem Shuttle Bus, wo wir schon oft die ersten bekannten Gesichter sehen. Das erste Getränk im Stadion an ,unserem‘ Wellenbrecher auf dem Block. Nach und nach trudelt dann die schwarzgelbe ,Familie‘ ein - multikulti, jung und alt. Wie geht‘s dir heute? Was gibt‘s Neues? Erstes Fachsimpeln über die BVB-Jungs, kurz aufs Handy schauen: Ist die Aufstellung schon da? „You‘ll never walk alone“ singen mit Schal in der Luft, mit Nobby die Jungs aufrufen - und dann beim Spiel bei jedem Tor eine Party feiern. Oder wenn es nicht läuft, auch mal richtig laut fluchen. Für mich ist das mein persönlicher Ausgleich zum Job, in dem ich natürlich immer freundlich und höflich bin. Ohne Stadionbesuche fühlt es sich an, als sei ein Stück von mir irgendwo vergraben worden - ich bin einfach unvollständig. Mit meinem Sohn habe ich zwei Spiele unter Corona-Bedingungen besucht. Endlich wieder Stadionluft und Fußball live und der BVB hatte es wirklich super organisiert. Aber: ,Wir bedanken uns bei 9.300 Zuschauern‘ Das fühlte sich komplett unwirklich an. Mein Sohn spielt selbst Fußball, mein Mann trainiert seine Jugendmannschaft - uns fehlt Fußball an allen Ecken und Enden. Vor allem meinem Sohn fehlt der BVB auch sehr. Für meine Tochter ist das Heimspiel immer ein „Event mit Freundin“ und sie sitzt gerne im Familienblock. Mein Sohn geht jetzt schon lieber auf die Süd, wenn er es sich aussuchen darf. Er ist auch derjenige, der zu Hause den meisten Fußball im TV anschaut. Ich schreibe dies um 19.09 Uhr und das passiert mir tatsächlich oft, dass ich genau um diese Zeit auf die Uhr schaue. Wir hoffen, dass wir bald wieder über etwas anderes reden können als über Corona und ich weiß sicher, dass ein Stadionbesuch mit 81.365 Zuschauern für mich in Zukunft immer etwas ganz Besonderes sein wird. Ein Jahr wie 2020 brauche ich sicher nicht nochmal, aber tatsächlich hat es mir bewusst gemacht, dass vieles im Leben eben nicht selbstverständlich ist. Und wenn es nur die ,schönste Nebensache der Welt ist‘.“

„Mit dem wärst du auch gerne nochmal ins Stadion gegangen“

Wolfgang Rustemeier, 63, Südtribüne Block 14

Wolfgang Rustemeier ist am, das kann man so sagen, Borsigplatz geboren. In der Soester Straße, nur einen Steinwurf vom Borsigplatz entfernt, ist er aufgewachsen und hat so die Liebe für den BVB schon in die Wiege gelegt bekommen. Mittlerweile lebt er am Rande des Ruhrgebiets in Fröndenberg und arbeitet als Bankkaufmann. Sein erster Stadionbesuch war noch in der Roten Erde, seitdem geht er immer, wenn es möglich ist, zu „seiner“ Borussia. Seit etwas mehr als einem Jahrzehnt hat er eine Dauerkarte für die Südtribüne. „Und solange ich zwei gesunde Füße habe, bekommt mich auch keiner von der Süd“, sagt er.

BVB-Fans unter sicher: Wolfgang Rustemeier (l.) mit Borussin Dunja Fischer und deren Sohn Lucas. © Rustemeier

„Es ist gar nicht mal so, dass mir der Fußball fehlt. Es ist das Drumherum, das zu so einem Stadionbesuch gehört. Das fängt schon mit der gemeinsamen Hinfahrt an. Ich fahre immer mit zwei Freunden hin. Wir parken am Park-and-Ride-Parkplatz am Hauptfriedhof und fahren dann mit der Stadtbahn bis zur Westfalenhalle, an der Eissporthalle trinken wir ein Bergmann-Bier, dann gibt’s noch eine Bratwurst, wir holen das aktuelle Plakat von The Unity ab. Es sind so viele Rituale, die man sich über die Jahre angeeignet hat und die einfach dazugehören. Nun ist im Sommer auch noch einer dieser Freunde verstorben. Und dann kommt man schon ins Grübeln, sagt sich: Mit dem wärst du auch gerne nochmal ins Stadion gegangen. Dieses Stadionereignis als solches, das fehlt mir sehr. Und ich weiß gar nicht, ob es jemals wieder so wird, wie es vor Corona war. Für die Spiele mit nur 10.000 Zuschauern im Herbst habe ich mich bewusst nicht beworben, weil es nicht das Erlebnis gewesen wäre, das es normalerweise ist. Fußball light will ich nicht. Da halte ich es mit den aktiven Fans: Entweder ganz oder gar nicht. Am Anfang war es schon sehr komisch, nicht ins Stadion zu können. Da hat man samstags immer gedacht: Jetzt wärst du eigentlich auf der Süd. Es fehlt mir auch jetzt noch. Auch wenn es natürlich nichts ist, das lebenswichtig ist. Da haben wir zurzeit sicher andere Probleme.“

„Es für mich schwer vorstellbar, wieder auf der Südtribüne zu stehen“

Mercedes Wüstefeld, 29, Südtribüne Block 82

Ein Stadionbesuch ist für die Familie Wüstefeld ein Familienereignis. Gemeinsam mit ihren beiden Schwestern und ihrem Schwager steht Mercedes Wüstefeld alle zwei Wochen auf der Südtribüne, um den BVB zu sehen. Ihre Eltern haben Dauerkarten auf der Westtribüne. Die 29-jährige Gymnasiallehrerin geht schon seit sie ein Kind ist ins Stadion. „Ich erinnere mich noch, wie früher bei meinem Papa auf dem Schoß saß“, sagt sie. Seit mehr als 15 Jahren hat sie nun ihre „eigene“ Dauerkarte für die Süd.

BVB-Fan Mercedes Wüstefeld hat seit vielen Jahren eine Dauerkarte für die Südtribüne - und ist auch mal auswärts, wie hier beim Pokalfinale in Berlin, mit dabei. © Wüstefeld

„Ich vermisse meine Stadionbesuche sehr. Ich bin damit groß geworden und bin immer noch sehr stolze Besitzerin meiner Süd-Dauerkarte. Ins Stadion zu gehen, gehörte für mich bislang einfach zum Alltag dazu. Aber momentan ist es für mich auch sehr schwer vorstellbar, irgendwann wieder mit allen Menschen auf der Südtribüne zu stehen: dicht gedrängt, mit lauten Gesängen, Bierduschen… Es ist eine andere Art von Vermissen, als ich sie bislang gekannt habe. Es gab immer wieder Zeiten, in denen ich länger nicht ins Stadion gehen konnte, zum Beispiel, als ich für eine Weile im Ausland war. Und dann war die Vorfreude immer sehr groß, wieder ins Stadion gehen zu können. Jetzt ist dieses Gefühl ein anderes. Im vergangenen Jahr hat man einfach gemerkt, wie sehr einem der normale Alltag fehlt und auch viele andere Dinge – wie die Gesundheit – wichtiger sind. Ich liebe es, ins Stadion zu gehen, doch momentan kann ich es mir einfach nicht vorstellen und es hat für mich auch nicht Priorität. Fußball ohne Zuschauer im Fernsehen zu verfolgen, war zu Anfang sehr komisch und ungewohnt. Doch jetzt, mit etwas Abstand, nehme ich es ganz anders wahr. Fußballgucken ist nun etwas anderes, man bekommt deutlich mehr Taktik (auch von der Trainerbank) mit, was ich auch sehr interessant finde. Das Verfolgen des eigentlichen Spiels ist für mich persönlich ohne Stadion sehr viel intensiver geworden – auch das ist eine sehr interessante Entwicklung und Erfahrung. Tatsächlich ist es aber so, dass der Fußball nicht mehr so sehr im Vordergrund steht und ich viele Samstage beziehungsweise Wochenenden anders gestalte – ganz ohne den BVB. Aber auch das ist ok für mich. Man hat sich nun doch irgendwie an den nicht vorhandenen Alltag gewöhnt und dieser ist nun zum Alltag geworden. Wenn ich jetzt Filme oder Aufnahmen von vor einem Jahr sehe, frage ich mich immer: Wo ist denn die Maske? Nichtsdestotrotz freue ich mich natürlich wenn ich wieder ins Stadion gehen kann, weil es am Ende auch bedeutet, dass die Pandemie überstanden ist.“

„Das Niveau, auf dem ich leide, nicht ins Stadion gehen zu können“

Steffen Köhn, 30, Südtribüne Block 12

Der Fußball nimmt in Steffen Köhns Leben eine ziemlich große Rolle ein. Der 30-Jährige, der aus Kamen kommt und in Essen lebt, ist nicht nur selbst Fußballer, er ist auch Trainer – und hat seit 20 Jahren eine Dauerkarte für den BVB. Im Signal Iduna Park steht er mittendrin, im Herzen der Süd: in Block 12.

„Ohne Fußball geht es nicht – und gerade deshalb ist es zurzeit wirklich schwierig. Beim BVB habe ich seit 20 Jahren eine Dauerkarte und kann mich spontan nur an zwei Spiele erinnern, die ich verpasst habe. Das ist also das Niveau, auf dem ich momentan leide, nicht ins Stadion gehen zu können. Gerade in einer Phase wie jetzt, wo sportlich nicht immer alles optimal und nach unseren Vorstellungen als Fan läuft, würde ich wirklich gerne auf der Südtribüne stehen und meine Meinung laut rausschreien und die Mannschaft pushen. Zu Hause vor dem Fernseher geht das natürlich schlecht. Für mich ist es der Horror, die Spiele alleine auf der Couch zu schauen. Mir fehlen die Treffen mit meinen Freunden im Stadion und ich sehne mich nach dem Tag, an dem das endlich wieder geht. Ich stelle mir oft den Moment vor, bei ausverkauftem Haus im Block die Treppe hochzugehen, in die Gesichter der Leute zu blicken, den Geruch des Stadions einzuatmen und die lautstarke Atmosphäre aufsaugen zu können - unbezahlbar und durch nichts zu ersetzen. Ich war auch im September im Stadion, als gegen Gladbach 10.000 Zuschauer zugelassen waren, aber das war nicht das gleiche. Es wäre natürlich viel schöner, wenn das Stadion direkt wieder zu 100 Prozent gefüllt wäre, wenn es irgendwann wieder losgeht. Ich weiß aber auch, dass dies wahrscheinlich unrealistisch ist. Mit der Zeit ist das Vermissen auf jeden Fall größer geworden. Und teilweise muss ich gestehen, dass ich schon die Sorge habe, dass es gar nicht mehr so wird, wie es vor Corona war.“

„Jetzt, wo ich darüber spreche, merke ich erst, wie sehr mir das fehlt.“

Susi Amft, 57, Osttribüne Block 47

Dass die Wochenenden für den BVB reserviert sind, das kennt Susi Amft gar nicht anders. Schon ihre Eltern waren jeden Samstag im Stadion bei der Borussia, ihre fast 90-jährige Mutter guckt noch heute jedes Spiel – zumindest am Fernsehen. „Die Sprunganlage im Stadion Rote Erde war mein Sandkasten“, sagt die 57-jährige Dortmunderin. Sie ist seit 25 Jahren Vereinsmitglied und vertritt den Fanclub „Sonnenkönige ‚93“ im BVB-Fanrat. Seit gut 40 Jahren hat sie selbst eine Dauerkarte. Mit ihrem Lebensgefährten Uwe Pleß ist sie normalerweise bei jedem Heimspiel dabei. „Wenn sie das Licht im Stadion anmachen, sind wir da“, sagt sie. Osttribüne, Block 47, Sitzplatz, aber „da wird wirklich selten gesessen.“

Susi Amft - hier mit Ex-BVB-Profi Dede und ihrem Lebensgefährten Uwe Pleß - vermisst die Stadionbesuche sehr. © Amft

„Wir wohnen ganz in der Nähe des Stadions, spazieren oft daher, ich komme auch auf dem Weg zur Arbeit daran vorbei, und es ist jedes Mal ein komisches Gefühl. Es ist nicht nur der Fußball, der mir fehlt, sondern vor allem die Menschen, die ich im Stadion treffe. Die Leute, die seit vielen Jahren um uns herumsitzen sind unsere BVB-Familie. Wir haben ein grenzenloses Vertrauen zueinander und haben schon so viel zusammen erlebt. Jetzt, wo ich darüber spreche, merke ich erst, wie sehr mir das fehlt. Wenn der BVB ein Heimspiel hat, dann sind wir oft ein ganzes Wochenende damit beschäftigt, wir haben viele Freunde, die uns dann besuchen, nach dem Stadionbesuch gehen wir oft noch ein Bier trinken und später etwas essen. Am Anfang der Corona-Pandemie fand ich es erst gar nicht so schlimm, weil ohnehin alles anders war. Aber nach der Sommerpause war es sehr komisch. Normalerweise kommen dann die Dauerkarten, die Vorfreude steigt. Besonders schwer fällt es mir, die Heimspiele zu Hause zu gucken. Dann schaue ich von meinem Sofa auf mein zweites Wohnzimmer, wo ich normalerweise wäre. Das ist so unwirklich. Der Tag, an dem wir alle wieder ins Stadion gehen können, wird mit Sicherheit unglaublich – und überwältigend.“
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„Meine Freunde fehlen mir mehr als der Fußball selbst“

Bruno Reckers, 67, Südtribüne Block 14

Es war der 20. November 1965 im Stadion Rote Erde, als Bruno Reckers den BVB das erste Mal live sah. Die Borussia spielte gegen den MSV Duisburg. 1:1 stand es am Ende. Die Mannschaftsaufstellung weiß Bruno Reckers noch heute auswendig. „Als Kind war das sagenhaft“, sagt der heute 67-Jährige. Er ist in Bergkamen aufgewachsen, lebt aber seit vielen Jahren in Osnabrück. Abgehalten, seine Borussia zu unterstützen, hat ihn die Distanz aber nie. Seit 1974, also seit es das „neue“ Stadion gibt, hat er nur vier Heimspiele des BVB verpasst. Er steht auf der Süd, na klar, in Block 14. Und viele Jahre lang hat Reckers seine Borussia auch zu fast jedem Auswärtsspiel begleitet. Insgesamt hat er mehr als 2000 BVB-Spiele gesehen. „Ein bisschen verrückt muss man schon sein, sonst kann man sowas nicht machen“, sagt er.

Bruno Reckers hat in mehr als 40 Jahren erst vier BVB-Heimspiele verpasst. © Reckers

„Es ist keine schöne Situation gerade. Es fehlt einfach etwas. Dabei fehlen mir meine Freunde mehr als der Fußball selbst. Das geht aber schon seit ein paar Jahren so: Diese ganzen Leute zu treffen, das ist für mich das, was den Sport ausmacht. Darauf freue ich mich. Und auch mal wieder auf eine richtig schöne Auswärtsfahrt. Da ich aber in den Risikobereich falle, werde ich nicht zurückkehren, ehe ich geimpft bin. Und ich werde auch erst wiederkommen, wenn wieder alle Fans ins Stadion dürfen. Von einer Auslesung halte ich nichts. Am Anfang der Corona-Zeit war mir der Fußball komplett egal. Ich bin jeden Tag mit meiner Frau spazieren gegangen, den 4:0-Derbysieg habe ich nicht gesehen. Das hätte ich mir selbst nie träumen lassen. Aber tatsächlich war es zuletzt eine Übersättigung am Fußball und die Corona-Pandemie hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Jetzt schaue ich mir langsam wieder Spiele an. Und ich bin natürlich immer noch heißer BVB-Fan.“

„Mir fehlt die Atmosphäre im Stadion“

Till Beckmann, 25, Süd-Ost-Ecke Block 88

Solange er denken kann, sagt Till Beckmann, geht er schon zum BVB. Es muss in der Meistersaison 2001/2002 gewesen sein, als er das erste Mal im Signal Iduna Park war. Danach immer wieder. Seit gut fünf Jahren hat der Student aus Dortmund eine Dauerkarte in der Süd-Ost-Ecke des Stadions.

Till Beckmann fehlt die Atmosphäre im Stadion und die Zeit mit seinen Freunden rund um ein BVB-Spiel. © Till Beckmann

„Es fehlt mir vor allem, mich vor einem Spiel mit meinen Freunden zu treffen, ein Bier zu trinken und dann gemeinsam ins Stadion zu gehen. Mir fehlt die Atmosphäre im Stadion, die Mannschaft anzufeuern und hinterher wieder gemeinsam am Bierstand zu stehen. Es ist also mehr das Drumherum, das ich vermisse. Denn die Spiele kann ich auch im Fernsehen sehen. Wobei man da auch merkt, dass sie ohne die Stadionatmosphäre nicht das sind, was sie mal waren. Sonst habe ich alle zwei Wochen Kontakt zu meinen Freunden gehabt – jetzt sehe ich sie gar nicht. Ich war im September bei dem Spiel gegen Gladbach im Stadion, als 10.000 Zuschauer zugelassen waren, und es war sehr schön, wieder da zu sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es diese Saison noch etwas wird mit der Fanrückkehr, aber ich hoffe, dass es zur nächsten Saison wieder einigermaßen normal wird. Im Optimalfall natürlich mit 80.000 Zuschauern.“

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