Es ist der 25. November 2012. Der FC Barcelona ist zu Gast bei UD Levante. Ein Spiel, das unter normalen Umständen wohl kaum den Weg in die Geschichtsbücher gefunden hätte. Doch an diesem Tag ereignet sich etwas Historisches. In der 14. Minute wird Martin Montoya für den verletzten Dani Alves eingewechselt. Beim FC Barcelona stehen damit elf Spieler aus der eigenen Jugend auf dem Platz, sie alle wurden in der legendären Nachwuchsakademie La Masia ausgebildet. So etwas hatte es bei einer Profimannschaft zuvor noch nicht gegeben. Und auch danach nie wieder.
Barcelona als BVB-Vorbild
La Masia - die Akademie gilt nicht nur wegen dieses Ereignisses als das Nonplusultra der Nachwuchsförderung. Viele Vereine auf der Welt nehmen sie sich zum Vorbild. Auch Borussia Dortmund und Thomas Broich. „Das ist die Mannschaft, wo wir gerade hinschauen müssen“, sagt der neue Sportliche Leiter des BVB-Nachwuchsleistungszentrums im Podcast der Ruhr Nachrichten. „Wenn wir sagen, es geht eh nicht und wir halten das nicht für möglich, dann müssen wir gar nicht antreten.“
Dass so etwas tatsächlich wieder möglich ist, beweist der FC Barcelona aktuell wieder selbst. Nach Jahren des identitären Verlusts, etlichen Flop-Transfers und einer prekären wirtschaftlichen Lage, fokussiert sich der Verein unter dem ehemaligen deutschen Nationaltrainer Hansi Flick derzeit wieder auf die ursprünglichen Prinzipien. Vor ein paar Wochen gegen den FC Sevilla standen gleich sechs Spieler in der Startelf, die 21 Jahre alt oder jünger waren. Drei weitere aus dieser Altersklasse wurden eingewechselt.
Bis auf Pedri und Pablo Torre stammen sie alle aus der Jugendakademie der Katalanen. „La Masia ist ein Schatz, den Barça hat – und wir müssen ihn nutzen. Wenn wir einen Spieler brauchen, wissen wir, dass wir ihn in der Masia finden können“, schwärmte Flick zuletzt. Die nächsten Talente, die den großen Sprung zu einem der weltbesten Teams schaffen können, stehen schon in den Startlöchern.

Auch beim BVB haben in den vergangenen Jahren immer wieder verheißungsvolle Nachwuchsspieler bei den Profis angeklopft. Einige wurden früh mit entsprechenden Verträgen ausgestattet oder gehörten dauerhaft zur Trainingsgruppe, andere kamen und kommen auf eine gewisse Spielzeit – der ganz große Durchbruch gelang allerdings zuletzt keinem Talent.
Neues BVB-Ziel
Das will Borussia Dortmund ändern. Die Talente sollen Stamm- und nicht nur Kaderspieler sein, eine neue Ära beim BVB prägen. Es ist eines der erklärten Ziele von Geschäftsführer Lars Ricken, der diesen Weg einst selbst als junger Sportler gegangen ist. Um das zu erreichen, hat er vor der Saison Thomas Broich auf entsprechendem Posten installiert. Der ehemalige Fußball-Profi und TV-Experte gilt als „Anders-Denker“ und Revolutionär wenn es um die Ausbildung von Nachwuchsspielern geht.
„Es wäre schade, zu sagen, dass es bei uns andere Rahmenbedingungen gibt“, und deshalb ein solcher Weg wie der des FC Barcelona nicht machbar wäre, sagt Broich im RN-Podcast. Vielmehr müsse man sich konkret fragen: „Was machen die? Was ist so außergewöhnlich? Wie rekrutieren die? Was ist deren Methodik? Vielleicht ist es manchmal nur der Glaube an die Jungs. Oder der Mut. Oder die Kaderplanung.“
Broich, gerade noch am Anfang seines Schaffens, will sich vieles abschauen und implementieren. Dass das Zeit braucht, ist ihm klar. Aber: „Lasst uns doch hier mal was beginnen. Das ist keine Sache über Nacht oder drei Jahre. Aber lasst uns die nächsten fünf, zehn, fünfzehn Jahre es versuchen.“ Und vielleicht erlebt ja dann auch Dortmund irgendwann ein ähnlich historisches Spiel wie die Katalanen am 25. November 2012.
BVB-Podcast mit Thomas Broich
Der gesamte Podcast mit Thomas Broich aus dem „The Londoner“ geht am Dienstagabend um 18 Uhr online.
Der Anders-Denker Thomas Broich: Wie er den BVB revolutionieren will