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Michael Rummenigge: Der BVB muss sein Defensivproblem in den Griff bekommen
Gastkolumne
Michael Rummenigge sieht trotz der enttäuschenden BVB-Leistungen in den Pokalwettbewerben eine gute Perspektive für die Rückrunde. Grundvoraussetzung ist Stabilisierung der Defensive. Unsere Gastkolumne.
Es war ein dreckiger Sieg. Aber egal, gut und wichtig, dass Borussia Dortmund ihn aus Hoffenheim mitgenommen hat. Denn so sind die BVB-Profis mit einem guten Gefühl in die Spielpause gegangen. Ja, in diesem Spiel haben sie eine Bayern-Mentalität gezeigt: Punkte eiskalt eintüten, auch wenn der Gegner besser war.
Der BVB kann die Saison zu einem versöhnlichen Ende führen
Dieses Erlebnis müsste den Schwarzgelben jetzt für die entscheidenden Wochen einen Schub geben. Dazu kommt, dass Marco Rose, der wie ich finde einen guten Job macht, endlich einmal zwei Wochen lang fast den kompletten Kader beisammen hatte, um zu trainieren. Das ist ja praktisch das erste Mal so, seitdem er vor sieben Monaten in Dortmund gestartet ist. Die Borussia hat hoffentlich die Tage gezielt genutzt, ihre Schwachstellen einzudämmen. Vor allem, dieses stete Defensivproblem in den Griff zu bekommen. Denn wer so viele Gegentore wie der BVB kassiert, der kann mit der Meisterschaft nichts zu tun haben. Den Ball schneller und konsequenter zurückzuerobern, das muss jedem Spieler in Fleisch und Blut übergehen.
In den kommenden Wochen hat Dortmund die große Chance, diese Saison trotz des Ausscheidens in der Champions League und im Pokal doch noch zu einer sehr guten zu machen. Wenn es gelingt, Platz zwei in der Bundesliga zu zementieren, vielleicht ja sogar die Bayern an der Spitze noch unter Druck zu setzen - und zudem in der Europa League ins Endspiel zu kommen. Das wird jetzt vor allem zu einer psychologischen Geschichte. Jeder Borusse muss verinnerlichen, dass er einen Titel, einen Europapokal, gewinnen kann. Für solch ein Ziel muss jeder brennen. Denn um Titel zu erobern, spielst du Fußball.
Der BVB sollte die Verträge mit Zagadou und Akanji verlängern
Und bei allem Respekt für die Glasgow Rangers, den BVB-Gegner in den Playoffs der Europa League: Der Dortmunder Anspruch muss es sein, dort weiterzukommen. Ohne Wenn und Aber. Und danach, mit ein bisschen Losglück natürlich, ist alles möglich. Ja, alles. Ich denke, dass der BVB genügend Substanz im Kader hat, um die Europa League als erster deutscher Klub zu gewinnen. Das wäre doch ein fantastisches Signal! Dazu muss aber jeder Profi das Kapitel Champions League im Kopf komplett abhaken. Keine Trauer mehr über das frühe Ende, es muss heißen: neuer Wettbewerb, neue Titelchance.
Gespannt bin ich auch, wie der BVB seine personellen Baustellen schließt. Mit Dan-Axel Zagadou, dessen Vertrag jetzt im Sommer ausläuft, würde ich verlängern. Er ist noch jung, besitzt ein großes Potenzial. Wenn er seine Verletzungsanfälligkeit in den Griff bekommt, kann er zu einer ganz wichtigen Säule werden. Auch Manuel Akanji hat sich stark entwickelt. Wenn er den einen oder anderen Lapsus noch abstellt, dann zählt er für mich zur internationalen Klasse. Sein Vertrag endet erst im Sommer 2023, aber ein Verbleib in Dortmund darüber hinaus macht für mich Sinn. Ein Abwehrduo Zagadou-Akanji, das klingt für die Zeit nach Mats Hummels doch nicht schlecht.
Wohin führt der Weg von BVB-Youngster Youssoufa Moukoko?
Ein bisschen gewundert hat mich, dass Torhüter Roman Bürki im Winter keinen neuen Klub gefunden hat. Er ist erst 31, hat sportliche Ambitionen, er muss doch spielen wollen. Wenn er in Dortmund nicht zum Zuge kommt, dann eben andernorts - und wenn er dafür finanzielle Abstriche machen muss. Wie man hört, arbeitet er trotz seiner Degradierung zur Nummer drei in Dortmund professionell, ist fit, verhält sich loyal. Aber er muss wieder ins Tor, sich empfehlen, benötigt Spielpraxis, sonst wird irgendwann kein Klub der höheren Kategorie mehr Interesse an seiner Verpflichtung haben. Im Sommer muss er diesen Schritt machen.
Auch Youssoufa Moukoko wird sich im Sommer eine Frage beantworten müssen: Was brauche ich jetzt für meine Entwicklung? Bekomme ich in Dortmund genügend Einsatzzeit, um vorwärts zu kommen - oder macht womöglich dann eine Leihe zu einem Verein Sinn, bei dem ich gesetzt bin. Das Beispiel Philipp Lahm hat gezeigt, dass ein Umweg Sinn machen kann. Die Bayern liehen den jungen Lahm an Stuttgart aus, dort konnte er reifen und kehrte als Klassespieler zurück nach München. Bis zum Sommer könnte es Moukoko vielleicht helfen, zweigleisig zu fahren: trainieren und Kurzeinsätze bei den Profis plus möglichst viel Spielzeit bei Borussias U23 in der 3. Liga. Dort geht es auch schon robust zur Sache, was dem hoch veranlagten Moukoko bei dessen Entwicklung durchaus helfen dürfte.