Der Abgang von Lukasz Piszczek schmerzt den BVB. © SVEN SIMON/GES/Edith Geuppert/pool
Borussia Dortmund
Schwachstelle droht: BVB sucht eine Lösung für die rechte Abwehrseite
Die Verletzung von Mateu Morey ist ein Problem für Borussia Dortmund. Jahrelang eine Musterposition, droht die rechte Abwehrseite zur Achillesferse zu werden. Der BVB sucht eine Lösung.
Jahrelang galt die rechte Abwehrseite als Muster-Position im Team der Borussia. Mit der Verpflichtung von Lukasz Piszczezk im Jahr 2010 holte sich der BVB eine hohe defensive Verlässlichkeit ins Haus, gepaart mit offensiver Wucht und Präzision. Piszczek fand die perfekte Mischung aus Absicherung und Offensivpower, er war zuverlässig einer der besten Assistgeber der Mannschaft. Sein Abschied ist seit einigen Wochen nun offiziell – der Versuch, die entstehende Lücke zu schließen, beschäftigt Borussia Dortmund hingegen schon seit einigen Jahren.
Piszczek passte in Dortmund perfekt zum Konter- und Umschaltspiel
Kurz vor seinem Karriere-Ende hat der einstige Stürmer Lukasz Piszczek vor einigen Wochen noch einmal darüber gesprochen, dass er es als Glücksfall empfunden hat, in Berlin unter Lucien Favre und später vor allem beim BVB unter Jürgen Klopp zum modernen Rechtsverteidiger umgeschult worden zu sein. Piszczek passte in Dortmund perfekt zum Konter- und Umschaltspiel, das Klopp mit großer Akribie und Beharrlichkeit einstudieren ließ und das über Jahre Maßstäbe setzte, ehe auch andere Vereine System und Taktik kopierten. Heute sind die situativ vorrückenden Außenverteidiger Standard, je nach systematischer Ausprägung kann man von „Verteidigern“ gar nicht mehr reden.
Schon vor zweieinhalb Jahren reagierte Dortmund auf Piszczeks nahendes Karriere-Ende. Die leihweise Verpflichtung von Achraf Hakimi brachte dem BVB zuvor nicht gekannte Dynamik im Spiel nach vorne. Sein Tempo und sein Spielwitz entwickelten sich zu einer echten „Waffe“ für die Borussia, sein Zusammenspiel mit Jadon Sancho setzte Maßstäbe. Über die rechte Seite war der BVB kaum zu stoppen.
Ex-BVB-Profi Hakimi war ein Piszczek-Ersatz – aber nicht komplett
Hakimis rasante Entwicklung vollzog sich allerdings nicht in allen Bereichen, die ein moderner Außenbahnspieler abdecken muss. Taktisch blieb er über zwei Jahre in den Kinderschuhen stecken, seine Defensivtreue war überschaubar groß, sein Verständnis der defensiven Aufgaben, die diese Position mit sich bringt, ebenso. Hakimi verkörperte Genie und Wahnsinn – und ließ dem Perfektionisten Lucian Favre einige zusätzliche graue Haare wachsen.
Ein Traum-Duo beim BVB: Achraf Hakimi (l.) und Jadon Sancho. © picture alliance/dpa
Auf Hakimi, der nach dem Ende des Leihgeschäfts mit Real Madrid nicht mehr zu halten war, folgte im vergangenen Sommer Thomas Meunier – ein Transfer, für den sich Borussia Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc rühmen lassen durfte. Meunier hatte im Starensemble von Paris St. Germain einen Stammplatz, er kam ablösefrei. Man wusste zwar, dass der Belgier nicht die Dynamik und Finesse eines Hakimi abbilden kann, dafür aber schien mit ihm wieder mehr Stabilität Einzug zu halten.
Thomas Meunier erfüllt die Hoffnungen beim BVB nicht
Die Mischung schien stimmig, das Gesamtpaket versprach eine ausreichende Qualität. Zumal Piszczek und Felix Passlack als Backup und Mateu Morey als Verteidiger der Zukunft den BVB auf dieser Position fast schon als optimal aufgestellt erscheinen ließen. Die Wahrheit aber liegt auch in diesem Bereich auf dem Platz – und der BVB musste konstatieren, dass sich einige der Hoffnungen nicht erfüllten. Vor allem bei Thomas Meunier.
Freimütig erzählt der 28-Jährige in Interviews über ein Premieren-Jahr, in dem er viele Erwartungen enttäuscht hätte. „Keine gute Saison“ habe er gehabt, sagt Meunier, offen spricht er auch über Motivationsprobleme in leeren Stadien durch die Corona-Pandemie. Meuniers Notenschnitt von 3,94 spiegelt die sehr durchwachsenen Eindrücke wider. Seine Bundesliga-Ausbeute mit einem Tor und einem Assist bei 45 geschlagenen Flanken ist überschaubar. Nur 49 Prozent seiner langen Bälle kamen an.
BVB-Profi Morey fehlt die Zweikampfstärke als Rechtsverteidiger
Im Laufe der Saison lief ihm vor allem Mateu Morey den Rang ab, der im Vergleich zu Meunier aber taktisch noch nicht ausgereift agierte und im Gegensatz zum oft vorsichtigen Belgier zu viel Risiko nahm. Dazu war der Spanier mit nur 41 Prozent gewonnener Zweikämpfe der schwächste der rechts eingesetzten Außenverteidiger.
© deltatre
Sowohl offensiv als auch defensiv hat sich durch Hakimis Wechsel zu Inter Mailand beim BVB einiges zum Schlechten verändert auf der rechten Seite. 18 Gegentore fielen, wenn die Gegner über diese Position ihre Angriffe aufzogen, nur Schalke kassierte über die rechte Abwehrseite mehr Treffer.
Borussia Dortmund nutzte die Außenbahnen nur noch selten
Dortmund entwickelte sich in der abgelaufenen Saison generell zu einer Mannschaft, die die Außenbahnen selten nutzte und mehr durch die Mitte und über Kombinationsspiel angriff. Nur vier Treffer fielen durch Flanken, in dieser Kategorie belegt der BVB im Vergleich der Erstligisten nur den Relegationsplatz 16. 257 geschlagene Flanken insgesamt bedeuten im Ranking Platz 15.
Zur Ehrenrettung sei gesagt: 18 der 75 Dortmunder Bundesliga-Tore der abgelaufenen Saison fielen über die rechte Seite, deutlich mehr als gegenüber, wo es nur neun Tor-Entstehungen waren. Nur zwei Konkurrenten waren erfolgreicher, wenn über die rechte Seite angegriffen wurde.
Der Hakimi-Wechsel veränderte das BVB-Offensivspiel
Ohne die Dynamik eines Hakimi hat sich Borussia Dortmunds Offensivspiel verändert. In der abgelaufenen Saison zog der BVB das Offensivspiel überwiegend über ein sicheres Passspiel auf, nur 13 Prozent Fehlpass-Quote bedeuteten Liga-Bestwert. Gemeinsam mit dem FC Bayern erspielte sich der BVB die beste Ballbesitzquote (58%) aller Bundesligisten.
Will in der neuen Saison beim BVB angreifen: Thomas Meunier. © picture alliance/dpa/dpa-Pool
Dennoch erhofft sich die Borussia für die kommende Saison vor allem bei Meunier eine deutliche Steigerung und ein deutlich anderes Gesicht beim selbstkritischen Belgier. Er habe das Gefühl, hat Meunier in einem Interview mit „Spox“ erklärt, dass er „jetzt den Schalter umgelegt“ habe. „Es geht von vorne los, mit einem neuen Trainerteam. Es ist fast so, als hätte ich gerade erst unterschrieben.“
Verletzung von Morey spitzt die Situation für den BVB zu
Ob der 28-Jährige den Worten Taten folgen lassen kann, steht auf einem anderen Blatt. Zweifel werden die mutigen Worte begleiten. Die Situation auf der rechten Seite bleibt knifflig für den BVB, sie hat sich durch den langwierigen Ausfall von Mateu Morey noch weiter zugespitzt. Mit dem Spanier kann Dortmund realistisch wohl erst im Verlauf der Rückrunde wieder planen. Wie lange es dann dauern wird, bis Morey wieder richtig Fuß fasst, steht in den Sternen.
Auch wenn Sportdirektor Michael Zorc offiziell darauf verweist, dass man auf den Außenbahnen personell gut bestückt sei, gibt es Überlegungen, auf dem Transfermarkt für Nachschub zu sorgen. Bedarf gibt es eindeutig nicht nur auf der linken Seite.
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