Löw setzt aufs Gemeinschaftsgefühl - Chance für BVB-Allrounder Can?

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Löw setzt aufs Gemeinschaftsgefühl - Chance für BVB-Allrounder Can?

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Vor seinem letzten Turnier als Nationaltrainer setzt Joachim Löw auf das Gemeinschaftsgefühl. Eröffnet sich eine neue Chance für BVB-Allrounder Emre Can?

Seefeld

, 30.05.2021, 09:01 Uhr / Lesedauer: 3 min

Am ersten Abend der deutschen Mannschaft in Seefeld stand für die Spieler spät noch ein Pflichttermin auf dem Programm. Die 20 Spieler, Betreuer und das Organisationsteam lauschten einem Vortrag. „Extrem spannend“ sei das gewesen, erzählte am Samstag Torhüter Manuel Neuer, „da hätte ich noch stundenlang zuhören können.“ Und seine Mimik verriet, dass er das sogar ernst meinte.

Joachim Löw setzt in Seefeld auf Motivation und Teamgeist

Es ging nicht um Taktik oder Spielsystem, nicht um Abwehrverhalten oder Umschaltspiel. Der DFB hatte sich Mike Horn eingeladen, und wer mit diesem Namen nicht auf Anhieb etwas anfangen kann, wird bei Wikipedia schnell fündig. Horn, 54 Jahre jung, ist ein Extremsportler aus Südafrika, lebt mittlerweile in der Schweiz und macht so verrückte Sachen wie den Amazonas von der Quelle bis zur Mündung zu bewältigen. Allein. Oder im arktischen Winter Expeditionen an den Nordpol anzubieten.

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Spannend ist das bestimmt, und es kann, so der Glaube beim DFB, der deutschen Mannschaft vielleicht ja auch für die anstehende Europameisterschaft helfen. Denn in Horns Vorträgen geht es um den Glauben an die eigenen Fähigkeiten, um Motivation, Teamgeist - und am Ende darum, ein selbst gestecktes Ziel zu erreichen.

DFB-Team bei der EM: „Die Mannschaft muss sich finden“

Die Wichtigkeit, das Gemeinschaftsgefühl herauszubilden in diesen Tagen in Seefeld und dann später während des Turniers im Base Camp in Herzogenausrach, strich auch Bundestrainer Joachim Löw heraus, der am Samstag erstmals vor die Presse trat. Teamgeist sei entscheidender als eine Ansammlung der besten Einzelspieler zu haben, lautete Löws Botschaft vor seinem achten und letzten großen Turnier. „Die Mannschaft muss sich finden, das ist ein Prozess, der auch dauern kann. Von daher haben wir keinen Tag zu verschwenden.“

Setzt auf das Gemeinschaftsgefühl: Bundestrainer Joachim Löw.

Setzt auf das Gemeinschaftsgefühl: Bundestrainer Joachim Löw. © imago / Eibner

Löw nahm als Beispiel seinen Weltmeister-Kader von 2014. „Es gab Spieler, die nur auf der Bank gesessen haben. Wir brauchen die, die voran gehen, aber wir brauchen auch die, die Geduld mitbringen, die dann reinkommen und Entscheidungen herbeiführen können.“ Nur auf dieser Grundlage sei der Siegtreffer entstanden - durch Mario Götze und Andre Schürrle, keine absoluten Stammspieler bei diesem Turnier. Zwei Spieler, die die Anspannung bei sich und das Niveau im Training bis zum letzten Tag hoch gehalten hätten.

DFB-Team mit personellen Probleme im defensiven Mittelfeld

Löws Vorbereitung wird allerdings nicht ruckelfrei ablaufen, das steht jetzt schon fest. Sechs Spieler fehlen noch, darunter vier in England beschäftigte Profis, bei denen immer noch nicht klar ist, ob sie nach dem Champions-League-Finale anreisen und mit der Mannschaft trainieren können. In Österreich dürften sie das, in Deutschland nach aktuellem Stand nicht, weil England als Hochinzidenz-Gebiet eingestuft ist und sich daher nach einer Einreise automatisch eine 14-tägige Quarantäne anschließen müsste. Käme es so, könnte Löw mit dem Quartett erst nach dem zweiten Gruppenspiel planen.

Sorgen bereitet auch die Situation im defensiven Mittelfeld, wo Toni Kroos nach überstandener Infektion noch darauf wartet, dass sein Corona-Test negativ ausfällt. Erst dann darf er nach Österreich reisen. Leon Goretzka (Reha nach Muskelfaserriss) wird zum Wochenbeginn in Seefeld erwartet, auch er muss langsam herangeführt werden.

Eine neue Chance für BVB-Spieler Emre Can?

Da auch Ilkay Gündogan zur „England-Gruppe“ gehört, könnte im defensiven Mittelfeld die Stunde des Dortmunders Emre Can schlagen. Dessen Vielseitigkeit hat ihm auch beim BVB zu 40 Pflichtspielen in der abgelaufenen Saison verholfen - auf drei verschiedenen Positionen. Auch Can wird dem Vortrag von Mike Horn interessiert gelauscht haben, Motivationsprobleme muss man beim Dortmunder allerdings nicht befürchten. Er zählte bei der WM 2018 nicht zum Kader, bei der EM 2016 kam er nur in einem Spiel zum Einsatz. Für Can wird die jetzige Europameisterschaft wohl das erste Turnier mit der Chance auf mehr Minuten sein.

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Horns Stippvisite im DFB-Quartier in Seefeld ist übrigens schon sein zweiter Besuch beim DFB-Team vor einem großen Turnier. Auch deshalb ist der Extremsportler wohl gern gesehen - dass er in Brasilien vor dem WM-Titel schon einmal eine viel beachtete Motivationsrede hielt, soll ein gutes Omen für die kommenden Wochen sein.