Natürlich fällt es dem Gewinner generell viel leichter, auch über Schwächen seiner Mannschaft zu sprechen. Vier Tore geschossen, vorübergehend auf Platz vier gesprungen, aber nicht alles funktionierte. So sprach auch Niko Kovac nach einem 4:0 seines BVB, für das es in den zweiten 45 Minuten sogar Standing Ovations von den Rängen gab. Der 53-Jährige aber wollte in derlei überschwänglichen Jubel nicht mit einstimmen.
BVB-Trainer Kovac bleibt seiner Linie treu
Neben Kovac saß in der Pressekonferenz Gäste-Coach Ralph Hasenhüttl, der wiederum von „60 sehr guten Minuten“ seiner Mannschaft sprach, von einer sehr guten Reaktion nach dem frühen 0:1, und auch davon, dass sein VfL „momentan nicht die Ergebnisse“ bekäme, die die Leistung eigentlich verdient hätte. Hasenhüttl steht, das muss man dazu sagen, dem Vernehmen nach beim VW-Klub vor dem Aus. Man könnte das also als Versuch bewerten, die eigene Haut so teuer wie möglich zu verkaufen. Das führte zu einer kuriosen Situation: Ein Gewinner, der nicht zufrieden war, ein Verlierer, dem das Ergebnis nicht schmeckte, der aber seine Mannschaft über Gebühr lobte.
Kovac ist nach diesem nächsten Dortmunder Ausrufezeichen seiner Linie treu geblieben. Er sparte auch nach diesem Vier-Tore-Erlebnis nicht mit Kritik, wie auch in den Phasen der Saison, in denen er Niederlagen erklären musste und verzweifelt versuchte, seine Mannschaft zu stabilisieren.
Frühes Führungstor versunsichert den BVB
Die offensichtlichen Probleme des BVB, nach dem frühen 1:0 Sicherheit, Tempo und Spielwitz in die eigenen Aktionen zu bekommen, waren schon Thema während der Pausenansprache. Die sei „etwas lauter ausgefallen“, wie später Torhüter Gregor Kobel schmunzelnd zugab. „Eigentlich“, meinte Kovac ehrlich, „muss so ein frühes Tor ja uns beflügeln und nicht den Gegner. Das hat mir überhaupt nicht gefallen.“
Kovac musste nach dem frühen Tor mit ansehen, wie die Gäste sich freispielten, seine Mannschaft aber zunehmend Probleme bekam, dagegen zu halten, Chancen zu kreieren und überhaupt präzise nach vorne zu spielen. Das rief ihm in Erinnerung, dass trotz der nun 16 von 18 möglichen Zählern aus den vergangenen sechs Partien nicht alles Gold ist, was schwarzgelb glänzt. Für die letzten beiden Spiele dieser merkwürdigen Saison bietet das 4:0 daher genügend Themen für einen mahnenden Umgang mit der jetzt viel komfortableren Situation. Es wäre fatal, auf der Zielgeraden die Früchte der Arbeit der vergangenen Wochen noch zu verspielen. Es würde andererseits auch irgendwie zu dieser Saison passen.
Ehrliche Kovac-Art passt zum BVB
Die lobenden Worte, die Vereinsboss Hans-Joachim Watzke am vergangenen Wochenende über den aktuellen BVB-Trainer sprach, bekommen mit jedem Spielverlauf wie am Samstag gegen Wolfsburg mehr Gewicht. Kovacs Arbeit trägt erkennbare Früchte, seine ehrliche Art passt zu dieser Entwicklung. Und in seinen Analysen scheut er sich nicht, auch unbequeme Wahrheiten öffentlich anzusprechen.
Als die Tage von Nuri Sahin im Januar gezählt waren, tauchte der Name Kovac als potenzieller Nachfolger erst sehr spät auf. Da wurden andere gehandelt, wie Erik ten Hag, wie Roger Schmidt, oder gar Ralf Rangnick. Kovac war die vermeintliche B-Lösung, sein Vertrag über 18 Monate galt als Kompromiss, der anzudeuten schien, dass der Klub eigentlich an einer anderen, längerfristigen Lösung basteln wollte. Führt der Wahl-Salzburger den BVB nun auch noch ins Ziel, womöglich ja sogar ins gelobte Land der Königsklasse, wäre das nach einer schwierigen Trainersuche im Winter ein Happy End der besonderen Art.