Der aufmunternde Klaps auf die Schulter verfehlte die Wirkung. Hansi Flick sprach erst Sebastian Kehl und Emre Can Mut zu, danach in einem längeren Gespräch auch Niko Kovac. Aus der Warte des siegreichen Trainers der Spanier waren das gut gemeinte Gesten in den Gängen des bröckelig-mythischen Olympiastadions von Barcelona. Doch für positive Gedanken gab es keinen Platz in den Köpfen der Borussen. Nachvollziehbar, denn der BVB wurde in Spanien beim 0:4 vorgeführt. Zerlegt. Gedemütigt. Das Schlimmste daran aus Sicht der Gäste: Die Dortmunder ließen es geschehen.
BVB agiert mut- und körperlos
„Wir haben selbst dazu beigetragen, dass wir auch in der Höhe verdient verloren haben“, ärgerte sich Sportdirektor Kehl. Die Mannschaft habe sich nicht an die Vorgaben gehalten, „solche Fehler darf man nicht machen“. Die vier Gegentore entsprangen einer Standardsituation und drei Kontern. Zweimal verlor der BVB den Ball auf dilettantische Weise tief in der gegnerischen Hälfte. Barcelonas Turbo-Offensive um die überragenden Lamine Yamal, Raphinha und Dortmund-Schreck Robert Lewandowski nahm diese Einladungen dankend an und ließ noch weitere Torchancen ungenutzt, die aus der überquellenden Spielfreude entsprangen.
„Kollektiver Orgasmus auf dem Montjuic“, titelte die Zeitung „Sport“ am Donnerstag. Seinen Beitrag zur höchsten fußballerischen Erregung lieferte der Vorjahresfinalist aus Dortmund, indem er in keiner Sekunde zu der Wehrhaftigkeit und Aggressivität fand, die vor zwölf Monaten noch zu bestandenen Abwehrschlachten gegen PSG oder Atletico geführt hatten. Barcelona war mindestens eine Klasse besser als der BVB. Für Niko Kovacs Mannschaft setzte es auf dem mit bitteren Niederlagen gepflasterten Saisonweg den nächsten Rückschlag. „Super angepisst“ sei er, sagte Gregor Kobel. Die deftige Wortwahl passte in diesem Fall zur übel riechenden Leistung.
Warum so mutlos, körperlos, von allen guten Fußballgeistern verlassen? „In so einem Spiel muss es auch mal knallen. Bei uns hat es zu wenig geknallt“, meckerte Emre Can. Der Kapitän fand den BVB „zu soft“, sein Nebenmann Waldemar Anton gestand: „Uns hat über 90 Minuten die Aggressivität gefehlt.“
BVB fehlt die Bereitschaft
Gegen die überragenden Individualisten und das kreative Kollektiv der Spanier funktionierte nichts. Weder führte die Systemumstellung von Kovac – zurück zur Viererkette – zu einem beherzteren Verteidigen, noch fanden seine Spieler die Räume, um die durchaus anfällige Defensive der Katalanten vor Probleme zu stellen. Passquoten von 50 Prozent (Adeyemi) und Zweikampfquoten nahe der Arbeitsverweigerung (Gittens, Brandt, Adeyemi, Bensebaini) sind auf diesem Niveau nicht akzeptabel. Kovac räumte ein: „Wir haben körperlich nicht dagegengehalten“, ihm fehlte „die Bereitschaft“.

Das ist alarmierend! Größere Bühnen als ein Viertelfinale in der Champions League werden die BVB-Profis in naher Zukunft nicht mehr vorfinden. Wenn in so einem Moment nicht einmal die Grundtugenden auf den Platz gebracht werden, schreit das nach Konsequenzen. Egal wer gerade Trainer ist beim Ballspielverein: Auf welche Spieler kann sich der Coach verlassen, wenn es darauf ankommt? Die Antwort fällt ernüchternd aus. Zwei Beispiele: Auf Hilfe von den Vorderleuten hofften die erbarmungslos ausgespielten Julian Ryerson und Ramy Bensebaini vergebens, Karim Adeyemi und Jamie Gittens übten nicht einmal passiven Widerstand. „Einiges an Nachholbedarf“ sieht Kovac dort.
CL: Letzte BVB-Auswärtsreise für lange Zeit?
Und nicht nur dort. Die Borussen waren nicht nur mit dem Ball schlechter, sondern auch im Kopf und im Herzen nicht auf dem Level des FC Barcelona, der die Vorschlussrunde quasi sicher hat. Der BVB wiederum kann schon am nächsten Dienstagabend nicht mehr auf die Champions League als dekoratives Feigenblatt verweisen. Hansi Flicks gut gemeinter Zuspruch verfing auch deswegen nicht bei Kehl und Co., weil den Schwarzgelben schwante, dass die Blamage bei Barca für längere Zeit die letzte Auswärtsreise in der Champions League gewesen sein könnte. Die erneute Zulassung ist nicht nur für die laufende Saison alles andere als wahrscheinlich.
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