Klopp, Tuchel und Co. - Trainer „Made in Dortmund“ sind ein BVB-Exportschlager

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Klopp, Tuchel und Co. - Trainer „Made in Dortmund“ sind ein BVB-Exportschlager

rnBorussia Dortmund

Die (ehemaligen) BVB-Trainer überzeugen in ganz Europa. Zwei sind Tabellenführer in Deutschland, einer in England, einer in Frankreich. Warum sind die (Ex-)BVB-Trainer so erfolgreich?

Dortmund

, 16.11.2018, 12:10 Uhr / Lesedauer: 5 min

Er sei „als Sympathisant gekommen“ und gehe „als echter Borusse“, sagte Daniel Farke (42) nach seiner Zeit als Trainer der U 23 des BVB. Der Lippstädter kannte sich nur im höherklassigen Amateurfußball aus, als er 2015 zur Borussia kam. In Dortmund überzeugte er, nach eineinhalb Jahren kam ein Angebot aus England, jetzt steht er in seinem zweiten Jahr bei Norwich City auf Tabellenplatz eins der Championship, der zweiten Liga auf der Insel.

„Unter dem Strich war die Zusammenarbeit in Dortmund genau so, wie man sich das als Trainer einer U 23 vorstellt und wünscht“, sagt Farke. Die bemerkenswerten Karrieren von ihm und seinen Kollegen könnten ja kein Zufall sein. „Insgesamt hat der BVB in der Auswahl der Trainer einfach ein glückliches Händchen gehabt“, erklärt Farke im Gespräch mit dieser Redaktion.

„Auch in der U23 oder im Jugendbereich prägt es dich, wenn du für diesen Verein arbeitest.“
Daniel Farke

Dem hiesigen Trainingszentrum, das gerade erst für 20 Millionen Euro erweitert und optimiert wird, sind einige hochmoderne Anlagen der Konkurrenten im In- und Ausland sicher überlegen. Auch woanders ist das Gras grün, auch woanders wird nach neuesten Erkenntnissen der Trainingslehre gearbeitet. Und trotzdem schaffen es von hier auffallend viele Übungsleiter in den höchsten Profibereich.

In Dortmund, so Farke, seien es die Menschen, die den Klub ausmachen. Die seien halt in allen Bereichen top. „Auch in der U23 oder im Jugendbereich prägt es dich, wenn du für diesen Verein arbeitest. Du lernst unheimlich viele Facetten kennen und bekommst einen Einblick, wie es ist, auf allerhöchstem Niveau zu arbeiten.“

Dabei gehe es auch um Mentalität. Darum, wie es ist, Spiele immer gewinnen zu wollen und teilweise auch zu müssen, wie es bereits in den Juniorenjahrgängen gelebt wird. „Und das am besten mit attraktivem Fußball. Dieser hohe Anspruch prägt dich als Trainer und bringt dich weiter voran, davon bin ich felsenfest überzeugt“, erklärt Farke.

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Die BVB-Erfolgstrainer der vergangenen Jahre

16.11.2018
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Lucien Favre (61 - seit 07/2018) hat den BVB an die Spitze der Bundesliga geführt, wo die Borussia nach elf Spieltagen noch ungeschlagen ist. Auch in der Champions League ist der BVB auf Kurs.© imago
Der BVB II steht in der Regionalliga West auf Tabellenplatz zwei. Schon in der Vorsaison konnte Jan Siewert (36 - seit 07/2017) sein Team lange im Aufstiegsrennen halten - am Ende rutschte der BVB II noch auf Rang vier.© imago
Daniel Farke (42 - 11/2015 bis 06/2017) überzeugte als Coach des BVB II. Er steht mit Norwich City ganz oben in der zweitklassigen Championship in England.© imago
Thomas Tuchel (45 - 07/2015 bis 05/2017) empfahl sich in seiner Zeit beim BVB für internationale Top-Adressen und arbeitet jetzt für Paris Saint-Germain.
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David Wagner (47 - 07/2011 bis 10/2015), langjähriger Coach der BVB-Zweitvertretung, stieg mit Huddersfield Town in die Premier League auf - und behauptet sich dort regelmäßig als Außenseiter.© imago
Hannes Wolf (37 - 07/2009 bis 09/2016) wechselte aus BVB-Nachwuchsabteilung zum VfB Stuttgart und schaffte den Aufstieg in die 1. Bundesliga. Er hat erst vor Kurzem den Zweitligisten Hamburger SV übernommen. Seine Bilanz: Vier Pflichtspielsiege, Spitzenreiter.
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Unvergessen beim BVB: Jürgen Klopp (51 - 07/2008 bis 06/2015). Er stand mit dem FC Liverpool (seit Oktober 2015) im Finale der Champions League und der der Europa League. Aktuell ist er ungeschlagener Tabellenzweiter in England© imago

Dortmund als ideales Sprungbrett für Talente – dieses Merkmal macht sich der BVB zu eigen, wenn er vielversprechende Nachwuchskräfte an Land ziehen will. Beim kickenden Personal. Bei den Trainern. Und auch darüber hinaus, wie Lars Ricken (42), der Chef des Nachwuchsleistungszentrums, betont: „Wir bilden Mitarbeiter in allen Bereichen aus.“ Mehr als ein Dutzend ehemaliger Angestellter des NLZ arbeite mittlerweile im Profibereich. „Nicht nur Trainer, sondern auch Co-Trainer, Physiotherapeuten, Athletik-Trainer. Das ist auch unser Anspruch. Wir bilden gerne aus“, betont Ricken, „am liebsten für uns.“

„Wir bilden gerne aus. Am liebsten für uns.“
Lars Ricken

Seit sieben, acht Jahren geht der BVB hier voll in die Offensive. Hannes Wolf (37), einer der prominentesten Zöglinge und derjenige, der den Sprung vom Trainer-Azubi zum Meistercoach komplett in Dortmund vollzogen hat, erinnert sich im Gespräch mit dieser Redaktion an seine ersten Spielzeiten ab 2009: „Das waren einige schwierige Jahre, wir haben dann viel auf den Kopf gestellt. Lars Ricken hat dabei eine wesentliche Rolle gespielt.“ Die Umstrukturierungen zahlten sich schnell aus. „Dann ist etwas richtig Gutes daraus geworden. Und die letzten drei Jahre waren dann richtig verrückt. Das war sehr, sehr schön.“

Wolf wurde dreimal hintereinander Deutscher Meister mit der U 17 und der U 19. Dann rief der Profifußball, er führte den VfB Stuttgart als Zweitliga-Meister zurück in die Bundesliga. Jetzt soll er den notorisch kriselnden Hamburger SV ins Fußball-Oberhaus zurückführen. Zwischenstand: Tabellenerster.

Nicht von ungefähr fällt die skizzierte erste Zeit des Aufschwungs in die Jahre, als sich der BVB zum einen finanziell stabilisiert hatte und andererseits Jürgen Klopp (51) als Cheftrainer fungierte. Er habe sich von Klopp „maximal viel abgeschaut“, erklärt Wolf. Nicht nur der BVB-Meistertrainer selber, inzwischen hochgradig erfolgreich mit dem FC Liverpool, sondern auch die Trainer aus dem U-Bereich sorgen für Furore.

In Deutschland taucht David Wagner oft in der Spekulationsblase auf

Als Klopp-Spezi David Wagner (47) 2011 in Dortmund anheuerte, konnte er lediglich auf Erfahrungen mit den A- und B-Junioren der TSG Hoffenheim verweisen. Mit der U 23 des BVB stieg er zwischenzeitlich in die Dritte Liga auf, erst im Herbst 2015 endete dann die Zusammenarbeit. Von Wagners Arbeit profitiert nun Huddersfield Town, ein fast namen- und im Vergleich beinahe mittelloser Klub aus dem Norden Englands. Nach dem völlig überraschenden Aufstieg in die Premier League 2017 hielt Wagner mit den „Terriers“ noch überraschender die Klasse und kämpft weiter wacker gegen den Abstieg. Wenn in Deutschland ein großer Verein einen Trainer sucht, taucht in der Spekulationsblase oft sein Name auf.

Abgesehen von allen fußballspezifischen Unterschieden auf seinen Stationen habe er sich bei seiner Herangehensweise gefragt: „Geht das nur in der Jugend? Geht das nur in der zweiten Mannschaft? Geht das nur bei einem einzigen Profiverein?“ Mittlerweile ist Wagner sicher: „Ich bin überzeugt, dass meine Herangehensweise überall funktionieren würde.“ Die Blaupause dafür hat er in seiner Zeit beim BVB erstellt.

Jung, modern, unverbraucht – das sind die Attribute, die bei der Trainersuche derzeit stechen. Über als „Systemtrainer“ zu Unrecht diffamierte Coaches äußert sich Trainerberater Mark Kosicke.

„Viele dieser Trainer haben in den Leistungszentren gearbeitet. Und die meisten Spieler in den Profikadern wurden eben dort ausgebildet. Von daher haben diese Trainer einen guten Zugang zu den Jungs. Weil sie die kennen, weil sie wissen, was sie erwarten können. Es ist ein schöner und ein guter Trend, dass es nicht 100 Länderspiele braucht, um ein guter Trainer zu sein.“ - Mark Kosicke (r.)

„Viele dieser Trainer haben in den Leistungszentren gearbeitet. Und die meisten Spieler in den Profikadern wurden eben dort ausgebildet. Von daher haben diese Trainer einen guten Zugang zu den Jungs. Weil sie die kennen, weil sie wissen, was sie erwarten können. Es ist ein schöner und ein guter Trend, dass es nicht 100 Länderspiele braucht, um ein guter Trainer zu sein.“ - Mark Kosicke (r.) © imago sportfotodienst

Ein guter Chefcoach braucht eben nicht zwingend eine überragende Vita, sondern Führungsstärke, Entscheidungsfreude und eine sehr gute Ausbildung in Theorie und Praxis. Zumal der Trainerjob nicht nur mit der fußballerischen Arbeit mit einer multikulturellen Truppe von Profikickern zu beschreiben ist. Trainer sind Chefs für ihre Assistenten, Ansprechpartner für die medizinische Abteilung und für die Medien, Aushängeschilder und Abteilungsleiter. Ein vielseitiger, höchst anspruchsvoller Job.

Der BVB handelt bei den Trainern vorbildlich

Beim BVB ist in den vergangenen Jahren sukzessive ein anderer Zugang zur Personalie Trainer entstanden. Ricken, Klopp, Sportdirektor Michael Zorc und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke haben da laut Kosicke vorbildlich gehandelt mit der Maxime: „Wenn Trainertalente im Klub sind, dann wollen und müssen wir die bestmöglich ausbilden und in den Profibereich reinschnuppern lassen.“ Damit ist der Nährboden bereitet worden, auf dem der Erfolg beruht. Leider könne man nicht immer nur selber profitieren. „Schade ist es nur, wenn die jungen Trainer dann alle weiterziehen.“

Weil (hohe) Ablösesummen für Trainer und Angestellte noch selten sind, fließen die Investitionen nicht direkt zurück. Aber der inhaltliche Kern bleibt vor Ort. Klopp hat seine Ideen an Wagner und Wolf weitergegeben, Farke lobt auch das Verhältnis zu Thomas Tuchel („Der Austausch war wertschätzend und auch in die Tiefe gehend“). Tuchel selber kam – wie Klopp – mit der Empfehlung, den 1. FSV Mainz 05 weit über seine Möglichkeiten gehievt zu haben. Erst als A-Jugendtrainer, dann bei den Profis. Und dann über weite Strecken auch den BVB.

Seit dem Sommer trainiert Tuchel Paris Saint-Germain. Einen Klub, bei dem finanziell nahezu alle Wünsche wahr werden. Er habe, berichtete Tuchel einmal, zu Beginn seiner Zeit beim BVB seine alten Mainzer Trainingspläne aktualisiert, als er überlegt habe, „wie haben wir das der Mannschaft nochmal beigebracht?“ Ähnlich dürfte er jetzt in Paris verfahren sein.

Mit Favre scheint der BVB die richtige Wahl getroffen zu haben

Bei seinen aktuellen Senioren-Trainern musste der BVB keine Überzeugungsarbeit leisten. Lucien Favre kam, so schnell er konnte. In Dortmund kann er sich endlich seinen Traum erfüllen, mit einem europäischen Spitzenteam unter Beweis zu stellen, dass er ein Weltklasse-Trainer ist. Seine bisherige Bilanz ist hinlänglich beklatscht. Auf die Kritik im Vorjahr, der BVB habe mit seiner Wahl bei Peter Bosz falschgelegen, konterte Watzke im Dezember 2017 gegenüber unserer Redaktion: „Wenn wir möglicherweise eine falsche Entscheidung mit Peter Bosz getroffen haben, kann man uns dafür kritisieren. Aber ich habe das Gefühl, dass die Leute seit zehn Jahren nicht mehr da waren. Wir haben vielleicht einmal danebengelegen.“ Favre scheint der richtige Griff zu sein. Wieder einmal.

Auch die Verzahnung von Lizenzspieler- und U-Bereich funktioniert, der Austausch verläuft intensiv und reibungslos. Unter Trainer Jan Siewert belegt die U 23 des BVB nach 17 Spieltagen Platz zwei in der Regionalliga West, vor allem aber ist die Durchlässigkeit nach unten für Profis ohne Spielpraxis oder nach Verletzungen gegeben.

Edin Terzic sorgt für einen kurzen Draht

Und die Talente aus der Jugend, die in der U23 aufgefangen werden, können als Ergänzung im Training oder sogar im Trainingslager bei den Profis schnuppern. Nicht zuletzt sorgt Borussias Co-Trainer Edin Terzic (36) für einen kurzen Draht. Bevor der als junger Mann in der Türkei und in England seine Sporen verdiente, lernte er von 2010 bis 2013 als Trainer und Scout – in Dortmund.