Borussia Dortmunds U23 hat anstrengende Wochen hinter sich. Nach einem vollkommen enttäuschenden Saisonstart hat sich die Mannschaft gefangen und steht nach einem Zwischenhoch mit sechs ungeschlagenen Spielen am Stück nach 17 Spieltagen mit 18 Punkten auf Rang 14. Im Gespräch mit Cedric Gebhardt lässt Ingo Preuß die erste Saisonhälfte Revue passieren. Der Sportliche Leiter der BVB-U23 spricht über harte Monate, größer werdende Erwartungen und grundsätzliche Zweifel.
Die U23 des BVB überwintert auf Platz 14. Es liegen ja durchaus turbulente Monate hinter Ihnen. Wie haben Sie die Hinrunde erlebt?
Es war schwierig. Es gab nicht diese tollen Hurra-Erlebnisse wie im letzten Jahr, obwohl wir bis zum Spiel in Elversberg fast punktgleich unterwegs waren. Es gab auch in der vergangenen Saison Phasen, in denen wir jede Menge Spiele verloren haben. Aber das wurde verdeckt durch Siege wie ein 4:1 gegen Duisburg oder ein 5:2 in Freiburg. Das war das, was bei den Leuten im Gedächtnis geblieben ist. Toller Fußball und grandiose Offensivkräfte. Wir sind in der letzten Saison nie ernsthaft in Abstiegsgefahr geraten. Das war in dieser Hinsicht eine total ruhige Saison, aber glorifizieren werde ich sie auch nicht. In der Rückrunde gab es einige unnötige Niederlagen. In dieser Saison ist es insgesamt etwas zäher. Aber das kommt nicht überraschend für mich, weil wir die Abgänge, die wir im Sommer hatten, nur schwer ersetzen können, sofern das in dieser Form überhaupt möglich ist.

Worin unterscheidet sich der Fußball in dieser Saison von dem der Vorsaison?
Der unterscheidet sich vor allem dadurch, dass wir in der letzten Saison auch aus unmöglichen Situationen Tore erzielt haben und in dieser Saison sind zum Teil die klarsten Chancen nicht drin. Der große Unterschied ist die Torausbeute und damit auch die Punkteausbeute. Hätten wir drei bis fünf Tore mehr erzielt, hätten wir auch ein paar Punkte mehr. Dann sähe die ganze Geschichte schon anders aus.
Worauf führen Sie dieses Problem zurück? Fehlt es dem Team am nötigen Selbstverständnis?
Meinetwegen kann man das Selbstverständnis nennen. Ich würde es aber etwas anders bezeichnen. Richtig gute Spieler haben die Qualität, Ruhe, Gelassenheit und Abgeklärtheit – einfach alles, was vorm Tor dazugehört. Ich finde, man sieht beim Abschluss schon häufig, wo der Ball hingeht. Manchmal hast du nicht das Gefühl, dass jemand ein Tor schießt, obwohl er eine gute Chance hat. Und du weißt ganz genau, jetzt fehlt was. Diese richtig abgezockten Jungs, die findet man nicht so oft. Ein großes Problem ist außerdem, dass wir die Position im zentralen Mittelfeld nicht so ausfüllen, wie ich mir das gedacht habe.
Wie sehr ist der wochenlange Ausfall von Michael Eberwein ins Gewicht gefallen?
Michael hat uns mit seinen Fähigkeiten schon sehr gefehlt. Er hat bislang keine Tore erzielt. Das habe ich anders von ihm erwartet. Aber da mache ich mir keine Sorgen, die werden ihm schon noch gelingen. Dafür ist er unglaublich viel gelaufen, hat ganz viele Kopfballduelle für uns gewonnen. Er hat bei den Profis ausgeholfen, als oben Spieler gefehlt haben. Bei der Asienreise wäre er wieder dabei gewesen. Es ist sehr schade, dass er daran wegen seiner Verletzung nicht teilnehmen kann. Michael genießt eine hohe Wertschätzung im Verein und ganz besonders in unserer Mannschaft. Wir werden hoffentlich noch ganz viel von ihm profitieren können.
Bradley Fink ist Mitte August nach Basel gewechselt. War es fahrlässig, keinen Ersatz verpflichtet zu haben?
Das ist sehr unglücklich gelaufen. Es ist mir in den letzten Stunden der Transferperiode nicht mehr gelungen, eine Verpflichtung umzusetzen. Wir hätten schon gerne einen Spieler dazu geholt. Ob wir am Ende besser dagestanden hätten, weiß aber auch niemand. Aber Moritz Broschinski ist für ein paar Spiele in diese Rolle geschlüpft. Man kann von ihm nach seiner Verletzung natürlich nicht erwarten, dass er dieses Level über Monate hält. Mo haut sich rein, er hat seine Erfolgserlebnisse gesammelt und ein gesundes Selbstbewusstsein. Ich hoffe, dass er das mit den Profis in Asien vertiefen kann. In ihm haben wir einen Neuner, auf den ich schon vor zweieinhalb Jahren gesetzt habe.
Inwieweit möchten Sie dennoch im Winter noch mal die Offensive verstärken?
Ich hätte natürlich schon gerne Verstärkungen, aber das muss dann auch in das Gesamtkonzept des Vereins passen. Wir wollen was versuchen, aber es ist im Moment sehr, sehr schwierig.
Aus den ersten acht Spielen hat die Mannschaft nur einen Sieg geholt. In dieser Phase haben Sie Team und Trainer vehement verteidigt. Sind Ihnen nie Zweifel gekommen, dass da etwas womöglich grundsätzlich nicht passen könnte?
Die Zweifel habe ich auch heute noch. Zweifel habe ich jeden Tag. Ich bin ja nicht so blauäugig zu glauben, dass die 18 Punkte, die wir bislang haben, reichen könnten und wir durch wären. Wir hätten vier, fünf, sechs Punkte mehr haben können. Aber dann wären wir auch noch nicht gerettet. Ich freue mich schon jetzt auf die nächsten Spiele. Zugleich empfinde ich dabei auch eine riesige Anspannung, wenn ich nur daran denke, wie ich im Januar auf der Bank in Bayreuth sitzen werde und was das für ein hochbrisantes Spiel werden dürfte. Zum Glück geht es da noch nicht um alles oder nichts. Solche Spiele habe ich in der 3. Liga durchaus schon erlebt, in denen wir uns am vorletzten oder letzten Spieltag gerettet haben. Das möchte ich nicht noch mal erleben. Das möchte ich schon vorher eingetütet haben. Aber wenn du mit einer U23 in dieser Liga spielst, gibt es immer Zweifel. Aber klar ist auch: Wenn alles immer glatt gehen würde und wir uns nur in den Armen liegen würden, bräuchte es meine Position gar nicht. Deswegen versuche ich mich schon einzubringen. Wenn es irgendwo Defizite gibt, setze ich mich nicht irgendwo hin und meckere, sondern dann setzen wir uns zusammen und versuchen die Dinge zu lösen, die nicht passen.
Wie haben Sie Ihren neuen Trainer Christian Preußer in den ersten Monaten beim BVB wahrgenommen?
Christian hat schon allein deshalb keine leichte Aufgabe übernommen, weil er praktisch keinen Einfluss auf die Kaderplanung hatte. Für ihn war hier alles neu und die Fußstapfen von Enrico Maaßen waren auch nicht gerade klein. Er legt viel Wert auf Ordnung und Disziplin. Nicht nur auf dem Platz, sondern auch in der Kabine. Manche Spieler sind etwas bequem, lassen ihre Dinge in der Kabine herumliegen. Christian aber möchte einen Ordnungsrahmen haben, der passt. Die Kabine kann man sich inzwischen wieder gut angucken, das war nicht immer so. Aufräumen in der Kabine kann man sofort und man sieht dann auch direkt das Ergebnis. Auf dem Platz die Dinge einzuhalten, die das Trainerteam vorgibt, ist dagegen nicht so einfach, weil es da auch noch Widerstände durch den Gegner gibt. Aber wir arbeiten daran, diese Disziplin auch auf den Platz zu übertragen.
Wo muss die Mannschaft insgesamt noch besser werden?
Wir müssen unseren Kombinationsfußball intensivieren. Wir brauchen ein deutlich besseres Freilaufverhalten. Angebote, Angebote, Angebote – es geht darum, Optionen anzubieten für denjenigen, der am Ball ist. Das müssen wir unbedingt verbessern, so dass wir auch in Phasen, in denen es auch mal eng ist, die Kugel halten können. Auch bei unseren offensiven Standardsituationen können wir noch zulegen.
Wegen der Sanierung der Roten Erde hat die Mannschaft einen Teil Ihrer Heimspiele in Wuppertal ausgetragen. Das hat sich als gutes Pflaster für den BVB erwiesen.
Ja, das war eine tolle Geschichte. Wäre das Spiel gegen Viktoria Köln nicht gewesen, hätten wir eine ausgesprochene Top-Bilanz dort gehabt. Das war sehr ärgerlich, dass wir da auf Gedeih und Verderb in solch einen Konter gelaufen sind. Wuppertal hat sich sehr viel Mühe gegeben und uns ausgesprochen gut aufgenommen. Wir haben uns dort sehr herzlich willkommen gefühlt. Wenn wir den Klassenerhalt schaffen, werde ich noch mal einen extra Strauß rüberschicken.
Im neuen Jahr soll dann aber die Rückkehr in die dann sanierte Rote Erde erfolgen.
Ich kenne zwar den allerletzten Stand nicht, bin aber optimistisch, dass wir im Laufe des Frühjahrs wieder in die Rote Erde zurückkehren können. Wir wollen unbedingt wieder in unserem Heimstadion spielen. Wenn wir dort die Zuschauerzahlen gehabt hätten wie im Signal Iduna Park, dann wäre dort eine grandiose Stimmung gewesen, so wie wir uns das wünschen. Das könnte der Mannschaft noch mal einen Push geben.
Anders als in Wuppertal fällt die Bilanz bei den Heimspielen im Signal Iduna Park dagegen mau aus.
Der Signal Iduna Park hat einen tollen Rasen, aber ich bin schon so lange dabei und habe schon einige Male dort gespielt. Aber leider habe ich nur wenige Erfolgserlebnisse in diesem Stadion gehabt. Einige wichtige Spiele haben wir auch da gewonnen. Aber die Gesamtbilanz ist nicht gut.
Worauf führen Sie das zurück?
Für Spieler anderer Vereine ist das häufig die einzige Möglichkeit, mal in diesem Stadion zu spielen, sich in den Kabinen umziehen zu können, durch den Tunnel gehen zu können. Und dann sind die heiß wie Frittenfett. Das ist für diese Spieler etwas Besonderes. Für unsere Jungs ist es das natürlich auch. Aber irgendwie scheint es für sie auch beklemmend zu sein. Ich kann mich gut an die Ingolstädter erinnern. Die haben mir vor dem Spiel gesagt: „Wenn wir schon mal hier spielen, dann wollen wir auch alles rausknallen.“
Sie sind seit 1992 beim BVB, haben kürzlich ihr 30-jähriges Dienstjahr gefeiert. Ist diese Saison im Vergleich besonders herausfordernd?
Ja, es ist schon herausfordernd, weil die Ansprüche an die U23 wachsen. Wenn man, wie wir es tun, Spieler aus dem Ausland verpflichtet, die als große Talente wahrgenommen werden, geht das natürlich einher mit Aufmerksamkeit. Jayden Braaf hat bereits in der Serie A gespielt, Prince Aning kommt von Ajax Amsterdam, Abdoulaye Kamara ist aus Paris zu uns gekommen. Dadurch entstehen höhere Erwartungen. Wenn diese Jungs dann nicht so performen, wie man sich das vorstellt, dann wird es schwierig. Das ist bei einem Spieler, den ich aus der vierten oder fünften Liga hole und der sich noch entwickeln kann, natürlich anders. Wenn es bei einem solchen Perspektivspieler nicht klappt, dann wird das zwar auch kritisch gesehen. Aber dennoch ist die Erwartungshaltung natürlich eine ganz andere als bei Transfers, die zumindest im nationalen Bereich für Aufsehen sorgen. In der Vergangenheit ist es uns zum Glück oft gelungen, dass wir Spieler gefunden haben, die niemand vorher auf dem Schirm hatte, und die eingeschlagen sind.
Im Frühjahr müssen Sie auch die Planung des Kaders für die kommende Saison forcieren. Wie ist da der aktuelle Stand der Dinge?
Wir stecken mittendrin in den Planungen und sind bei der Arbeit. Wir werden hoffentlich im Januar die ersten Verträge mit Neuzugängen unterschreiben können. Darüber hinaus möchte der Verein den Stellenwert der U23 künftig nochmals erhöhen, indem er noch einen zusätzlichen Scout für uns einstellt. Im neuen Jahr sollen auch wieder einige Spieler aus der U19 bei uns reinschnuppern und Erfahrungen sammeln. Für mich ist wichtig, dass sie Lust darauf haben, bei uns zu spielen. Letztlich ist es egal, wie alt jemand ist: Sobald er die totale Hingabe für seinen Job und für diese Mannschaft hat, verbessert er sich und dann spielt er auch. Die jungen Spieler erhalten bei uns die Entwicklungszeit, die sie brauchen.
Vom 2. bis 10. Januar reisen Sie mit der U23 ins Trainingslager ins türkische Belek. Was versprechen Sie sich davon?
Sofern das Winterwetter keine Kapriolen schlägt, haben wir auch in Dortmund grandiose Trainingsmöglichkeiten. Aber man darf nicht unterschätzen, wie wichtig ein Trainingslager gerade für die Entwicklung junger Spieler ist. In Belek können wir uns alle noch mal einschwören auf die Rückserie. Einen Garantieschein für eine erfolgreiche zweite Saisonhälfte hat man dadurch zwar nicht, aber wir möchten in der Türkei noch mal alles fokussieren auf die ersten Spiele. Dort können wir einen wichtigen Grundstein für den Klassenerhalt legen. Und es gibt noch andere Vereine, die zur selben Zeit in der Region sind. Da kann ich mal vorbeischauen, ob die den einen oder anderen interessanten Spieler für uns haben. Das ist ein netter Nebeneffekt.
Mehrere Probespieler und ein Trainingslager im Ausland: So plant die BVB-U23 die Winterpause
BVB-U23 überwintert auf Platz 14: Es fehlen ein Torjäger und das nötige Selbstverständnis
BVB-U23 scheitert vor dem Tor: Trainer Preußer kündigt personelle Veränderungen an