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Hyper, Hyper! Darum ist Schlüsselfigur Marco Rose für den BVB so interessant
Borussia Dortmund
Marco Rose soll im Sommer neuer BVB-Trainer werden. Am Freitag trifft er mit seinem aktuellen Klub auf seinen wohl nächsten Verein. Wer ist dieser gehypte Trainer? Eine Spurensuche.
Wie beginnt diese Geschichte, für die es so viele Einstiege gäbe? Vielleicht mit Max Eberl? Borussia Mönchengladbachs Sportdirektor sah das Unheil schließlich bereits im vergangenen Sommer kommen, als er dem „Kicker“ sagte: „Marco Rose ist ein Top-Trainer. Das macht ihn natürlich auch für andere Vereine interessant - und ich meine damit die Top-Vereine. Leider, wenn man es aus unserer Sicht betrachtet.“ Rose sei die „Schlüsselfigur“ in erfolgreichen Gladbacher Zeiten und „ein Glücksfall für die Borussia“, erzählte Eberl. Sein Fazit: „Marco hat eine unglaubliche Qualität, seine Idee des Fußballs an die Spieler weiterzugeben. Er kann außerordentlich gut vermitteln, was er möchte. Das ist doch gerade die Kunst bei einem Trainer, dass er seine Vorstellung auch rüberbringen kann. Außerdem beeindruckt mich seine Empathie. Er schafft es, die Spieler zu erreichen, sie mit seiner gewinnenden Art mitzunehmen. Diese soziale Fähigkeit rundet das Trainerbild Marco Rose ab.“
Oder beginnt dieser Text viel früher - irgendwo im Internet, das nie vergisst? Unter www.marco-rose.de, ein Überbleibsel aus Zeiten, als Rose noch ein eher durchschnittlicher Bundesliga-Spieler bei Mainz 05 und kein gehypter Bundesliga-Trainer bei Borussia Mönchengladbach war, gibt es in der Rubrik „Marco privat“ allerhand zu lesen. Unter dem Punkt „Aktuelle Fragen“ finden Interessenten beispielsweise auch die kurze, aber prägnante Antwort auf die Frage, ob sich Rose später irgendwann vielleicht mal eine Trainerkarriere vorstellen könne. „Auch das ist möglich“, lautet die längst überholte Antwort. Außerdem beschreibt sich Rose selbst als „Gerechtigkeitsfanatiker“, der „manchmal launisch“ sei, „eigentlich sehr gerne Hallenfußball“ spiele, beim Betrachten alter Kinderfotos „oh Gott, warst du moppelig“ denke und im Training „Einheiten ohne Ball“ überhaupt nicht möge.
Ex-BVB-Trainer Jürgen Klopp lobt Marco Rose in den höchsten Tönen
Man könnte auch mit Jürgen Klopp einsteigen. Das geht ja immer, wenn es um Wunschkandidaten für Borussia Dortmunds Trainerbank geht. Und Klopp hat sogar schon über Rose gesprochen, vor rund zwei Jahren war das, als Klopps ehemaliger Spieler Rose noch als Trainer bei Red Bull Salzburg in Österreich war. „Ich traue Marco alles zu“, sagte Klopp damals der Sky-Sendung „Talk und Tore“. „Marco kann jeden Job haben und könnte auch jeden Job machen. Er ist im Moment wirklich der Gehypteste von allen.“ Er habe Rose und auch Sandro Schwarz schon 2004 auf der Mainzer Bundesliga-Aufstiegsfeier gesagt, dass die beiden später mal Trainer werden würden, erzählte Klopp. Er sei damals zwar völlig betrunken gewesen und habe ja auch nicht gesagt, dass sie gute Trainer werden würden, aber immerhin Trainer. „Und jetzt sind sie richtig gute geworden. Ich kann gar nicht sagen, wie sehr es mich freut, was die beiden für eine Karriere machen.“
Natürlich könnte diese Geschichte so beginnen, wenn Klopp spricht, hört fast ganz Dortmund noch immer liebestrunken zu - aber wahrscheinlich beginnt sie trotzdem am besten einfach mit Marco Rose selbst. Denn der 44-Jährige, der mit Borussia Mönchengladbach am Freitagabend (20.30 Uhr) den BVB empfängt, ist auch zwei Jahre nach Klopps Lobhudelei im Fernsehen noch immer „der Gehypteste von allen“, zumindest in Borussia Dortmunds Chefetage.
Marco Rose: „Im Fußball entscheiden manchmal Kleinigkeiten“
Roses persönliche Geschichte beginnt in Leipzig. Zum einen ist es seine Geburtsstadt und noch immer der Wohnort seiner Familie, zum anderen ist er sowohl seine ersten Schritte als Spieler sowie als Trainer dort gegangen. Und der Name Rose ist wahrlich kein unbekannter in Leipzig. Opa Walter spielte einst für Chemie Leipzig und sogar einmal für die Nationalmannschaft, Vater Jürgen lief für die SG Rotation Leipzig 1950 in der ehemaligen DDR-Liga auf. Marco Rose selbst fand über den VfB Leipzig seinen Weg in den Profifußball. Es folgten die Stationen Hannover 96 und Mainz 05, insgesamt zählt die Statistik 65 Bundesliga- und 119 Zweitliga-Spiele für den früheren Linksverteidiger.
Und auch seine erste Aufgabe als Cheftrainer übernahm Rose 2012 in seiner Heimat beim 1. FC Lokomotive Leipzig in der Regionalliga Nordost. Im Interview mit „11 Freunde“ sagte Rose im Dezember 2019 über diese Zeit: „Ich habe bei Lok Leipzig in der Regionalliga ein Team aus Studenten, Angestellten, einem Barmann und einem Discobesitzer trainiert, allesamt herausragende Jungs. Das war meine erste Station im Herren-Bereich und ich stand mehrfach gefühlt davor, gegangen zu werden. Wenn wir ein Heimspiel gegen den Tabellenführer 1. FC Magdeburg nicht gewonnen hätten, weiß ich nicht, ob ich heute hier sitzen würde. Im Fußball entscheiden manchmal Kleinigkeiten darüber, wie es weitergeht.“
Der BVB muss für Marco Rose eine Millionen-Ablöse zahlen
Bisher haben die Kleinigkeiten immer gepasst für Rose, und auch die großen Schritte erwiesen sich als die richtigen. 2013 wechselte Rose in die Nachwuchsakademie von Red Bull Salzburg, 2017 gewann er mit der U19 die UEFA Youth League, wurde danach zum Cheftrainer der Profis befördert, sammelte zwei Meistertitel in der Österreichischen Bundesliga und führte RB Salzburg 2019 erstmals in die Gruppenphase der Champions League, dann schlugen Max Eberl und Borussia Mönchengladbach zu - für drei Millionen Euro Ablöse.
Gut anderthalb Jahre später ist klar, dass die Borussia vom Niederrhein diese Investition nicht mehr bereuen wird. Im Gegenteil. Mit Rose ging es für die Fohlen auf Anhieb in die Champions League und erstmals seit 1977 durch bis ins Achtelfinale - und sollte Rose, wonach es nach Informationen der Ruhr Nachrichten immer mehr aussieht, im Sommer weiter zur Borussia nach Dortmund ziehen, dann wird der BVB für Roses vorzeitigen Ausstieg aus dessen bis 2022 gültigen Vertrag weit mehr als drei Millionen Euro zahlen müssen. Eine Ablösesumme jenseits der Fünf-Millionen-Euro-Marke steht im Raum.
Ex-BVB-Spieler Ginter über Rose: „Verlangt eine sehr hohe Intensität“
Doch was macht Rose so interessant für Borussia Dortmund, dass sich Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc im vergangenen Sommer nach Julian Nagelsmanns erneuter Absage frühzeitig auf Rose als absoluten BVB-Wunschkandidaten für die Zeit nach dem 30. Juni 2021 festlegten?
Die Antwort lässt sich vermutlich ganz gut aus den Aussagen der Spieler herauslesen, die unter ihm spielen. Weltmeister Christoph Kramer beschreibt Rose als „korrekt, ehrlich und normal im Kopf“. Auch die früheren BVB-Profis Matthias Ginter und Jonas Hofmann loben Roses Arbeit. Ginter sagt im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten: „Er verlangt eine sehr hohe Intensität. Er will, dass wir mit und gegen den Ball viel investieren. In der Champions League haben wir gesehen, dass wir damit auch gegen ganz große Mannschaften bestehen können.“ Hofmann zog jüngst im Interview mit „Sport1“ den Vergleich zu Jürgen Klopp: „Beide können an der Seitenlinie sehr laut werden, sie coachen sehr aktiv, sind sehr emotional und haben beim Torjubel auch mal positive Ausraster drin“, sagte Hofmann, „sie ähneln sich auch in ihrer Trainingsart, beide sind einfach sehr, sehr gute Trainer.“
Rose und Zickler bilden in Mönchengladbach eine Wohngemeinschaft
Rose selbst sagte im Interview mit „11 Freunde“: „Ich könnte jetzt ausführlich über alle möglichen Kompetenzen reden, glaube aber, ein Trainer fährt schon gut damit, wenn er versucht, die Menschen zu verstehen, mit denen er zu tun hat. Wenn er offen ist und Fehler zugeben kann. Kurz: Erkennt, dass es auch Leute gibt, die manches besser können als er selbst.“

Bilden eine Wohngemeinschaft: Marco Rose (r.) und Co-Trainer Alexander Zickler. © imago / osnapix
Daher ist es bestimmt kein Zufall, dass Rose, der sich selbst als sehr gläubig beschreibt, auch in seinem Trainerteam auf ungewöhnliche Typen und ungewöhnliche Wege setzt. In Rene Maric hat er seit 2016 einen Co-Trainer an seiner Seite, der früher als Blogger Fußballspiele sezierte und dann als Analyst bei Red Bull Salzburg einstieg. Und mit dem ehemaligen Stürmer des FC Bayern München, Alexander Zickler, Roses anderem Co-Trainer, wohnt er in Mönchengladbach sogar zusammen in einer Wohngemeinschaft, weil sowohl Zicklers als auch Roses Familie nicht mit ins Rheinland gezogen ist.
Ab dem Sommer winkt Rose ein neues Abenteuer beim BVB
In einem Interview mit „Spox“ erzählte Zickler im vergangenen Oktober, dass er sich um die Einkäufe und die Rasenpflege im Garten kümmere und Rose die restlichen Aufgaben im Haushalt übernehme. Die WG funktioniere „top und unkompliziert“ und freilich auch mit gemeinsamen WG-Abenden. „Da sitzen wir gemütlich auf dem Sofa und schauen fern. Wenn mal kein Fußball läuft - was sehr selten der Fall ist - dann zappen wir um 20.15 Uhr durch die Programme und suchen uns was Cooles aus. Zum Glück liegen wir in dieser Hinsicht ebenfalls auf einer Wellenlänge. Oft reden wir aber auch einfach. Ich kann mich nicht nur über Fußball sehr gut mit Marco unterhalten, sondern über jedes Thema.“
In jüngerer Vergangenheit dürfte auch Borussia Dortmund, das ist keine allzu kühne Prognose, häufiger mal Gegenstand der gemeinsamen Gespräche gewesen sein. Ab nächstem Sommer winkt ein neues Abenteuer, die WG muss sich womöglich ein neues Zuhause suchen. Marco Roses Geschichte wird dann wohl in Dortmund weitergeschrieben - und alle werden genau hinschauen, nicht nur Max Eberl, Jürgen Klopp und das Internet.
Tobias Jöhren, Jahrgang 1986, hat an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert. Seit 2013 ist er Mitglied der Sportredaktion von Lensing Media – und findet trotz seines Berufes, dass Fußball nur die schönste Nebensache der Welt ist.
